Polen ratifiziert Lissabon-Vertrag

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Polen hat als vorletztes der 27 EU-Länder den Reformvertrag von Lissabon ratifiziert. Präsident Lech Kaczynski signierte das Dokument.

Nun richten sich alle Augen auf den tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus, der als letzter den Vertrag unterzeichnen muss. "Heute ist ein sehr wichtiger Tag in der Geschichte Polens und der Europäischen Union", sagte Kaczynski, bevor er im Präsidentenpalast seine Unterschrift unter das Dokument setzte. Die Iren hätten mit ihrem Ja den Vertrag "wiederbelebt". Irland hatte zuvor in einem zweiten Referendum mit deutlicher Mehrheit für den Lissabon-Vertrag gestimmt. Kaczynski hatte seine Unterschrift vom Ausgang des Referendums abhängig gemacht.

An dem Festakt im polnischen Präsidentenpalast nahmen auch der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt, der Chef des Europäischen Parlaments Jerzy Buzek sowie EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso teil. Buzek zeigte sich trotz neuer tschechischer Sonderwünsche zuversichtlich. "Dieser Vertrag ist wichtig, weil er uns neue Kraft gibt", sagte Buzek in Warschau. Er sei überzeugt, dass in "nicht ferner Zeit" 27 Länder den Vertrag ratifiziert haben werden und das Dokument noch in diesem Jahr in Kraft treten kann. "Denn der Vertrag ist wichtig für Polen und für Europa" betonte Buzek.

Tschechien fehlt noch

Auch Reinfeldt verwies auf die noch fehlende tschechische Unterschrift. Europa warte auf diese Unterschrift, betonte er. Der Kontinent brauche keine Verspätungen, sagte der Politiker, dessen Land bis zum Jahresende den EU-Vorsitz führt. Das polnische Parlament hatte den Vertrag bereits im April vergangenen Jahres gebilligt. Kaczynski hatte mit seiner Unterschrift das positive Ergebnis des zweiten Referendums in Irland abgewartet.

Der tschechische Ministerpräsident Jan Fischer hat unterdessen die Unterzeichnung des EU-Reformvertrags durch Polen begrüßt. Das teilte sein Büro am 10.10. in Prag mit. Fischer sei "zur gleichen Zeit der Auffassung, dass das Dokument in absehbarer Zeit in der Republik Tschechien ratifiziert werden könne", hieß es. Auch Europaminister Stefan Füle gratulierte Polen und sagte, er hoffe auf eine Ratifizierung in diesem Jahr.

In Tschechien muss zunächst das Verfassungsgericht über den Text befinden. Dann steht noch die Unterschrift des europaskeptischen tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus aus, der am 9.10. wegen befürchteter Rückgabeforderungen von Sudetendeutschen eine Ausnahmeklausel für die europäische Menschenrechtscharta forderte. Der Lissabon-Vertrag soll die EU handlungsfähiger und demokratischer machen.

Parlament und Senat in Prag haben den Lissabon-Vertrag bereits gebilligt. Nur Klaus verweigert bisher seine zur Ratifizierung notwendige Unterschrift, als letzes Staatsoberhaupt der Union. Klaus fordert eine Aussetzung der EU-Grundrechtcharta für Tschechien - eine Position, welche die tschechische Regierung nach Angaben von Fischer nicht für notwendig hält. Fischer will am 12.10. mit seinem Kabinett darüber beraten, wie man mit den neuen Forderungen von Klaus umgeht.

Klaus von seiner Regierung kritisiert

Klaus steht nach seinen neuen Forderungen zum EU-Reformvertrag unter innenpolitischer Kritik. "Ich bedauere, dass der Präsident sich über seine Pläne nicht vorher mit der Regierung beraten hat", teilte Ministerpräsident Jan Fischer in Prag am 9.10. mit. Auch aus dem Außenministerium hieß es, man sei von Klaus nicht konsultiert worden. Nach der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags durch Polen fehlt nur noch die Unterschrift des tschechischen Präsidenten, um das Vertragswerk in Kraft zu setzen.

Klaus hatte zuvor erklärt, die Grundrechtecharta des Lissabon-Vertrags erlaube Klagen von Vertriebenen zur Eigentumsrückgabe. Damit bezog er sich auf die mehr als 2 Mio. Sudetendeutschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg auf Grundlage der umstrittenen Benes-Dekrete enteignet und vertrieben wurden. Präsident Klaus fordert von der EU eine Ausschlussklausel, damit die Benes-Dekrete von 1945 nicht international angezweifelt werden können.

Fischer erklärte: "Alle Analysen, die der Regierung vorliegen, widersprechen solchen Möglichkeiten". Die Regierung habe auch die Benes-Dekrete überprüft und "sehe keine Risiken in solcher Hinsicht". Auch von der tschechischen Nachrichtenagentur CTK befragte Rechtsexperten sagten, der Lissabon-Vertrag könne als internationales Abkommen nicht nachträglich angewandt werden.

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