Weltbürger der Literatur

Schriftsteller Milan Kundera im Alter von 94 Jahren verstorben

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Der große Milan Kundera ist tot.

Der französisch-tschechische Weltbürger unter den Literaten des 20. Jahrhunderts verstarb am Dienstag im Alter von 94 Jahren, wie tschechische Medien am Mittwoch berichten. Spätestens mit seinem internationalen Bestseller "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" schrieb sich der am 1. April 1929 in Brünn geborene Autor in die Weltliteratur ein.

In seinen Romanen spürte Kundera den großen und kleinen Mysterien der menschlichen Existenz nach. Fans wie Kritiker schätzten seinen ebenso klaren wie ironischen Prosastil. Schlussendlich war es aber Philip Kaufmans Verfilmung von "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" aus dem Jahr 1987, die Kundera endgültig den Weg zu internationaler Berühmtheit bahnte. Die erotische wie tragische Liebesgeschichte zwischen dem Chirurgen Tomas und der Kellnerin Teresa vor dem Hintergrund der Niederschlagung des Prager Frühlings berührte viele Menschen - und spielt vor dem Hintergrund seiner eigenen Geschichte.

Kundera fiel nach Warschauer-Pakt-Einmarsch in Ungnade 

Kundera selbst, einst Mitglied der Kommunistischen Partei, fiel nach dem Warschauer-Pakt-Einmarsch in die Tschechoslowakei 1968 in Ungnade. Er lebte seit 1975 in Frankreich, wo er später an den Universitäten in Rennes und Paris lehrte. 1979 wurde ihm die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen, 1981 erhielt er dann die französische. Ab 1993 schrieb Kundera seine Bücher in französischer Sprache. Zu seiner früheren Heimat unterhielt er nur beschränkte Kontakte und erlaubte auch Übersetzungen seiner Bücher in die tschechische Sprache nicht. Erst im Alter von 90 Jahren erhielt er die tschechische Staatsbürgerschaft zurück.

Im Jahr 2020 überließ er seine Privatbibliothek und sein Archiv der Mährischen Landesbibliothek in Brünn (Brno), die heuer schließlich eingeweiht wurde. "Ich denke, dass Bücher in die Bibliothek gehören, also ist es logisch, dass ich sie der Mährischen Landesbibliothek schenke", sagte Kundera damals. Doch noch im selben Jahr sorgte eine neue Biografie über den Starautor für reichlich Gesprächsstoff, da deren Autor Jan Novak darin das politische Leben Kunderas vor seiner Emigration kritisch in den Blick genommen hatte.

Kunderas letzter Roman: "Das Fest der Bedeutungslosigkeit" 

Kunderas Frühwerk, wie die intimen Gedichte der "Monologe" von 1957 oder das Theaterstück "Die Schlüsselbesitzer", 1963 in Tschechien mit dem Staatspreis ausgezeichnet, gehören nicht zum Kanon. Kunderas letzter Roman, "Das Fest der Bedeutungslosigkeit", erschien 2015 auch auf Deutsch. Der Autor blieb sich selbst treu: Der Leser beobachtet vier ältere Herren auf ihren Streifzügen durch Paris, während sie über den Philosophen Hegel nachdenken oder Theorien über die Erotik des weiblichen Bauchnabels aufstellen. Die Kritiken reichten vom "Alterswerk eines großen Autors" bis hin zu "langweilig, unlebendig, ausgedacht und leer".

Immer wieder wurde er auch als Kandidat für den Literaturnobelpreis genannt. Sein Rang als Klassiker der Weltliteratur wurde jedenfalls zementiert, seit sein Werk in der prestigeträchtigen französischen Edition "La Pleiade" (Siebengestirn) erschienen ist. Zu Lebzeiten wurde diese Ehre, die sich mit Ledereinband und Goldschnitt in die Vitrine stellen lässt, bisher nur wenigen anderen Autoren zuteil. Er erhielt zahlreiche Auszeichnungen wie den "Prix Médicis", den Ritterorden der französischen Ehrenlegion und den Jerusalem-Preis. Auch in Österreich wurde Kunderas Œuvre geschätzt, für das er unter anderem 1987 den Österreichischen Staatspreis für europäische Literatur erhielt.
 

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