Analyse von 11.000 wissenschaftlichen Arbeiten

BOKU-Studie: Gesundheit und Klimaschutz brauchen Priorität über Wachstum

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Boku-Forscher analysierten 11.000 wissenschaftliche Arbeiten: In den nach der Corona-Krise notwendigen Konjunkturprogrammen müssten Klima- und Umweltziele im Zentrum stehen.

Wien. Um die Umwelt- und Klimakrise zu bewältigen, ist es zu wenig, wenn die Politik einfach nur auf Effizienz und Innovation setzt. Zusätzlich brauche es die strikte Umsetzung von absoluten Reduktionszielen. Und Gesundheit, Wohlbefinden und Klimaschutz müssten Priorität über Wachstum um jeden Preis haben, betonen österreichische Forscher in einer Studie.
 
Die Wissenschafter um Helmut Haberl und Dominik Wiedenhofer vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien haben für ihre zwei im Fachjournal "Environmental Research Letters" erschienenen Meta-Analysen rund 11.000 Artikel gesichtet, die den Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum, Ressourcenverbrauch und Treibhausgasemissionen untersuchten. Sie sind davon überzeugt, dass ihre Ergebnisse, die letztendlich auf mehr als 800 relevanten empirischen Studien fußen, für die nach der Corona-Krise notwendigen Konjunkturprogramme wichtige Anregungen geben können. Im Zentrum solcher Programme müssten Klima- und Umweltziele stehen, betonen die Forscher in einer Aussendung.
 
Um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen, wird in der Regel das Konzept der "Entkopplung" verfolgt. Man verfolgt dabei die Strategie, das Wirtschaftswachstum zu fördern und gleichzeitig den Verbrauch natürlicher Ressourcen und der Treibhausgasemissionen zu verringern. Nehmen Ressourcennutzung oder Emissionen weniger stark zu als das Bruttoinlandsprodukt (BIP) sprechen die Wissenschafter von einer "relativen Entkoppelung".
 
Diese wird der Analyse zufolge häufig bei der Materialnutzung sowie bei den Emissionen gefunden, nicht aber bei der Energienutzung. Zudem zeigte sich, dass Ressourcenverbrauch und Emissionen tendenziell nur während großer Krisen oder auch in Phasen mit niedrigem Wirtschaftswachstum absolut sinken. Und wegen des internationalen Handels werden Ressourcen und Emissionen oft in fernen Ländern verbraucht bzw. freigesetzt, die Güter und Dienstleistungen aber schlussendlich in wohlhabenden Ländern konsumiert.
 
Langfristig notwendige absolute Reduktionen des Ressourcenverbrauchs und der Emissionen könnten jedenfalls nicht durch bisher beobachtete Entkopplungsraten erreicht werden, betonen die Wissenschafter. Dazu brauche es eben eine strikte Umsetzung von absoluten Reduktionszielen und die Priorisierung von Gesundheit, Wohlbefinden und Klimaschutz über Wachstum um jeden Preis.
 
Für Haberl sind "massive öffentliche Investitionen in klimaneutrale Infrastrukturen eine wesentliche Voraussetzung für die Entkopplung". Dies sei auch für Konjunkturpakete nach dem Ende der Corona-Pandemie relevant. Wiedenhofer hält es für "wichtig, endlich Kostenwahrheit zu schaffen, etwa durch einen CO2-Preis, damit sich sauberes Wirtschaften auszahlt und klimaschädliche Industrien den wahren Preis ihrer Aktivitäten bezahlen". Zudem müssten "umweltschädliche Aktivitäten - zum Beispiel Braunkohletagebau - und die unverhältnismäßige politische Unterstützung des Flugverkehrs oder der Automobil-Industrie gezielt heruntergefahren werden".
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