Weltweit tragen rund 36,7 Millionen das Humane Immunschwäche-Virus in sich. - Was Sie über die Infektionskrankheit wissen sollten!
Seit 1981 in den USA die ersten Fälle von AIDS beschrieben wurden und 1983 der Erreger nachgewiesen wurde, infizierten sich weltweit rund 78 Millionen Menschen mit dem resistenten HI-Virus (Anm. Humanes Immunschwäche-Virus) – 35 Millionen sind bereits an den Folgen der verbreiteten Infektionskrankheit verstorben. Derzeit leben rund 36,7 Millionen mit dem Virus, davon 1,8 Millionen Kinder unter 18 Jahren. Während früher AIDS ein fixes Todesurteil war, da das Immunsystem so weit geschwächt wird, dass harmlose Keime einen tödlichen Verlauf haben können, lässt es sich – dem medizinischen Fortschritt sei Dank – heute, seit dem Durchbruch der Kombinationstherapie 1996, gut damit leben. Anlässlich des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember haben wir mit Elisabeth Mikulenko, Vereinsvorstand POSITIVER DIALOG – eine Selbsthilfegruppe für Menschen mit HIV/AIDS, deren Angehörige, Freunde und Hinterbliebene – gesprochen. Sie selbst hat sich vor 15 Jahren mit dem Virus infiziert und erzählt über ihren Alltag mit AIDS, etwaige Einschränkungen, medizinische Fortschritte und soziale Diskriminierung. Ein wesentlicher Punkt für Betroffene: Denn viele HIV-positive Menschen leiden heutzutage mehr unter den sozialen Auswirkungen als unter den gesundheitlichen Folgen der Infektion.
Elisabeth Mikulenko (60) im Talk: „Unwissenheit ist größter Feind!“
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Wann und wie haben Sie sich infiziert?
Elisabeth Mikulenko: Ich bin seit ungefähr 15 Jahren positiv – ungefähr, weil ich lange Zeit nicht wusste, dass ich mich bei meinem damaligen Lebenspartner infiziert habe. Ich wusste überhaupt nicht, dass er infiziert war. Vor neun Jahren kam dann völlig unerwartet die Diagnose und ich habe sofort mit der Therapie begonnen.
Wie haben Sie damals bemerkt, dass Sie betroffen sind? Haben Sie sich zufällig testen lassen?
Mikulenko: Nein, natürlich nicht. HIV und AIDS waren für mich überhaupt kein Thema. Ich wurde krank und nicht mehr gesund – war ständig kränklich, habe abgenommen, es ging mir zunehmend schlechter und war letztendlich nur mehr Haut und Knochen. Meine Hausärztin meinte damals, ich sollte mich testen lassen. Und dann die erschreckende Diagnose: HIV-positiv.
Inwiefern hat die Diagnose, die Krankheit Ihr Leben verändert?
Mikulenko: Es hat sich alles komplett verändert. Die Lebensgemeinschaft mit meinem Partner habe ich daraufhin sofort beendet – ich war sauer, wütend und hasserfüllt. Wollte von ihm nichts mehr wissen.
Wusste er davon?
Mikulenko: Er meinte nein. Mir hat es damals aber schlichtweg an Kraft gefehlt, um mich damit auseinanderzusetzen. Es hat lange gedauert, bis ich tatsächlich realisiert habe, was sich da eigentlich abspielt. Das hat dazu geführt, dass sich meine komplette Lebenseinstellung geändert hat – ich einiges verändern müssen. Aber heute geht es mir gut, und ich habe einen geregelten Tagesablauf.
Können Sie heute noch Einschränkungen feststellen?
Mikulenko: Heute gar nicht mehr. Ich habe mich an dieses Leben gewöhnt und lebe wie jeder andere auch. So schlimm es anfänglich war, kann ich heute erleichtert sagen, dass die Krankheit ein Teil von mir ist, mit dem es sich nahezu unbeschwert leben lässt. Klar gibt es Tage, an denen das Schicksal wieder verstärkt an einem nagt – schließlich wird man täglich, wenn man die Tabletten schluckt, an seine Krankheit erinnert. Davon lasse ich mich aber nicht runterziehen. Ich bin ein fröhlicher Mensch.
Wie verläuft Ihre Therapie?
