Spendenbericht 2022

Österreicher spenden 900 Millionen Euro im Schatten von Krieg und Teuerung

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Der Fundraising Verband Austria – Dachverband der Spendenorganisationen – präsentiert den Spendenbericht 2022 mit einer Prognose für das laufende Spendenjahr.  

Das Aufkommen im zweiten Pandemie-Jahr hat mit dem zweitgrößten Wachstum des Jahrzehnts die Erwartungen übertroffen. 2022 werden insgesamt voraussichtlich 900 Mio. Euro dabei helfen, Not zu lindern. Allerdings verzeichnen viele Organisationen aufgrund der Rekordteuerung seit Monaten Rückgänge. Das Spendenengagement der Österreicher in der Weihnachtszeit wird entscheiden, ob die positive Prognose oder ein negatives Szenario eintritt. Der Gesetzgeber ist gefordert, endlich aktiv zu werden und wichtigen Spendenzwecken wie Tierschutz und Bildung den Zugang zur Spendenbegünstigung zu ermöglichen.

Auf die humanitäre Katastrophe in der Ukraine haben die Menschen in Österreich mit einer noch nicht dagewesenen Welle der Solidarität reagiert. „Allein innerhalb der ersten zwei Kriegsmonate wurden unglaubliche 100 Mio. Euro für die Ukraine-Hilfe gegeben – mehr als 10% des gesamten Jahresaufkommens. Ein wesentlicher Beitrag zur Linderung von Not, ob direkt in den Kriegsgebieten, bei der Betreuung Geflüchteter in Nachbarländern oder in Österreich“, betont Günther Lutschinger, Geschäftsführer Fundraising Verband Austria. Entscheidenden Anteil an der Ukraine-Hilfe hat die Aktion NACHBAR IN NOT, die bis Ende Oktober über 50 Mio. Euro sammelte.

Österreicher spenden 900 Millionen Euro im Schatten von Krieg und Teuerung
© FVA/Ludwig Schedl
× Österreicher spenden 900 Millionen Euro im Schatten von Krieg und Teuerung

Im Vorjahr, dem zweiten Jahr der Pandemie, gaben die Österreicher 870 Mio. Euro für den guten Zweck – um 20 Mio. Euro mehr als erwartet und damit der zweitgrößte Anstieg (+7,4%) der vergangenen zehn Jahre. Neuerlich ein starkes Zeichen für den sozialen Zusammenhalt, der sich allerdings nicht auf alle gemeinnützigen Wirkungsbereiche erstreckt: Während vor allem die Zwecke Tiere und Umwelt, aber auch Soziales und Kinder deutliche Zuwächse verzeichneten, trat die Internationale Hilfe in den Hintergrund. Vereine der Entwicklungszusammenarbeit verloren gegenüber 2020 rund 8,5 Mio. Euro (-5%).

700 Millionen allein von privat

Die Analyse des Spendenaufkommens zeigt, dass Privathaushalte in Österreich mit eindrucksvollen 700 Mio. Euro den größten Anteil leisten. Das entspricht 80% des gesamten Spendenaufkommens. Je 10% stammen von Unternehmen und gemeinnützigen Stiftungen. Insbesondere der Mittelstand kann als Hauptschlagader des Gebens hierzulande bezeichnet werden. 85% des Aufkommens resultieren aus den zahlreichen Beträgen unter 200 Euro, während Spenden über 1.000 Euro in Summe lediglich 2% ausmachen. Dies verdeutlicht auch den im internationalen Vergleich ausgesprochen geringen Beitrag Hochvermögender für das Gemeinwohl.

Prognose 2022: Großzügigkeit wächst, aber…

Die im Spendenbericht 2022 ausgewerteten Zahlen und Daten aus dem ersten Halbjahr belegen die herausragende Hilfsbereitschaft der Bevölkerung für die Menschen in und aus der Ukraine, aber auch die anhaltende Großzügigkeit in Zeiten der Rekordteuerung. Insgesamt rechnet der Fundraising Verband Austria – in einem positiven Szenario – mit einem Spendenaufkommen von 900 Mio. Euro. Entscheidender denn je sind dafür jedoch die Weihnachtsspenden, die im Schnitt bis zu 30% der jährlichen Spenden ausmachen.

