Linzer Mordprozess

Freund mit Messer getötet: Viele Unklarheiten

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Staatsanwalt sieht Mord, Verteidiger fahrlässige Tötung. Urteil erst im Juni.

Eine 40-jährige Frau, die stark betrunken in Linz ihren Freund erstochen haben soll, hat sich am Mittwoch vor einem Geschworenengericht verantworten müssen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihr Mord vor, der Verteidiger sieht fahrlässige Tötung. Der Tatablauf ist unklar, denn die Angeklagte schwankt zwischen Erinnerungslücken und "Flashbacks". Ein Urteil dürfte erst im Juni gesprochen werden.

Das bisherige Leben der Angeklagten war geprägt von Gewalt vonseiten des Vaters und ihrer Partner, jahrzehntelanger Alkohol-und Tablettensucht sowie daraus resultierend von häufigen Selbstverletzungen durch Ritzen. 2012 lernte sie in einem Entzugsprogramm das spätere Opfer kennen und lieben - der erste Mann, der sie nicht geschlagen hat und sich offenbar um sie kümmerte. Auch er hatte allerdings Alkoholprobleme.

Messer in die Brust gestochen

Am 1. Juli des Vorjahres erhielt der 53-Jährige die Kündigung seines Dienstgebers. Nach dieser Nachricht tranken er und die Angeklagte in seiner Wohnung bis in die Nacht hinein jede Menge, die Frau nahm auch Tabletten. Kurz vor 3.00 Uhr soll sie ihm ein Küchenmesser, mit dem die beiden zuvor Käse geschnitten hatten, in die Brust gestoßen haben. Anschließend rief sie Polizei und Rettung. Der Mann verblutete, seine Freundin ließ sich widerstandslos festnehmen. Die Angeklagte hatte 1,96 Promille und Medikamente intus, das Opfer 2,82 Promille.

Die Angeklagte hatte im Ermittlungsverfahren immer gesagt, sie könne sich an die Minuten der Tat nicht erinnern. Vor Gericht tischte sie am Mittwoch eine neue Version auf: Sie habe zuletzt "Flashbacks" gehabt und glaube nun, dass sie sich mit dem Messer ritzen wollte. Er habe wohl versucht sie daran zu hindern und bei dem Gerangel sei es zu dem Messerstich gekommen. Verteidiger Andreas Mauhart leitet daraus ab, dass es sich nicht um Mord, sondern nur um fahrlässige Tötung handelt. Für Gerichtsmediziner Fabio Monticelli passt die massive Stichwunde aber nicht wirklich mit der Version eines Gerangels zusammen.

Sucht als "einzige Konstante im Leben"

Die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner attestierte der Angeklagten eine Persönlichkeitsstörung durch "die einzige Konstante in ihrem bisherigen Leben", die Sucht. Die Beeinträchtigung der 40-Jährigen zum Tatzeitpunkt schätzt sie allerdings aufgrund der Gewöhnung nur als "leicht- bis mittelgradig" ein. Die Konzentration diverser Substanzen aus Medikamenten bezeichnete auch Monticelli als "im therapeutischen Bereich".

Laut Kastner könne man nicht ausschließen, dass die Angeklagte - wenn sie erneut konsumiert - wieder eine für andere bedrohliche Handlung begehe, eine hohe Wahrscheinlichkeit sehe sie aber nicht. Die Psychiaterin hält die Angeklagte für zurechnungsfähig. Für die "ausgestanzte Lücke" in ihren Erinnerungen gebe es keine medizinische Erklärung. Allerdings liege zwischen nicht erinnern können und nicht erinnern wollen auch die Möglichkeit des "nicht können Wollens", also das traumatische Erleben nicht an sich heranzulassen.

"Mich bedroht keiner mehr"

Auf besonderes Interesse des Gerichts stieß die Aussage eines Polizisten, der in der Tatnacht im Einsatz war: In einem unbeobachteten Moment habe die 40-Jährige plötzlich - offenbar zu sich selbst - sinngemäß gesagt: "Mich bedroht keiner mehr. Das habe ich schon alles gehabt. Mit mir nicht." Dabei habe sie gegrinst. Als sie bemerkt habe, dass er ihr zusehe, sei sie wieder in ihr zuvor gezeigtes Verhalten, das er als "entrückt" beschrieb, zurückgefallen, so der Beamte.

Am Nachmittag vertagte der vorsitzende Richter Rainer Nimmervoll die Verhandlung auf 12. Juni. Die Verteidigung hat für diesen Termin weitere Zeugen beantragt. An diesem Tag dürfte auch ein Urteil gesprochen werden.

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