Städtereisen boomen. Das ist eigentlich verwunderlich. Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise läge es nahe, dass sich viele Deutsche gerade den Zweit- oder Dritturlaub verkneifen. Genau das haben viele Tourismusexperten vorhergesagt. Aber nichts da: Städtereiseziele sind beliebt wie eh und je oder sogar noch mehr. In der Wintersaison wird das Angebot in diesem Bereich sogar noch umfangreicher als im Jahr davor.
"Wir sehen seit zehn Jahren ein kontinuierlich wachsendes Interesse an Städtereisen", sagt der Tourismusforscher Prof. Martin Lohmann aus Kiel, der die Daten für die jährliche "Reiseanalyse" erhebt. Das Buchungsverhalten der deutschen Urlauber entspreche dem auch. Allerdings gehört Lohmann zu denjenigen, die davon ausgehen, dass die Nachfrage nach Städtereisen durch die Wirtschaftskrise gefährdet ist.
"Natürlich hat niemand schon zu Jahresanfang beschlossen, diesmal lassen wir die Städtereisen sein", schränkt Lohmann ein. Solange das eigene Portemonnaie nicht betroffen ist, hält das an." Etliche Veranstalter sehen gerade bei den Städtereisen deutliche Zuwächse. Sie profitieren von einer Entwicklung, die insgesamt eher unschön ist: "Die Städte haben zwei große Probleme", sagt Martin Katz, Ameropa-Geschäftsführer in Bad Homburg. "Zum einen gibt es viel weniger Geschäftsreisende, zum anderen bleiben die ausländischen Gäste weg." Und deswegen purzeln die Hotelpreise. Die Veranstalter können ihre Städtereisen nun oft günstiger anbieten.
Marktführer TUI legt im Angebot nach: Nicht ganz 1000 Hotels in 114 Städten sind im neuen Winterkatalog zu buchen. Allein in Hamburg stehen 50 Hotels davon, bei der TUI ist die Hansestadt das Städtereisenziel Nummer eins. Das war einer der Gründe, warum TUI nun mit Hamburg Tourismus kooperiert und dessen Pauschalpakete bundesweit in 9000 Reisebüros buchbar macht.
Dertour bietet mehr als 1100 Hotels in über 200 Städten an. Der Veranstalter hat einige neue Ziele von Duisburg und Trier bis Istanbul oder Pec in Ungarn für den neuen Städtereisekatalog im Winter angekündigt. Besonders gefragt ist Deutschland. "Das gilt auch für Ziele, die früher als C-Städte eingestuft worden wären", sagt Ulrike Schäfer von FTI in München. Längst sind Trier, Braunschweig oder Oberhausen im FTI-Katalog zu finden. "Eisenach zum Beispiel hat extrem zugelegt." Zum Winter hat der Veranstalter das Deutschlandprogramm ausgebaut und um neue Ziele wie Marburg und Dessau erweitert.
Den Trend sieht auch Daniela Lennartz, bei Neckermann und Thomas Cook in Oberursel für die Städtereisen verantwortlich: "Wir haben immer mehr kleinere Städte wie Erfurt im Katalog. Die vermarkten sich einfach gut." Ameropa-Chef Katz bestätigen das: "Bonn, Bremen, Weimar, Leipzig, Eisenach oder Halle im Händeljahr - Städte, in denen kulturell viel los ist, sind attraktiv."
Im Ausland sind einerseits die Klassiker wie Rom nach wie vor gefragt. "London boomt", sagt Ulrike Schäfer - und Reykjavik. Da seien die Flugpreise sehr attraktiv geworden. "London hat bei uns sogar Paris als Nummer eins der Städtereisenziele abgelöst", ergänzt Daniela Lennartz. Auch Madrid sei in diesem Jahr beliebt.
Auffallend sei der Wunsch, die Stadt der Wahl auf möglichst originelle Art zu entdecken. Die klassische Stadtführung, bei der Architekturdenkmäler abgeklappert werden, verliert an Reiz, sagt Lennartz. "Stattdessen geht es mit dem Fahrrad durch die Altstadt von Valencia oder mit dem Hightech-Roller Segway durch die City."
Von Andreas Heimann, dpa