Scheidender Erste-Group-Chef Andreas Treichl sieht in Verlagerung von Finanzgeschäft in unregulierte Finanzwelt Keim für nächste Krise.
In Finanzgeschäften findet zehn Jahre nach der großen Finanzkrise eine massive Verschiebung aus der regulierten Finanzwelt in die unregulierte Finanzwelt statt, konstatiert der scheidende Erste-Group-Chef Andreas Treichl. "Da braut sich etwas zusammen, was die nächste Krise hervorrufen wird", sagt der Banker in einem Interview in der "Presse" (Samstagausgabe).
Die Sorge, dass Negativzinsen leichter durchzusetzen sind, wenn es nur mehr elektronisches Geld gibt, nennt Treichl "absolut berechtigt".
Um die streng regulierten Banken sorgt er sich nicht. Bei der regulierten Finanzwelt in Europa würde es ihn "extrem wundern, wenn da in den nächsten 20 Jahren ein Problem entstehen würde. Außer ein Ertragsproblem."
"Für Zinsen geht niemand auf die Straße"
Nach 22 Jahren an der Spitze der börsennotierten Erste-Group gibt Treichl Ende des Jahres die operative Führung ab, er wechselt in die Eigentümerstiftung. Dass die Sparer auf absehbare Zeit wieder einen realen Zins sehen, glaubt er nicht. Die einzige Möglichkeit wie es zu einer starken Inflation kommen könnte sei, dass durch die Klimaerwärmung eine massive Verteuerung entsteht - etwa beim Transport. "Und die Probleme dieser Nullzinsen - wie etwa das Ende jeglicher privaten Pensionsvorsorge - sind leider sehr schlecht für die Politik tauglich, da sie erst langfristig auftreten werden. Für die Umwelt kann sich die Jugend dank Greta Thunberg begeistern. Für Zinsen geht aber niemand auf die Straße demonstrieren."
Die große Liebe der heimischen Bevölkerung zum Bargeld führt der Banker darauf zurück, dass der Österreicher eine größere Abneigung gegenüber Transparenz habe als beispielsweise Skandinavier. Bargeld bedeute, sich etwas kaufen zu können, ohne dass jeder weiß, dass man es besitze. Dafür habe er auch großes Verständnis. "Aber es wird sich in Zukunft nicht mehr spielen."
Treichl: Filial-Bank ist nicht tot
Die Sorgen, dass Negativzinsen leichter durchzusetzen sind, wenn es nur mehr elektronische Guthaben gibt, hält Treichl nicht für übertrieben. "Das ist absolut berechtigt. Auch wir haben relativ große, eigentlich riesige, Barbestände als Erste. Die Versicherungsprämie, die wir dafür bezahlen liegt bei 25 Basispunkten. Damit sparen wir uns 25 Basispunkte gegenüber dem negativen Einlagenzinssatz bei der EZB. Insofern ist es natürlich auch ärgerlich, dass der 500-Euro-Schein abgeschafft wird. Zwei Milliarden in 500ern lagern ist billiger als zwei Milliarden in Hundertern."
Ob das eine Maßnahme im Kampf gegen Schwarzarbeit sei oder nicht eher der Kampf gegen jene, die ins Bargeld flüchten wollten? "Beides stimmt", meint Treichl in dem Zeitungsinterview. Er sei aber grundsätzlich schon für mehr Transparenz, weil so Korruption eliminiert werde.
Die Filialbank ist in den Augen des Erste-Chefs nicht tot. Natürlich werde es immer mehr digitale Angebote geben. Die erste Wohnung werde auch in 20 Jahren nicht online gekauft werden. Persönliche Beratung werde wichtiger werden. "Der althergebrachte Schalter ist tot oder wird sterben. Darauf stellen wir uns mit dem neuen Filialkonzept schon ein." Umsatzgetriebene Verkaufsaktionen von Bausparverträgen beispielsweise werde es künftig nicht mehr geben.