40 Jahre ist es her, als die Reichsbrücke einstürzte. Jetzt gibt es neuen Diskussionsstoff.
Just 40 Jahre nach dem Einsturz der Wiener Reichsbrücke kritisiert der Stadtrechnungshof nun eine Reihe von Kontrollmängel beim seit 1980 bestehenden Nachfolger. Demnach wurden Tragpfeiler, Brückenlager und Brandschutz seit Jahrzehnten nur schleißig überprüft. Die zuständige MA 29 versicherte indes, dass keinerlei Gefahr bestehe und die Sicherheit der Brücke gewährleistet sei.
85-Seiten-Bericht
Auf 85 Seiten haben die Prüfer des Rathauses das rund 850 Meter lange Bauwerk, das sich über Donau und Neue Donau spannt und die Bezirke Leopoldstadt und Donaustadt miteinander verbindet, unter die Lupe genommen. Grundsätzlich attestiert der am Donnerstag veröffentlichte Bericht der für Brückenbau verantwortlichen MA 29, dass immer wieder Maßnahmen zur Überwachung und Erhaltung der Brücke gesetzt worden seien. Allerdings stellte man fest, "dass Maßnahmen teilweise nicht im erforderlichen Umfang und in der erforderlichen Tiefe durchgeführt wurden".
(c) MA29
Tiefe" ist hier durchaus wörtlich zu verstehen. Denn der Stadt-RH bemängelte, dass die Brückenpfeiler seit 1992 nur noch oberhalb der Wasseroberfläche überprüft wurden. Die Unterwasserbereiche blieben demnach unberücksichtigt. Aus Prüfersicht unverständlich - denn: "Schäden in diesen Bauteilen sollten frühzeitig erkannt werden, um eine Gefährdung für die Standsicherheit der Brücke hinanzuhalten." Empfohlen wurde insofern eine "umgehende Prüfung", was die MA 29 in ihrer im Bericht enthaltenen Stellungnahme auch in Aussicht stellte. Per Aussendung betonte die Behörde heute außerdem, dass der Unterwasserbereich in der Vergangenheit durch Methoden wie Echolotung sehr wohl unter die Lupe genommen worden sei.
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Schäden seit 2013 bekannt
Eine Art unangebrachte Nonchalance seitens der Behörde ortet der Stadt-RH auch in Sachen Brückenlager. Diese werden zwar laut MA 29 noch heuer saniert - für die Kontrolle aber ein äußerst überfälliges Vorhaben. Denn bestehende Schäden wurden schon 2013 festgestellt. Es seien aber "diese Schwachstellen viel zu spät als solche erkannt" worden. Und "die weiteren Maßnahmen zur Sanierung der betroffenen Lager wurden ebenso nur schleppend gesetzt". Für die Rathaus-Prüfer sei damit das Risiko eingegangen worden, dass durch eventuelle Überbelastung bestimmter Bauteile "erhebliche Schäden am Bauwerk" entstehen könnten.
Beim Brandschutz, der nicht zuletzt durch die im Tragwerk verkehrende U-Bahn-Linie U1 wichtig ist, sehen die Prüfer ebenfalls Handlungsbedarf. Denn über die "Restlebensdauer sowie ausreichende Wirkung gemäß gegenwärtigem Stand der Technik" des zwecks Brandschutz angebrachten Spritzputzes gebe es keine Informationen. Die MA 29 versprach hier "vertiefende Untersuchungen". Bei der Überwachung des Betons auf Rissbildungen im Zusammenhang mit der Tragfähigkeit der Brücke wünscht man sich seitens der Kontrollore ebenfalls Nachschärfungen.
Die Magistratsabteilung betonte, alle Empfehlungen des Stadt-RH - 20 an der Zahl - befänden sich bereits in Umsetzung. Generell war die Brückenbauabteilung infolge der Veröffentlichung des kritischen Berichts um Beruhigung bemüht. "Es besteht und bestand zu keinem Zeitpunkt irgendeine Gefahr im Zusammenhang mit der Standfestigkeit der Brücke. Die Sicherheit der Brücke ist gegeben", versicherte sie in einer Aussendung.
Einer außergewöhnlichen Belastungsprobe wird die Reichsbrücke jedenfalls am Sonntag wieder ausgesetzt. Dann laufen wieder Zehntausende Teilnehmer des Vienna City Marathons über das Bauwerk.