Mikulenko: Morgens zum Frühstück, das ist meine geregeltste Mahlzeit, nehme ich meine Therapie. Wichtig ist, dass ich die Tablette in einem Zeitfenster von drei bis vier Stunden und zu einer Mahlzeit nehme. Denn es braucht eine gewisse Anzahl an Kalorien, damit das Medikament seine volle Wirkung entfaltet. Dem medizinischen Fortschritt ist zu verdanken, dass es mir heute so gut geht und ich ein derart unbeschwertes Leben leben kann.
Hatten Sie damals Unterstützung – wie haben Familie und Freunde reagiert?
Mikulenko: Ich habe einen erwachsenen Sohn, zu dem ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis habe. Er war der Erste, dem ich es gesagt habe. Er hat es mit Fassung getragen und hat mir gemeinsam mit meiner Schwester jede Unterstützung geboten, die ich in dieser schweren Zeit gebraucht habe. Anders war es im Freundeskreis – viele haben aus Unwissenheit den Kontakt abgebrochen. Die Unwissenheit der Menschen ist, auch heute noch, unser größter Feind – viele scheuen davor zurück, einen Schluck aus meiner Tasse zu nehmen oder haben Angst, mir die Hand zu schütteln. Und hier beginnt die soziale Diskriminierung …
Gutes Stichwort. Haben Sie damit zu kämpfen?
Mikulenko: Heute bin ich so weit, dass ich es kaum noch jemandem sage. Ich habe mich offiziell geoutet und das war gut so. Es ständig an die große Glocke zu hängen, führt zu nichts. Ich bin seit Jahren unter der Nachweisgrenze und somit auch nicht mehr infektiös.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Mikulenko: Viel mehr Aufklärungsarbeit. Weg von gängigen, falschen Stigmata. Und mehr Offenheit für AIDS-Tests – zur eigenen Sicherheit.
Keine Panik!
Meist beginnt die soziale Ausgrenzung bereits bei alltäglichen Gesten wie einem einfachen Händeschütteln zur Begrüßung. Vor dem schrecken viele aus Angst vor einer möglichen Infektion zurück – schuld ist das Unwissen. Denn eine Infektion mit dem HI-Virus erfolgt ausschließlich über Körperflüssigkeiten wie Blut, Sperma, Scheidensekret aber auch Muttermilch. Der mit Abstand häufigste Infektionsweg ist ungeschützter, sexueller Kontakt – oft geschieht dies unwissentlich. Viele Betroffene wissen oft nichts von ihrer Infektion, da es nicht zu sofortigen, eindeutigen Symptomen kommt. Einen nicht unwesentlichen Prozentsatz machen Drogenabhängige aus, die sich durch unhygienischen Umgang mit kontaminierten Spritzen infizieren. Auch eine Übertragung von der Mutter ist während der Schwangerschaft, bei der Geburt und beim Stillen möglich. Somit kann man Entwarnung geben: Hände schütteln, aber auch umarmen, küssen, der Gebrauch vom selben Besteck und weitere alltägliche Handlungen stellen kein Risiko dar. Demnach lässt sich einer Infektion gut vorbeugen – vorausgesetzt, der Betroffene weiß von seiner Erkrankung.
Prävention: So beugen Sie vor
Täglich kommt es hierzulande zu ein bis zwei Neuinfektionen (meist durch sexuelle Kontakte). Diese lassen sich in den meisten Fällen verhindern:
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Safer Sex: Kondome schützen vor ungewollter Schwangerschaft und Geschlechtskrankheiten.
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Stillen: Ist eine Mutter HIV-positiv, ist ein Stillersatz erforderlich.
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Hygiene: Drogenabhängige sollten Spritzen, Nadeln und sonstiges Zubehör nur einmal verwenden und niemals teilen.
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Handschuhe: Medizinisches Personal sollte stets mit Handschuhen arbeiten.
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Gute Prognose dank guter Therapiemöglichkeiten
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✏ Gute Chancen
Während früher eine HIV-Infektion den Tod bedeutet hat, erreichen Betroffene heute ein nahezu identes Lebensalter wie Gesunde. Grund dafür sind die revolutionären Behandlungsmöglichkeiten. Der Durchbruch gelang 1996 mit der Kombinationstherapie.
