Silberstein und Flüchtlinge dominieren thematisch den Wahlkampf. Doch was planen die Parteien eigentlich für die Frauen? MADONNA hat ihre Programme unter die Lupe genommen.
Am Freitag beging Österreich wieder den „Equal Pay Day“ – alles andere als ein Feiertag, markiert dieser doch jenen Tag, an dem Männer bereits das Einkommen erreicht haben, wofür Frauen noch bis Jahresende arbeiten müssen. Wir Frauen arbeiten somit 80 Tage „gratis“. Finanziell bedeutet das laut Statistik Austria jährliche Einbußen von durchschnittlich rund 11.000 Euro oder 21,7 Prozent. Die Arbeiterkammer hat errechnet, dass Frauen in Österreich über ihr gesamtes Erwerbsleben durch den Gender Pay Gap gar unfassbare 435.000 Euro entgehen.
80 Tage gratis arbeiten
Gut, dass wir morgen, Sonntag, zu den Wahlurnen schreiten und so mitbestimmen können, wie Frauenpolitik in den kommenden fünf Jahren gestaltet wird und wer sich in der Regierung und im Parlament um die Schließung der gigantischen Lohnschere bemühen sowie sich anderen wichtigen Frauenpolitischen Themen wie Kinderbetreuung und Frauenquoten annehmen kann. MADONNA hat deshalb einen Tag vor der Wahl die sechs großen Parteien einem Frauencheck unterzogen (siehe Kästen).
Grüne liegen vorne
In einer Umfrage für die Tageszeitung ÖSTERREICH (25.–28. 9., n=1.000 Onlineinterviews) hat das Umfrageinstitut „Research Affairs“ die Frage gestellt, welche Partei am meisten für Frauen tut. Die Grünen lagen hier deutlich vorne. 44 Prozent der Österreicher haben den Eindruck, dass diese Partei am meisten für diese Zielgruppe tut. „Grund dafür könnte sein, dass die Grünen die einzige Partei sind, mit einer weiblichen Spitzenkandidatin, die sich für Gleichberechtigung einsetzt“, analysiert Institutsleiterin und Politik-Expertin Sabine Beinschab.
13 Prozent der Befragten haben angegeben, dass die SPÖ sich am stärksten für Frauen einsetzt. Beinschab: „Sie wirbt ja sehr stark mit dem Thema Gerechtigkeit, wozu auch die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer zählt. Zudem hat
Christian Kern immer wieder darauf hingewiesen, dass er Alleinerzieher war.“
12 Prozent sehen die Neos als Partei für die Frauen und schon etwas abgeschlagen die Liste Pilz (9), die ÖVP (8) und die FPÖ (4).
Nicht relevant?
ÖVP (39 %) und FPÖ (45 %) werden umgekehrt allerdings als Parteien gesehen, die für Männer etwas tun. „Allgemein ist zu sagen, dass im Zuge des Wahlkampfs Frauenthemen etwas zu kurz gekommen sind, da andere Themen, wie der Umgang mit dem Flüchtlingszustrom oder Steueroptimierungen im Vordergrund standen“, so Beinschab. Für die Bevölkerung hatten diese Themen aber auch eine höhere persönliche Relevanz: In einer Umfrage Ende August (n=600 Onlineinterviews) waren Kinderbetreuung (27 %), Kindergeld (21 %) und Frauenquote (14 %) die am wenigsten wichtigen Wahlkampfthemen für die Bevölkerung. „Aus meiner Sicht wäre genug Potenzial für die Parteien vorhanden gewesen, diese Themen noch stärker in den Wahlkampf einzubauen, da sich alle Parteien über Gerechtigkeit positionieren wollten. Das ist unzureichend passiert“, so Beinschab.
Was die Parteien nach der Wahl für Frauen tun wollen
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SPÖ: Christian Kern für Quoten & Papamonat
- Lohntransparenz. Um gleichen Lohn für gleiche Arbeit durchsetzen zu können, fordert die SPÖ ein Lohntransparenzgesetz „nach international erprobtem Vorbild“ , durch das alle Löhne offengelegt werden.
- Quote. 40 Prozent in Aufsichtsräten & Leitungsfunktionen in der Privatwirtschaft – die SPÖ bekennt sich zur Frauenquote.
- Papamonat. Der Rechtsanspruch darauf scheiterte bislang an der Ablehnung der ÖVP. Die SPÖ fordert ihn weiterhin.
- Kinderbetreuung. Kern fordert Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen. Dadurch soll „vor allem für Frauen die Voraussetzung, Vollzeit zu arbeiten und ohne Nachteile durchs Berufsleben zu gehen“, geschaffen werden.
ÖVP: Sebastian Kurz hat kein Frauenkapitel
Ein eigenes Kapitel mit frauenpolitischen Inhalten gibt es im ÖVP-Programm nicht. Begründet wird das im Vorwort: Frauenpolitik sei „nicht nur ein weiteres Thema von vielen, sondern integraler Bestandteil in allen Bereichen des Lebens“.
