Mit Rekord-Tournee lassen Wanda jetzt ganz Deutschland ausflippen.
Es geht bei jedem Konzert um Leben und Tod!“ Das ist die Tourprämisse
von Marco Wanda. Nach dem Auftritt geht’s ihm aber vor allem um Fußball: „Messi ist das größte Wunder dieser Erde. Keiner kickt so intelligent wie er“, philosophiert er mit Sektglas in der Hand – VIP-Gäste wie Pop-Literat Benjamin von Stuckrad-Barre („Wanda sind eine Wucht“) oder Sven Regener lesen ihm dabei jedes Wort von den Lippen. Berlin, Freitag, 28. Februar, es ist 1 Uhr in der Früh – zwei Stunden zuvor haben Wanda noch 9.000 Fans mit der sensationellen Power-Show „Ciao“ begeistert. Die ehrwürdige Max-Schmeling-Halle, wo schon Madonna oder Bruno Mars aufspielten, war vier Monate zuvor ausverkauft. 9.000 Fans – tags darauf in München wollten sogar 11.000 mitfeiern. Die Tour ist ein Triumph: 27 Konzerte in Deutschland, Österreich mit dem Stadthallen-Doppelpack (15. und 16. Mai) als Highlight und der Schweiz. Das Seitenblicke-Magazin nahm im Tourbus Platz.
Leben aus dem Koffer
„Schlafen, trinken, Musik hören – die, die aufbleiben, stören die, die schlafen wollen. Die, die schnarchen, stören die, die einschlafen wollen. Das ist ein Kreislauf und in der Früh sind alle verspannt und grantig“, fasst Keyboarder Christian Hummer die bis zu zehnstündigen Fahrten quer durch Deutschland zusammen. Zum Einschlafen hilft „meditieren und schwerer Rotwein“, Gegen den Lagerkoller nächtliche Toast-Völlereien, Würfelpoker und viel Musik – Marco übernimmt den DJ. Auch in der Backstage-Garderobe, wo der Kühlschrank mit Whisky, gutem Weißwein und Bier gefüllt ist. Die Garderobe bleibt diesmal heil. „Wir haben ja jeden Exzess
brav gemeldet und dafür auch bezahlt. Ich weiß ganz genau, was dieser Spiegel hier kosten würde. Und bevor ich da jetzt dagegentrete, gehe ich lieber mit der Familie fein essen“, zeigt sich Gitarrist Manuel Poppe einsichtig.
Nüchtern
Generell gibt man sich nach Jahren des Exzesses
(„Zwischen 2015 und 2018 hätte eigentlich jeder von uns sterben können. Ich habe fast damit gerechnet!“) schaumgebremst und professionell: „Ich trinke das erste Mal gar nichts bis sehr wenig vor den Konzerten und ich erlebe das jetzt ganz anders: Ich fühle die Musik anders, ich sehe die Menschen. Ich sehe ihre Augen – das war früher immer alles nur so eine verschwommene Masse“, sinniert Marco im Tourbus und greift zur dritten Zigarette innerhalb von 10 Minuten.
Mit Arroganz zum Pop-Wunder
2014 lieferte man mit „Bolgona“ den Urknall – großgoschert, frech, provokant. Der jahrelang dahinsiedende Austropop wurde durch Wanda
wieder salonfähig. Auch in Deutschland: „In diese Unterhaltungsbranche kann man entweder nur als das arroganteste, eingebildetste, abgefuckteste Arschloch einbrechen, oder man kommt nicht einmal in die Nähe der Türe. Und wir waren laut, wir waren bei der Sache, wir waren ein einziges endloses Method Acting“, verrät Marco das Wanda-Geheimnis. Vier Jahre lang war der Strizzi-Band das Hit-Motto „Weiter, Weiter“ Programm: Alk, Drogen, Exzesse.
Rückzug
2019 zog man dann die Notbremse: weniger Konzerte und 14 Tage Studio-Arbeit für Tour-Favoriten wie „Ciao Baby“ oder „Ein komischer Traum“ in einem kleinen Dorf nahe der tschechischen Grenze. „Vor den Studioräumen war überall Wald, es gab einen Fußballplatz, wir haben mit den Kindern Fußball gespielt. In diesem Klima ließ es sich sehr gut arbeiten.“
Der Neustart war mehr als erfolgreich: wieder Platz eins in Österreich, Platz 4 in Deutschland, zwei Amadeus-Nominierungen und Rekord-Vorverkäufe für die Tour.
