Rechtliche Risiken

VW und Porsche vertagen die Fusion

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Die Verschmelzung ist laut den Firmen nicht bis Ende 2011 zu schaffen.

Die beiden deutschen Autohersteller Volkswagen und Porsche schieben ihre geplante Fusion wegen rechtlicher und steuerlicher Risiken auf die lange Bank. VW teilte am Donnerstagabend mit, der Vorstand sei nach Gesprächen mit der Porsche Automobil Holding zu der Überzeugung gelangt, dass die angestrebte Verschmelzung nicht innerhalb des vorgesehenen Zeitraums bis Jahresende umzusetzen sei. Am Ziel eines integrierten Automobilkonzerns hielten die beiden Unternehmen jedoch fest.

Rechtliche Hürden
Als Grund für die Verschiebung nannten VW und Porsche rechtliche Hürden. Die wirtschaftlichen Risiken einer Verschmelzung könnten nicht genau eingeschätzt werden, damit sei eine Bewertung der Porsche-Aktien für die Ermittlung eines Umtauschverhältnisses in VW-Papiere zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich. Die Unsicherheiten ergeben sich vor allem aus milliardenschweren Schadensersatzklagen von mehreren Investmentfonds in den USA, die dem früheren Porsche-Management um Vorstandschef Wendelin Wiedeking Marktmanipulation vorwerfen. Zwei Gerichte prüfen seit Monaten, ob Porsche und seine ehemaligen Spitzenkräfte überhaupt in den USA belangt werden können. Auch in Deutschland stehen Fonds in den Startblöcken, zögern aber wegen hoher Gerichtsvorschüsse noch mit einer Milliarden-Klage.

Ermittlungen gegen Porsche-Manager
Die Stuttgarter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Wiedeking und seinen damaligen Finanzchef Holger Härter wegen des Verdachts, ob beide Manager am Kapitalmarkt im Zuge der geplanten VW-Übernahme mit geschickten Börsentransaktionen getäuscht haben. Einen Zwischenstand wollen die Ermittler erst Anfang 2012 vorlegen, VW und Porsche wollten ihre Aktionäre jedoch bereits Ende Dezember über die Verschmelzung abstimmen lassen. Die Ermittlungen der Strafverfolger richten sich zwar gegen die Manager als Privatpersonen, die Erkenntnisse könnten aber auch für die klagenden Investmentfonds interessant sein.

VW und Porsche hatten in einem Burgfrieden vor zwei Jahren einen Fahrplan vereinbart, um bis Ende 2011 die Weichen für eine Fusion zu stellen. Für den Fall, dass die Verschmelzung platzt, hatten sich VW und Porsche 2009 vorsorglich gegenseitig Kauf- und Verkaufsoptionen auf die Anteile am Fahrzeuggeschäft eingeräumt. Dadurch kann sich der Wolfsburger Konzern erstmals im November 2012 den Rest des Sportwagengeschäfts einverleiben.

VW besitzt rund die Hälfte der Porsche-Anteile
Volkswagen besitzt bereits knapp die Hälfte des Porsche-Fahrzeuggeschäfts. In der Porsche Holding sind die Anteile am Fahrzeuggeschäft und am Volkswagen-Konzern gebündelt. Das Friedensabkommen war im Sommer 2009 geschlossen worden, nachdem das Porsche-Management um Wiedeking mit dem Versuch gescheitert war, den viel größeren VW-Konzern zu übernehmen und Porsche unter den Schulden zusammenzubrechen drohte.

VW teilte mit, die Verschiebung der für die Fusion nötigen Hauptversammlungsbeschlüsse führe dazu, dass eine neue Bewertung der Kauf- und Verkaufsoptionen voraussichtlich zu einem deutlich positiven Ertrag im Finanzergebnis des Wolfsburger Konzerns führen werde. In den kommenden Wochen wolle der Vorstand entscheiden, ob neben den Kauf- beziehungsweise Verkaufsoptionen weitere Handlungsmöglichkeiten bestünden. Die Ergebnisse sollten dem Aufsichtsrat noch in diesem Jahr erläutert werden.

Bei Porsche wird die Neubewertung der mit 3,9 Mrd. Euro veranschlagten Optionen hingegen negativ zu Buche schlagen. Trotz der "weiterhin positiven Entwicklung" des Fahrzeuggeschäfts sei daher für den Neun-Monatszeitraum dieses Jahres ein negatives Konzernergebnis zu erwarten. In der ersten Jahreshälfte hatte die Porsche SE nach Steuern 149 Mio. Euro Gewinn erzielt.

