Prozess in Wien

Bankerin erstochen: "Keine Angst bekommen"

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Er wollte die Brieftasche: Dem Ungarn hätten '50 bis 100 Euro gereicht'.

"Ich bin verantwortlich für den Tod dieser Frau", sagte am Montag im Straflandesgericht ein 39 Jahre alter Ungar, der am 4. März 2009 die 41 Jahre alte Bankerin Julia R. wenige Meter vor ihrer Wohnung in Wien-Hernals erstochen hatte. Er habe die Referentin bei der Österreichischen Nationalbank (OeNB) allerdings nicht umbringen, sondern ihr lediglich die Brieftasche abnehmen wollen: "50 bis 100 Euro hätten mir gereicht."

Habe ihn gepackt
Die mit einem Messer bedrohte Frau habe allerdings "keine Angst bekommen", behauptete der Angeklagte. Sie habe nicht nur um Hilfe geschrien, sondern ihn gepackt: "Sie hat mich an den Füßen festgehalten mit beiden Händen. Das ist ein bekannter Selbstverteidigungsgriff, um jemanden aus dem Gleichgewicht zu bringen." Weil sie nicht losließ, habe er mit dem Messer "hingeschlagen".

Der Gerichtsmediziner zählte an der Leiche drei wuchtige Stichwunden, wobei der letze mit derartiger Gewalt geführt wurde, dass das Messer an der Wirbelsäule steckenblieb. Der Räuber erbeutete 40 Euro und ein Mobiltelefon. Julia R. wurde nach 22.00 Uhr von einer Passantin entdeckt. Sie erlag auf dem Weg ins Krankenhaus ihren schweren Verletzungen.

Versuchte Geld zu bekommen
Der Täter wurde knapp zwei Wochen später ausgeforscht und festgenommen. Wie sich herausstellte, war er Ende Jänner nach Österreich gekommen, weil er in Ungarn wegen mehrerer Vermögensdelikte zur Verhaftung ausgeschrieben war. In Wien versuchte er zu Geld zu kommen, indem er ab Ende Februar mindestens sechs Raubüberfälle beging.

Die anderen wären "ruhig und friedlich verlaufen", behauptete der 39-Jährige. Seine Opfer dürften das teilweise anders sehen. Einer Frau, die er gemeinsam mit ihrer Mutter ausraubte, brach er beispielsweise das Nasenbein. Selbst nachdem er in der Zeitung gelesen hatte, dass die niedergestochene Julia R. gestorben war, setzte der Mann seine verbrecherische Karriere ungerührt fort.

"Gehungert und gefroren"
Vor den Geschworenen (Vorsitz: Friedrich Forsthuber) rechtfertigte sich der Angeklagte damit, ihm wäre gar nichts anderes übrig geblieben, als auf die schiefe Bahn zu geraten, weil er "gehungert und gefroren" habe. In der Zeitung habe er aufgeschnappt, "dass Raubüberfälle statistisch gesehen relativ selten aufgeklärt werden. Da habe ich beschlossen, dass ich diese Sache ausprobiere".

Julia R. fiel ihm eines Abends in der Straßenbahn auf. Weil diese auf ihn "einen gut situierten Eindruck" machte, folgte er ihr, als sie in der Dornbacher Straße ausstieg. Dass sich das Opfer wehrte, nahm ihm die Staatsanwältin nicht ab: "Sie war einen Kopf kleiner als Sie! Sie war nur 1,66 Meter groß und 55 Kilo schwer." "Ich wollte ihr nichts antun", insistierte der Angeklagte. Und zum im Gerichtssaal anwesenden Witwer, der zunächst irrtümlich in Tatverdacht geraten war, meinte er: "Ich ersuche die Angehörigen, wenn es möglich ist, mir irgendwann zu verzeihen. Ich bete jede Nacht für ihre Seele."

Die Verhandlung wird morgen, Dienstag, fortgesetzt. Dem 39-Jährigen drohen im Fall eines anklagekonformen Schuldspruchs zehn bis 20 Jahre oder lebenslange Haft.

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