Tour-Tagebuch
Wanda live ist ein Großunternehmen: zwei Trucks, zwei Busse, 28 Betten und eine 35–köpfige Crew. Für Stärkung sorgt ein eigener Koch mit drei Mal frisch gekochten Spezialitäten wie Lammhaxe, Tortellini mit Spinat-Rucola oder Spannferkelbauch auf Blaukraut. Um 16 Uhr gibt’s Soundcheck, um 17.30 Uhr stehen Interviews am Programm, ab 20 Uhr wir die Garderoben-Türe verschlossen. Den 60-minütigen Countdown will man ungestört sein, schließlich geht es, Skikurs-Spirit hin oder Urlaubs-Feeling her, ans Eingemachte. „Es ist Arbeit. Es ist wirklich Arbeit. Den ganzen Tag durch. Wenn man gerade nichts körperlich macht, dann es ist es Konzentration, ausruhen und auf das nächste Konzert vorbereiten. Das ist kein Urlaub“, erklärt Drummer Lukas Hasitschka, und auch Bassist Ray Weber kämpft trotz über 400 Konzerten in den Beinen noch immer mit den Nerven. „Ich bin vor jedem Auftritt noch genauso nervös wie vor meinem allerersten Musikschul-Konzert!“
Sensations-Konzerte
Die Konzerte selbst, für die man sich jeden Abend pünktlich um 20.55 Uhr mit einer Runde Wodka-Shots zuprostet, sind eine über zwei Stunden lange Machtdemonstration. Vom Opener „Bussi Baby“, zu dem man sich noch teilweise hinter einem mit „Amore“ bedruckten Vorhang versteckt, bis zum Mitmach-Finale „1, 2, 3, 4“, bei dem die Fans auf Regie-Anweisung in die Knie gehen und dann mit Pogo-Sprüngen abfeiern, zünden Wanda die 26 größten Hits – Feuerzeug-Meer für „0043“, kollektives Fan-Ausflippen zu „Bologna“ und Nirvana-artige Feedbackorgien bei „Ich will Schnaps“ inklusive. Die Wortspenden zwischen dem Song-Stakkato sind spärlicher geworden. „Um wirklich sinnvolle Ansagen zu machen, müsste ich mehr saufen und kiffen!“ Dafür ist die Euphorie umso größer. Auf der Bühne sowieso – und auch im Publikum: In München wollten 11.000 ekstatische Fans Wanda gar nicht mehr von der Bühne gehen lassen: Spontan-Zugabe mit einem weiteren Refrain und Marcos zufriedenes Fazit: „Das beste Konzert des Jahrzehnts!“
Umarmung gegen Corona
Spannend. Das Coronavirus macht auch vor Wanda nicht halt: „Ich merke die Angst: Wenn ich stagedive, nehmen die Leute jetzt erstmals Abstand“, verrät Marco, und für Lucas schwebt sogar ein Damoklesschwert über der Tour. „Jedes Konzert könnte wegen des Virus das letzte sein!“ Nur Manu will davon nichts wissen. „Die Leute sollen kommen, auch wenn sie krank sind, wir machen sie gesund. Wir sind die Antwort auf Corona!“ Marco setzt nach: „Gerade jetzt ist es wichtig, den Körperkontakt herzustellen.“
Weltherrschaft
Das zeigt man dann auch nach der schweißtreibenden Show: Bis zwei Uhr früh werden die Gänge und der Parkplatz zur Party-Zone: Bier, Sekt, Wein – und kollektives Umarmen, auch für jedes Crewmitglied und jeden Fan: „Nach der Show ist man so aufgeladen, dass man denkt, man könnte die Weltherrschaft an sich reißen!“ Um zwei Uhr früh ist Abfahrt – brav tragen die fünf Wanda-Jungs ihre Trolleys zum weißen, doppelstöckigen Tourbus. „Die Wäsche stinkt bereits nach drei Tagen so entsetzlich, dass ich die Hälfte meiner Kleidung auf Tour wegschmeiße.“
Große Träume
Bis 13. März stellen Wanda jetzt noch Deutschland auf den Kopf, am 23. April winken zwei „Amadeus-Awards“ („Die Aufregung um Gabalier finden wir geil!“) und am 9. Mai startet in Innsbruck die Österreich-Tournee: sechs Konzerte für über 60.000 Fans mit dem Stadthallen-Doppelpack (15. und 16. Mai) als Highlight. „Es geht immer nur um die Stadthalle. Die deutschen Fans sind uns eigentlich egal, wir benutzen sie nur zum Testlauf, das erspart das Proben“, scherzt Marco vor dem Einschlafen und träumt dann für 2021 von der großen Stadien-Tournee: „In so einer Karriere muss man unbedingt immer an das ganz Große glauben, hoffen und darauf zu arbeiten!“
Thomas Zeidler