Experten von der Wiener Universitäts-Kinderklinik an internationaler Studie beteiligt.
Bei Typ-1-Diabetikern führt eine Autoimmunreaktion gegen die Insulin produzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse zum Ausbruch der Erkrankung. Eine internationale Wissenschaftergruppe unter Beteiligung von Ärzten der Universitäts-Kinderklinik in Wien hat eine Art Diabetes-Schutzimpfung untersucht. Sie brachte positive Ergebnisse, wie in der US-Medizinfachzeitschrift "JAMA" berichtet wird.
Die Untersuchung
"In dieser Studie mit Kindern, die ein hohes Risiko für Typ-1-Diabetes aufwiesen, führte die einmal tägliche orale Einnahme von 67,5 Milligramm Insulin im Vergleich zu einem Placebo zu einer Immunantwort ohne das Auftreten einer Unterzuckerung. Die Resultate zeigen, dass eine Phase-III-Studie (Wirksamkeit; Anm.) angeraten wäre, um zu bestimmen, ob Insulin zum Schlucken die Autoimmunreaktion gegen die Inselzellen und damit Diabetes bei solchen Kindern verhindern kann", fassten Ezio Bonifacio vom Zentrum für regenerative Medizin der TU Dresden und seine Co-Autoren die Ergebnisse zusammen.
Bei der Veröffentlichung handelt es sich um die sogenannte Pre-POINT-Studie, an der das Kinder-Diabetes-Forschungszentrum der Universität von Colorado (Denver/USA), das Southmead Hospital (Bristol/Großbritannien, die Wiener Universitäts-Kinderklinik im AKH (MedUni Wien), die Forschungsstelle in Dresden und das Institut für Diabetesforschung der TU München teilnahmen. In Wien waren die Spezialistinnen Edith Schober und Birgit Rami beteiligt.
Ausbruch im Kindesalter
Beim Typ-1-Diabetes (ehemals wegen des Ausbruchs der Erkrankung zumeist im Kindesalter "juveniler Diabetes" genannt) kommt es zur Intoleranz des Immunsystems gegen Insulin und die Insulin produzierenden Beta-Zellen in der Bauchspeicheldrüse. Das führt zum völligen Erliegen der Produktion des Stoffwechselhormons, das den Blutzucker senkt. Die Patienten sind ab Ausbruch der Erkrankung lebenslang auf Insulininjektionen angewiesen. Etwa fünf Prozent der Zuckerkranken sind Typ-1-Diabetiker.
Die wissenschaftlichen Arbeiten des Autorenteams zielten darauf ab, ob man vielleicht bei Kindern mit einem genetisch hohen Risiko für Typ-1-Diabetes durch Nachweis des Gens HLA DR-DQ durch die regelmäßige Einnahme von Insulin zum Schlucken eine immunologische Toleranz erzeugen bzw. das Auftauchen von Autoantikörpern gegen die Betazellen verhindern könnte. Die Studie lief zwischen 2009 und 2013 ab. 15 Kinder zwischen zwei und sieben Jahren bekamen drei bis 18 Monate lang täglich Insulin in verschiedenen ansteigenden Dosierungen als Pulver zum Schlucken. Zehn Kinder erhielten ein Placebo.
Gemessen wurden die im Rahmen der Untersuchung auftretenden immunologischen Veränderungen bei den Kindern. Speziell zeigte sich, dass die mit Insulin behandelten Probanden bei der hohen Dosierung von 67,5 Milligramm (sechs Kinder insgesamt) vermehrt T-Lymphozyten bildeten, die eine regulatorische, also die Immunantwort dämpfende, Funktion aufweisen.
Keine Nebenwirkungen
Bonifacio berichtete: "Wir haben sehr zufrieden festgestellt, dass es keine unerwünschten Nebenwirkungen gab (...). Da Insulin in dieser Dosierung im Magen aufgespalten wird, beeinflusste es nicht den Blutzuckerspiegel. Wir glauben, dass die Immunantwort zum größten Teil schon ausgelöst wird, wenn das Insulin noch im Mund ist."
Für Anette-Gabriele Ziegler vom Institut für Diabetesforschung in München könnten die Arbeiten zukunftweisend sein. Bisher einzigartig sei der Versuch, eine prophylaktische Vakzine zur Verhinderung der Autoimmunreaktion zu entwickeln, welche "juvenilen Diabetes" auslöst. "Das ist ein revolutionärer Ansatz, um Typ-1-zu verhindern." Eine größere Studie zur eindeutigen Abklärung der Wirksamkeit ist bereits geplant. Man wendet sich dabei speziell an Familien, in denen Typ-1-Diabetes sehr häufig vorkommt.