„Fallen die Spenden in der Weihnachtszeit heuer geringer aus, dann droht vielen wichtigen Hilfsprojekten das Aus, denn angesichts der massiv gestiegenen Energie- und Infrastrukturkosten sind hunderte gemeinnützige Organisationen bereits jetzt extrem unter Druck“, warnt Lutschinger vor einem möglichen negativen Prognoseszenario. Schon jetzt steht fest, dass einige Vereine durch die Teuerung seit dem Frühjahr signifikante Spendenrückgänge hinnehmen mussten. Speziell Krisenherde abseits der Ukraine und andere internationale Themen blieben auf der Strecke.

Engagement im Westen am größten

Österreichweit beteiligen sich nach eigenen Angaben 67% der Bevölkerung aktiv am Spenden, durchschnittlich mit 111 Euro, so das Ergebnis der letzten Spendenmarktbefragung. Im Bundesländervergleich weisen Spendende im Westen eine deutlich höhere Durchschnittsspende als im Osten auf. 163 Euro werden in Salzburg, Tirol und Vorarlberg im Schnitt gegeben. In Wien sind es 107 Euro, in Niederösterreich und dem Burgenland nur 78 Euro. Dafür sind die Niederösterreicher und Burgenländer Spitzenreiter bei der Beteiligung am Spenden (73%). Die Kinderhilfe (33%) und der Tierschutz (32%) stellen in der aktuellen Studie die beliebtesten Spendenziele der Österreicher dar.

International sind die USA unangefochtene Spendenweltmeister. Unglaubliche 411 Mrd. Euro (umgerechnet) oder 2,1% vom US-BIP haben die Amerikaner gespendet. Mit dem Spenden-BIP-Verhältnis der Vereinigten Staaten würde das Spendenaufkommen in Österreich bei 8,6 Mrd. Euro liegen. Die spendenfreudigsten Länder Europas sind Großbritannien, Schweiz und Niederlande. Österreich ist ins Mittelfeld abgerutscht.

Österreicher spenden 900 Millionen Euro im Schatten von Krieg und Teuerung
© FVA/Ludwig Schedl
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Spendenbegünstigung: Politik muss endlich handeln

94% aller Spenden hierzulande sind spendenbegünstigt, können also steuerlich abgesetzt werden. Sämtliche anderen Zwecke schlagen sich mit 6% zu Buche, darunter wichtige Spendenziele wie Tierschutz und Bildung, die vom Vorteil der Spendenbegünstigung seit mittlerweile 13 Jahren ausgeschlossen sind. Dahinter stehen teils absurde Regelungen, wonach Bildung in Entwicklungsländern begünstigt ist, Hilfe an Brennpunktschulen in Österreich aber nicht. Ebenso verwunderlich: der Schutz der Wildtiere wird steuerlich anerkannt, jener von Haustieren nicht. Viel ungenutztes Potential ruht in gemeinnützigen Stiftungen, die in Österreich im Vergleich zu Deutschland oder der Schweiz auf kein freundliches Klima treffen. Anstatt steuerlichen Anreizen und langfristiger Rechtssicherheit für Stiftende, ermöglicht der Gesetzgeber seit Jahren nur eine befristete Spendenabsetzbarkeit. Bildungsstiftungen werden zusätzlich auch noch mit der fehlenden KESt-Befreiung blockiert und müssen 27,5% von ihren Zuwendungen an die Finanz abgegeben, anstatt die Mittel für Bildungsprojekte einsetzen zu können.

Zwar stehen entsprechende Maßnahmen im Regierungsprogramm, umgesetzt wurde bisher keine einzige. „Die Frustration bei Stiftenden, Tierschutz- und Bildungsspendenden sowie gemeinnützigen Organisationen ist groß.“, sagt Günther Lutschinger. „Die langersehnten legislativen Verbesserungen würden jedenfalls wichtige Impulse für den Spendenbereich bringen.“

Konkret braucht es dringend eine Weiterentwicklung des Gemeinnützigkeitspakets 2015 – steuerliche Anreize, modernere rechtliche Rahmenbedingungen und vor allem eine faire Spendenabsetzbarkeit für alle Bereiche und ihre Spendenden.
  

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