Steven Koller, der Neffe der Diva, im MADONNA-Gespräch über den Zusammenbruch seiner Tante, die für ihn wie eine zweite Mama ist.
Dagmar Koller nach Zusammenbruch im Spital! Diese Nachricht schockierte nicht nur die vielen Fans der österreichischen Bühnenlegende, sondern vor allem auch ihre Familie. Kollers Bruder Sigmar (76), der seit 1962 in den USA lebt, erfuhr als erster vom schlechten Gesundheitszustand seiner Schwester. Er wiederum informierte sofort seinen Sohn Steven in Los Angeles darüber, dass die 72-Jährige im Zuge der Proben für ihr Comeback in Sunset Boulevard am Klagenfurter Stadttheater wegen einer chronischen Gastritis mit Reflux und völliger Erschöpfung ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Inzwischen befindet sich Koller auf dem Wege der Besserung. Die große Sorge der Familie um die warmherzige Wienerin bleibt freilich. MADONNA erreichte ihren Neffen Steven Koller (47), der als Theater-, Film- und TV-Schauspieler in Hollywood arbeitet (er fungierte übrigens auch schon als Körperdouble von Tom Cruise und Brad Pitt). Im Interview spricht der sympathische Halbösterreicher, der mit einem amerikanischen Manager eine gleichgeschlechtliche Ehe führt, über seine Beziehung zu seiner „zweiten Mama“ und ihre Vorbildwirkung als Bühnenstar, vor allem aber auch als Mensch.
Herr Koller, haben Sie mit Ihrer Tante seit ihrem Zusammenbruch telefoniert?
Steven Koller: Nein, sie hat mit meinem Vater gesprochen und braucht jetzt wirklich ihre Ruhe. Ich möchte nicht, dass sie sich so anstrengt, wenn sie von Wien nach Los Angeles telefoniert. Es ist natürlich sehr traurig, dass Dagmar ihren Auftritt, auf den sie sich schon so sehr gefreut hat, absagen musste – aber sie muss sich jetzt wirklich auf sich und ihre Gesundheit konzentrieren!
Dagmar Koller hat gesagt, sie habe vergessen zu essen – wie können Sie sich das erklären?
koller: Dagmar ist ein Mensch, der sich um alle anderen kümmert, sich selbst dabei aber oft vergisst. Sie ist in ihrer Arbeit eine Perfektionistin und zu streng zu sich selbst. Dagmar wollte für die Rolle der Norma Desmond alles geben – und das war ihr einfach zu viel.
Hat Sie mit Ihnen über die Herausforderung der Rolle in „Sunset Boulevard“ gesprochen?
Koller: Ja, ich bin sogar ein bisschen Schuld daran, dass sie diese Rolle unbedingt spielen wollte. Nachdem ich 1992 Sunset Boulevard in London gesehen habe, habe ich Dagmar angerufen und gesagt: „Das ist eine Traumrolle für dich!“ Damals hatte sie als First Lady von Wien andere Sorgen. Umso mehr hat sich meine Tante jetzt darauf gefreut, Norma Desmond zu spielen. Im Sommer letzten Jahres haben mein Vater und ich Dagmar in Portugal besucht – da hatte sie schon das Skript und wir haben sehr viel darüber gesprochen. Sie war sehr aufgeregt. Verständlich, denn wir Theaterleute sagen immer, dass auf dieser Rolle eine Art Fluch liegt – sehr viele Schauspielerinnen sind daran gescheitert.
Auch Sie sind Schauspieler – hat Ihre Tante Sie dazu gebracht?
Koller: Mein Verhältnis zu meiner Tante war immer sehr, sehr eng. Dagmar ist wie eine zweite Mutter für mich, obwohl ich in New York geboren wurde – zu dieser Zeit war sie ja am Broadway. Als ich vier Jahre alt war, habe ich Dagmar in Berlin im Theater gesehen. Das war meine erste Theatererfahrung, die mich wohl für immer geprägt hat. Von 1985 bis 1991 habe ich dann in Wien studiert und bei meiner Tante und Helmut (Zilk, Anm.) gewohnt. Das war eine sehr schöne Zeit. Aber Dagmar hat mich immer davor gewarnt, wie schwierig das Showbusiness ist. Und sie hat recht gehabt.
Helmut Zilks Tod war für Ihre Tante der größte Verlust ihres Lebens – hat sie sich seither verändert?
Koller: Als Helmut gestorben ist, bin ich sofort nach Wien geflogen und war sechs Wochen bei ihr. Das war eine ganz, ganz schwierige Zeit. Wie ein Albtraum und dann auch wieder wie ein Traum, denn so ein wunderschönes Begräbnis hat niemand erwartet. Aber es war schrecklich zu sehen, wie schmerzvoll dieser Verlust für Dagmar ist, weil Helmut ja nicht nur ihr Mann, sondern auch ihr bester Freund war. Heute geht es meiner Tante sicher schon viel besser, aber Helmut wird ihr immer fehlen. Ich glaube, deshalb hat sie sich auch so in die Arbeit gestürzt.
Ihre Tante ist 72 Jahre alt, würden Sie sich angesichts der Sorge um sie wünschen, dass sie sich schont und nicht mehr auf die Bühne geht?
Koller: Das ist eine Entscheidung, die sie selbst treffen muss. Aber mir ist wichtig, ihr zu sagen, dass sie nichts mehr beweisen muss. Sie hat alles erreicht. Sie ist und bleibt Dagmar Koller – nicht nur der Showstar und die Witwe des Wiener Bürgermeisters, sondern auch der beste Mensch! Die Fans und ihre Familie werden sie lieben, auch wenn sie nicht auf der Bühne steht.
Könnten Sie sich vorstellen, eines Tages nach Wien zu gehen?
Koller: Je älter ich werde, desto besser gefällt mir der Gedanke, nach Wien zu gehen. Aber mein Mann hat einen tollen Job und kann zurzeit leider nicht weg. Obwohl auch er Wien und meine Tante sehr liebt. Wir haben schon 2001 eine Zeit lang in Wien gelebt, weil ich am Theater Angels in America gespielt habe. Am 11. September war die Premiere – ich weiß noch genau, wie ich Dagmar angerufen habe, nachdem die Türme in New York eingestürzt sind, und zu ihr gesagt habe: „Ich kann nicht auf die Bühne gehen!“ Sie hat mir damals so viel Kraft und Mut gegeben, sodass ich trotz allem auf die Bühne gehen konnte. Das werde ich nie vergessen. Ich hoffe, ihr jetzt ein wenig von dieser Kraft zurückgeben zu können, damit sie bald wieder gesund und glücklich ist.