Kreuzigung am Steffl

Faber: "Künstler missbrauchte den Dom"

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Ein Künstler kreuzigte sich am Stephansdom im Gedenken der Missbrauchsopfer der katholischen Kirche.

Karfreitag, 10 Uhr, vorm Dom am Stephansplatz: Der Künstler Emmerich Weissenberger (44) startet seine spektakuläre Aktion – eine „Kreuzigung am Karfreitag als Symbol für die Tausenden Menschen, die missbraucht wurden“.

Das Protokoll:

9.45 Uhr: Hunderte marschieren ahnungslos über den Stephansplatz. Im Hintergrund laufen die Vorbereitungen von Emmerich Weissenberger und seinem Team – einem Assistenten sowie zwei Sprechern.

10 Uhr: Weissenberger klettert hinter die mehrere Tausend Euro teure Gerüstplane auf schwindelerregende 20 Meter Höhe. Er wird von einem Helfer mit einem Seil abgesichert.

10.10 Uhr: Mit dabei sind zwei Bilder des Künstlers – originale Abdrucke zweier Leichname aus dem Anatomischen Institut der Universität Wien. Weissenberger macht einen Schnitt in die Plane, schiebt durch diesen Spalt die Bilder heraus und befestigt sie von hinten.

10.15 Uhr: Viele Schaulustige blicken nach oben, verstehen nicht, was vorgeht. Plötzlich kommt Weissenberger selbst aus dem Spalt hervor. Er trägt nur einen Lendenschurz und eine Krone aus Stacheldraht. Über Lautsprecher eingespielt, spricht er seine „Botschaft“ zum Karfreitag: „Ihr Männer des Himmels! Ihr Männer der Kirche! Wo bleibt Eure Moral? Ich frage Euch, Brüder, was habt Ihr den Unschuldigen angetan? Missachtet habt Ihr sie, lächerlich gemacht. Es wäre eine Revolution, wenn Ihr die Wahrheit sagt.“

10.17 Uhr: Dompfarrer Toni Faber taucht auf, bespricht sich mit der Polizei, aus Sicherheitsgründen wird der Eingang des Stephansdoms geschlossen.

10.25 Uhr: Immer mehr Polizisten treffen ein, fordern den Künstler auf, herunterzusteigen. Die Feuerwehr hat einen Sicherheitspolster ausgelegt. Dann gibt Weissenberger auf, steigt freiwillig vom Turm. Die Polizei nimmt ihn und seinen Helfer mit. „Die Befragung war sehr korrekt und freundlich, sie hat rund 90 Minuten gedauert“, sagt Weissenberger (siehe rechts).

Dompfarrer Faber kritisiert die Sachbeschädigung
Der Künstler wird auf freiem Fuß wegen schwerer Sachbeschädigung angezeigt – die mehrere Tausend Euro teure Plane soll zerstört sein. Aber: Sein Anwalt sagt, dass er nach der Aktion den Schnitt wieder zugenäht habe, außerdem die Aktion vor dem Dom stattfand, es somit kein Hausfriedensbruch war.

Dompfarrer Toni Faber sieht das anders, sagt zu ÖSTERREICH: „Er hat halt den Dom benutzt und missbraucht, um sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen.“ Faber zeigt später aber auch Verständnis. „Ich habe mich jetzt über die Kunstaktion informiert: Wenn ich mir das betrachte, was Weissenberger will, ist der Schaden natürlich sehr, sehr gering.“

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