Keine Einigung zwischen Wolfsburg und Stuttgart
Aus Porsche-Kreisen verlautete, zwischen Wolfsburg und Stuttgart habe bis zuletzt keine Einigkeit über die möglichen negativen Auswirkungen der Rechts- und Steuerstreitigkeiten erzielt werden können. Während Porsche die erhobenen Vorwürfe wegen Marktmanipulation weiterhin für unbegründet halte, habe VW darin eine unüberwindbare Hürde zu einer Unternehmensbewertung gesehen. Um Interessenskonflikten aus dem Weg zu gehen, hätten sich VW-Chef Martin Winterkorn und Finanzchef Hans Dieter Pötsch bei den jüngsten Vorstandsbeschlüssen zur Absage der Verschmelzung in beiden Unternehmen enthalten. Winterkorn und Pötsch leiten in Personalunion sowohl VW als auch die Porsche SE. Für Porsche drängt die Zeit: Denn zum Jahresende läuft eine milliardenschwere Kredittranche aus, die allerdings unter bestimmten Bedingungen um ein Jahr verlängert werden kann.

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 23. Juli 2009: Volkswagen triumphiert nach langer und schmutziger Übernahmeschlacht über Porsche. Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und sein Finanzvorstand Holger Härter müssen gehen. Sie sind endgültig mit ihrem waghalsigen Plan gescheitert, den viel größeren VW-Konzern zu übernehmen. Porsche soll nun als zehnte Marke unter das Dach von Europas größtem Autobauer schlüpfen. Das Hauptproblem: Porsche hat 11,4 Mrd. Euro Schulden angehäuft.

- 13. August 2009: VW und Porsche ebnen den Weg für ein neues Autoimperium. Die Aufsichtsräte beider Unternehmen stimmen einer Vereinbarung zu, die das Zusammengehen der beiden Autobauer regelt. Die Wunschlösung ist eine Verschmelzung der Porsche Automobil Holding SE mit der Volkswagen AG im Jahr 2011. Für den Notfall halten beide Autobauer einen Plan B bereit: Von Ende 2012 an kann VW das Porsche-Sportwagengeschäft (Porsche AG) komplett übernehmen.

- 14. August 2009: Das Scheichtum Katar steigt bei Porsche ein. Die Beteiligungsgesellschaft Qatar Holding erwirbt zehn Prozent der Stammaktien der Holding-Gesellschaft Porsche SE von den Familien Porsche und Piech. Zudem wird eine Vereinbarung getroffen, wonach Katar Porsche einen Großteil der Optionen auf VW-Aktien abkauft. Später löst das Scheichtum diese ein und erwirbt 17 Prozent der VW-Stammaktien.

- 7. Dezember 2009: Volkswagen übernimmt knapp die Hälfte des Porsche-Sportwagengeschäfts. Die Wolfsburger beteiligen sich mit 49,9 Prozent an der Porsche AG und zahlen dafür 3,9 Mrd. Euro. Zuvor hatten die VW-Aktionäre dem Vorstand grünes Licht für eine milliardenschwere Kapitalerhöhung gegeben.

- Ende Jänner 2010: Die Übernahmeschlacht um Volkswagen holt Porsche in den USA ein. Eine Gruppe von US-Investmentfonds verklagt die Porsche Automobil Holding SE und deren ehemalige Vorstände wegen undurchsichtiger Aktiengeschäfte auf Schadenersatz in Milliardenhöhe. Der Ausgang ist noch immer offen.

- 1. März 2011: VW kauft für 3,3 Mrd. Euro Europas größten Autohändler, die Porsche Holding in Salzburg. Das Geld wollen die Eigentümer der Holding, die Familien Porsche und Piech, in eine geplante Kapitalerhöhung bei der Porsche Holding SE stecken.

- Mitte April 2011: Porsche befreit sich dank einer erfolgreichen Kapitalerhöhung weitgehend von seiner drückenden Schuldenlast. Die Porsche SE sammelt 4,9 Mrd. Euro von den Aktionären ein. Der Schuldenberg schrumpft auf etwa 1,5 Mrd. Euro.

- 17. Juni 2011: Porsche und VW verkünden, für Dezember Hauptversammlungen zu planen, auf denen die Aktionäre über die geplante Verschmelzung abstimmen sollen. Diese sind nun aber hinfällig.

- 8. September 2011: Die beiden Autobauer verkünden, dass eine Fusion 2011 nicht mehr gelingt. Die Wunschlösung A ist damit vom Tisch. Plan B kann dagegen weiter verwirklicht werden, frühestens ab 15. November 2012 könnte VW das Porsche-Sportwagengeschäft (Porsche AG) komplett übernehmen. Beide Unternehmen kündigten aber an, darüber hinaus weitere Möglichkeiten zu prüfen.

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