- Kinderbetreuung. „Mütter sollen den beruflichen Anschluss nicht verlieren“, so das Motto der ÖVP, die deshalb – ebenso wie die SPÖ – einen massiven Ausbau adäquater Kinderbetreuungseinrichtungen verspricht.
- Weiterbildung. Frauenpolitische Themen finden sich in unterschiedlichen Kapiteln des ÖVP-Programms. „Eine erstklassige Aus- und Weiterbildung von Forscherinnen und Forschern“ soll etwa ermöglicht werden, „insbesondere mit dem Ziel, mehr Frauen zu fördern“.
- Gesundheit. Im Kapitel zum Gesundheitssystem wird eine stärkere Berücksichtigung von Gendermedizin gefordert, denn „die unterschiedlichen Anforderungen von Männern und Frauen, was Behandlungen und Medikamente betrifft, werden noch zu wenig berücksichtigt – oft zum Nachteil der Frauen“.
FPÖ: HC Strache gegen Alibi-Aktionen
- Lohn. Unter dem Kapitel „Unsere Frauen gleichberechtigen und sie vor Diskriminierung schützen“ will die FPÖ einmal mehr „gleichen Lohn für gleiche Arbeit“.
- Kinderbetreuung. „Echte Wahlfreiheit“ (fordern auch SPÖ und ÖVP) bedeutet für die FPÖ, „dass eine Mutter ohne finanziellen Druck die Entscheidung treffen kann, ob sie bei ihren Kindern zu Hause bleiben will und sie auch selbst erzieht und betreut oder ob sie wieder – in welchem zeitlichen Ausmaß auch immer – arbeiten will.“
Um Frauen diese Wahlmöglichkeit zu gewährleisten, werden „qualitätsvolle Teilzeitarbeitsplätze“ gefordert.
- Abtreibung. Die Zahl der Abtreibungen wird im FPÖ-Programm als „hoch“ bezeichnet. Frauen, die vor der Entscheidung stehen, müssten durch medizinische und soziale Beratung „unterstützt“ werden.
- Frauenpolitik. Die FPÖ will zudem Gleichberechtigung, aber nicht „Gleichmacherei“ von Mann und Frau und ist gegen „scheinheilige Alibi-Aktionen in der Frauenförderung“.
Grüne: Lunacek will eigenes Frauenministerium
- Lohn. Eine Verschärfung bei den gesetzlich vorgeschriebenen Einkommensberichten, verbindliche Aktionspläne für Unternehmen, Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns und Kopplung öffentlicher Auftragsvergaben an Frauenförderung in Unternehmen werden gefordert.
- Frauenministerium. Ein eigenes Ministerium mit „Mitbestimmungsrechten in allen Gesetzesmaterien“ soll Frauenpolitik stärken.
- Kinderbetreuung. Im Programm werden ein Ausbau der Kinderbetreuung und ein Rechtsanspruch auf einen bezahlten Papamonat gefordert.
- Förderung. Damit „einige jener Berufsbereiche aufgewertet werden, in denen Frauen überproportional stark vertreten sind“, wollen die Grünen die Mindestlehrlingsentschädigung auf einen branchenunabhängigen Betrag anheben. Bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses soll „strukturelle Diskriminierung von Frauen“ beseitigt werden.
Peter Pilz unterstützt Frauenvolksbegehren
- Kein Programm. Die Liste Pilz, die kein Parteiprogramm hat, betont immer wieder, dass die Kandidaten das Programm seien. Den Inhalten des Frauenvolksbegehrens steht die Partei jedoch nahe. Auch auf der Liste: Maria Stern, Ex-Sprecherin des Frauenvolksbegehrens 2.0.
- Lohntransparenz. Liste-Pilz-Kandidatin Martha Bissmann warb zudem für ein Lohntransparenzgesetz, das in allen Unternehmen das Recht schaffen soll, Einsicht in die Lohnunterlagen von Personen zu nehmen, die im Job gleichgestellt sind.
Neos: Strolz für Rechtsanspruch auf Betreuung
- Gleichstellung. Damit Frauen „gleichermaßen den Arbeitsmarkt gestalten können“, braucht es laut Neos etwa die Abschaffung der Negativsteuer, Schaffung eines „Chancengerechtigkeitsabsetzbetrags“, der die Investitionen der Eltern in Kinderbetreuung attraktiver machen soll. Auch eine vergleichende Analyse der Kollektivverträge soll es geben.
- Familienpolitik. Um Familienpolitik „nicht mehr als Frauenpolitik misszuverstehen“, sondern „als Verantwortung aller Beteiligten“, müssen mehr und bessere Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Gefordert wird auch der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem 2. Lebensjahr.