VwGh-Entscheidung:

Auch 'Dritte'-Träger müssen zum Alkomat-Test

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Anderslautende Dienstanweisung der Tiroler Polizei "inhaltlich falsch".

Auch Zahnersatzträger müssen sich einem Alkomattest unterziehen, selbst wenn sie eine alkoholhaltige Haftcreme verwenden und zu befürchten ist, dass dies das Ergebnis verfälschen könnte. Das ergibt sich aus einem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), der sich mit dem skurrilen Rechtsstreit eines Tiroler Zahnprothesenträgers beschäftigt hat.

Laut der aktuellen VwGH-Entscheidung darf Lenkern bei Verdacht auf eine Alkoholisierung nur dann Blut abgenommen werden, wenn eine Alkomat-Atemluftuntersuchung faktisch nicht möglich ist. Aufgetragene Zahnhaftcreme ist - wie dies eine interne Dienstanweisung der Tiroler Polizei vorgesehen hat - kein hinreichender Grund für eine Blutabnahme.

Ausgangspunkt des Rechtsstreits war eine Polizeikontrolle in Tirol am 4. November 2016. Zwei Beamte nahmen bei einem Pkw-Lenker starken Alkoholgeruch wahr, ein Alko-Vortest ergab 2,22 Promille. Daraufhin wurde der Mann zum Alkomat-Test aufgefordert. Weil im Fahrzeug der kontrollierenden Beamten der Alkomat defekt war, wurde der Lenker zur Polizeiinspektion mitgenommen. Dort wurde der Mann über allfällig eingenommene Medikamente, verwendete Zahnhaftcreme sowie über seinen Alkoholkonsum vor Fahrtantritt befragt. Der Mann berichtete, Zahnhaftcreme aufgetragen zu haben. Die Beamten recherchierten im Internet, dass von der verwendeten Marke auch Cremen verkauft werden, die Alkohol enthalten.

Wegen dieser Unklarheit nahmen die Beamten - einer internen Dienstanweisung folgend - keine Atemluftuntersuchung mit dem Alkomaten vor, sondern forderten den Mann dazu auf, sich einer Blutabnahme bei einem Arzt zu unterziehen. Dem stimmte der Betroffene nicht zu. Er verwies darauf, Bluter und Herzinfarktpatient zu sein. Er wäre jedoch bereit, den Alkomattest durchzuführen. Das widersprach jedoch der damals gültigen internen Dienstanweisung der Polizei.

Die Bezirkshauptmannschaft und ihr folgend das Landesverwaltungsgericht Tirol interpretierten das als Verweigerung der Blutabnahme und verhängten über den Mann eine Geldstrafe. Zu Unrecht, wie nun der VwGH feststellte. Das Land Tirol muss dem Mann jetzt Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro ersetzten.

Die Vorführung einer Person zur Blutabnahme bei Verdacht auf eine Alkoholisierung setzt laut VwGH voraus, dass die Untersuchung der Atemluft mit einem Alkomaten aus Gründen, die in der Person des Probanden liegen, nicht möglich ist. Dies ist dann der Fall, wenn die Person aus "medizinischen Gründen" nicht in der Lage ist, den Alkomaten ordnungsgemäß zu beblasen. Als Beispiel dafür führt der VwGH Bewusstlosigkeit oder auch eine schwere Verletzung an. Allein die Vermutung, das Ergebnis der Atemluftuntersuchung könnte durch verwendete Substanzen (wie im vorliegenden Fall: einer Zahnhaftcreme) verfälscht werden, reicht für die Anordnung einer Blutuntersuchung nicht aus, entschied der VwGH.

Die interne Dienstanweisung der Tiroler Polizei ist somit "inhaltlich falsch und hat keine rechtliche Wirkung", erläuterte Dietlinde Hinterwirth, Mediensprecherin des VwGH, im Gespräch mit der APA. Aus der Landespolizeidirektion Tirol hieß es dazu, das Urteil des VwGH werde auf jeden Fall umgesetzt, was bedeutet, dass jeder, der dazu aufgefordert wird, den Alkomattest auch durchführen muss. Wenn jemand vermutet, dass aufgrund seiner Zahnhaftcreme das Ergebnis verfälscht sein könnte, müsse der Betroffene von sich aus einen Bluttest fordern.

Die Tiroler Polizei betonte in diesem Zusammenhang, dass es sich bei den Zahnhaftcreme-Fällen nur um Einzelfälle handle. Ein Sprecher des Innenministeriums bekräftigte gegenüber der APA, dass es bei der Polizei keine österreichweite Dienstanweisung zum Umgang mit Zahnhaftcreme gibt.

Detail am Rande: Die interne Dienstanweisung wurde vor fünf Jahren überhaupt erst wegen des Mannes erlassen, der den nunmehr entschiedenen Rechtsstreit losgetreten hatte, wie die "Tiroler Tageszeitung" berichtete. Damals rettete ihm die Zahnhaftcreme den Führerschein. Im Sommer 2012 war der Mann angehalten worden, ein Alkomattest ergab 1,72 Promille. Der Tiroler musste den Führerschein abgeben. Er wandte ein, dass er 20 Minuten vor der Anhaltung eine Zahnhaftcreme aufgetragen hatte. Die Behörden holten daraufhin ein Gutachten ein. Der Amtsarzt kam zum Ergebnis, dass es nicht auszuschließen sei, dass die Haftcreme das Alkomat-Messergebnis verfälscht haben könnte. Es wurde daher das damalige Verfahren eingestellt, der Mann erhielt seinen Führeschein zurück.

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