Festspiele Salzburg

Dörte Lyssewski im Talk: "Der Mensch lernt nichts"

Dušan David Pařízek inszeniert Kraus' "Die letzten Tage der Menschheit" - "Das ist jetzt und jetzt und jetzt und jetzt!" - Premiere am 25. Juli auf der Perner-Insel

Wenn Dörte Lyssewski am Freitag im Rahmen der Salzburger Festspiele auf der Perner-Insel in Karl Kraus' "Die letzten Tage der Menschheit" auf der Bühne steht, ist es bereits ihre zweite Auseinandersetzung mit dem Stück. Im APA-Interview erzählt sie von ihrer Zusammenarbeit mit Regisseur Dušan David Pařízek, der nun wieder an der Burg inszeniert, zeigt sich erschrocken über die Aktualität des Stoffs und spricht über die Kraft des Theaters in Zeiten des Rechtsrucks.

APA: Im Jahr 2014 waren Sie bei den Salzburger Festspielen in "Die letzten Tage der Menschheit" in der Regie von Georg Schmiedleitner zu sehen. Was hat Sie daran gereizt, sich dem Stoff erneut zu widmen?

Dörte Lyssewski: Ich wurde besetzt, und ich freue mich darüber, weil ich seit sechs Jahren darauf warte, dass Dušan David Pařízek hier am Burgtheater wieder arbeiten kann. Unter der neuen Direktion tut er das jetzt.

"Der Krieg steht vor der Tür"

APA: Die Welt hat sich in den vergangenen elf Jahren doch ziemlich stark verändert. Was macht das mit diesem Stück?

Lyssewski: Es ist leider Gottes nicht nur noch aktueller geworden, sondern man hat das Gefühl, es ist ein O-Ton von heute. Vor 14 Jahren hätte, glaube ich, niemand einen Politiker wie Trump für möglich gehalten oder wie weit Russland sich entwickeln oder zurückentwickeln würde. Egal wohin man in der Welt guckt, erleben wir Radikalisierung. Der Krieg steht vor der Tür. Wenn ich morgens das Radio anmache, was meine Gepflogenheit ist, dann gibt es nur noch Kriegsnachrichten. Man hat nicht das Gefühl, dass sich seit der Kraus'schen Benennung von Missständen, von Sprachmissbrauch seitens der Politik, von Wirtschaftsinteressen in Bezug auf Krieg oder Konsum irgendetwas geändert hätte. Ganz im Gegenteil: Der Mensch lernt nichts.

"Die letzten Tage der Menschheit"

© Tommy Hetzel / BURG

APA: Dieses "Marstheater" ist in seiner Gänze ja nicht aufführbar. Wo wird der Fokus in dieser Inszenierung liegen?

Lyssewski: Alles, was zu viel Ornament, was Kolorit ist und nicht der Schärfe dient, wird gestrichen. Es ist ein Annäherungswert und einzelne Figuren werden auf Konzentrate von Typen reduziert. Jeder springt in unterschiedliche Rollen hinein und wieder heraus, um möglichst viel abzudecken, weil hier ja alles Menschenmögliche von Kraus beschrieben wurde. Und wir versuchen sozusagen das Menschenmögliche zu zeigen, dass keiner davor gefeit ist, dieser Verstrickung zu unterliegen. Die Figuren überlagern sich und der Wortlaut, das Echo des einen schwappt plötzlich auf die andere Figur oder legt sich wie eine Folie darüber. Dieser Spielraum der Behauptung - weil Theater ist Behauptung - ist hoch interessant. Und das Publikum muss auch ein bisschen schneller sein. Also zurücklehnen und noch an den Sekt denken, gibt es nicht. Die Handlung bezieht sich nicht auf die historische Vergangenheit, sondern das ist jetzt und jetzt und jetzt und jetzt!

"Viele Sätze kommen einem einfach sehr, sehr, sehr bekannt vor"

APA: Wie sieht es mit der zeitlichen Verortung und sichtbaren Gegenwartsbezügen aus?

Lyssewski: Die Inszenierung stürzt sich nicht in ein vermeintliches Zeitkolorit. Sie zitiert Vergangenes etwa anhand von Bildern, aber ansonsten geht es darum, dass man dem Gegenwartscharakter dieses Textes beiwohnt, zuhört und ihn auch miterlebt. Weil viele Sätze kommen einem einfach sehr, sehr, sehr bekannt vor.

APA: Der Gegenwartscharakter ist dem Text ja inhärent. Kommen dennoch aktuelle Texte dazu?

Lyssewski: Es ist nicht nur alles Kraus. Ich glaube, es gibt einmal einen Tucholsky-Text. Und einmal gibt es den Wortlaut "du bist überanstrengt". Da habe ich sozusagen die Aktualität durch Herrn Putin reingepackt, der Herrn Trump ausrichten lässt, er sei emotional überanstrengt, wenn er versuche, ihm zu drohen. Es sind also nur Kleinigkeiten, wir brauchen keine Tagesaktualitäten, um modern zu sein.

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