✏ Heilung nicht möglich
1987 wurde das erste Mittel gegen HIV im aussichtslos erscheinenden Kampf gegen die sich rasant ausbreitende Krankheit zugelassen. Heute kommen über 30 Präparate zum Einsatz. Eine Heilung in dem Sinne, dass das Virus komplett aus dem Körper entfernt wird, ist bis heute nicht möglich.
✏ Erbinformation schläft
Das lässt sich darauf zurückführen, dass die Medikamente erst wirken, wenn sich Viren im Blut befinden und vermehren. Das genetische Material, das der Erreger im Körper versteckt, wird aber nicht beeinflusst und befindet sich in einer Art Ruhephase. Werden die Medikamente abgesetzt, wird die Erbinformation wieder aktiv und das Virus breitet sich aus. Die lebenslange Therapietreue ist unerlässlich.
✏ Vermehrung verhindern
Ziel der Therapie ist, die Vermehrung der Viren zu unterdrücken. Die Kombinationstherapie hat sich als am besten erwiesen – bei dieser hochaktiven antiretroviralen Therapie (HAART) erfolgt die kombinierte Gabe dreier Wirkstoffe, die an verschiedenen Stellen in den Vermehrungszyklus von HIV eingreifen. So werden kaum Viren produziert, das Immunsystem entlastet, neue
T-Helferzellen gebildet. Etwaige Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen) werden durch weitere Medikamente eingedämmt. Meist wird ein sofortiger Therapiebeginn empfohlen.
Früherkennung ist wichtig
Denn Zahlen belegen, dass in 50 Prozent aller Fälle die Infektion auf Kontakt mit undiagnostizierten Personen in einem frühen Stadium zurückzuführen ist. Zudem wirkt sich eine späte Diagnose auch nachteilig auf die individuelle Prognose aus, die dank guter Therapie heute überaus positiv ist. Mittels HIV-Antikörpertest (kostenlos www.aids.at) kann eine Infektion sechs Wochen nach dem Risiko verlässlich ausgeschlossen werden.
3 Phasen der Infektion
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Phase 1: Akute HIV-Krankheit und Latenzphase
Gelangt das Virus über sexuelle Kontakte, Blutkontakt oder über die Muttermilch in den Körper, setzt es dort eine Abwehrreaktion in Gang. Die dabei gebildeten Antikörper sind allerdings nicht in der Lage, das Virus zu eliminieren – können nicht in Wirtszellen eindringen, und das Virus mutiert bei seiner Vermehrung. Nach der Ansteckung kommt es zu einer explosionsartigen Virenvermehrung, ehe sich während der Inkubationszeit von einigen Tagen bis Wochen die Krankheit entwickelt. Nach der Ansteckung kommt es außerdem zu Symptomen wie Fieber, Schmerzen, geschwollenen Lymphknoten, Abgeschlagenheit, Appetitverlust, Entzündungen und Durchfall, ehe die Virusmenge im Blut nach rund zwei Wochen wieder abnimmt. Daran angeknüpft ist eine Latenzzeit von bis zu zehn Jahren – die Patienten haben keine Beschwerden, sind aber ansteckend.
Phase 2: Symptomatische Phase
Nach rund zehn Jahren nimmt die Virenlast so stark zu, dass die T-Helferzellen keine Chance mehr haben, gegen das Virus anzukämpfen. Die abnehmende Immunabwehr äußert sich zunächst durch Nachtschweiß, Fieberschübe und Durchfall. Ebenso leiden viele an Pilzinfektionen im Mund- und Rachenraum, an Hautausschlägen und geschwollenen Lymphknoten.
Phase 3: AIDS
Das Immunsystem wird stetig weiter geschwächt, bis es nicht mehr in der Lage ist, Krankheitserreger – die für einen gesunden Menschen keine Gefahr darstellen – abzuwehren. Betroffene entwickeln sogenannte AIDS-definierende Erkrankungen, die für ein fortgeschrittenes Stadium der HIV-Infektion charakteristisch sind. Dazu zählen beispielsweise die Pneumocystis-Pneumonie, Pilzerkrankungen und Vireninfektionen. Gehirn sowie Nerven werden geschädigt und das Krebsrisiko steigt. Ohne Behandlung führt das Vollbild AIDS über kurz oder lang unweigerlich zum Tod.