Die Justizwache konnte den Tschetschenen in der Wickenburggasse überwältigen.
Am vergangenen Freitag hat ein Häftling seinen Prozess in Innsbruck zur Flucht genutzt
, indem er ein Fenster im Gerichtssaal öffnete und ins Freie sprang. Ein Großaufgebot der Exekutive konnte den Mann eine halbe Stunde später wieder festnehmen. Dass ausgerechnet Prozesstermine für Gefangene eine Möglichkeit zur Flucht bieten, belegt ein Fall, der sich vor einigen Wochen in Wien abgespielt hat.
Über den Vorfall, der sich am 14. März in der Justizanstalt (JA) Wien-Josefstadt zugetragen hat, wurde von den Behörden bisher Stillschweigen bewahrt. Wie die APA am Montag in Erfahrung brachte, sollte damals ein 19-jähriger Tschetschene zu seiner Berufungsverhandlung ausgeführt werden. Der Häftling war in erster Instanz wegen eines Gewaltdelikts zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden. Den geplanten Transport von der JA in den Justizpalast nutzte der 19-Jährige für einen Fluchtversuch.
Fluchtverlauf
Zwei Justizwachebeamte eskortierten den in U-Haft befindlichen Mann gegen 9.40 Uhr zu einem bereitgestellten Fahrzeug, mit dem dieser zum Oberlandesgericht gebracht werden sollte. Am Weg dorthin passierte die Gruppe eine Schleuse, die hinter ihnen geschlossen wurde. Während des Schließvorgangs wandte sich der 19-Jährige plötzlich um, rannte auf das doppelflügelige Tor zu, schlüpfte durch einen Spalt, gelangte so auf den Vorplatz der Justizanstalt und in weiterer Folge im Laufschritt auf die Wickenburggasse.
Die beiden Justizwachebeamten nahmen die Verfolgung auf und holten den Flüchtenden noch in der Wickenburggasse ein, wo sie ihn mithilfe eines dritten Kollegen überwältigen konnten, der ihnen nachgeeilt war. Der Tschetschene soll sich den Beamten widersetzt haben, indem er gewalttätig - nämlich mit gezielten Tritten - gegen diese vorging. Er muss sich deshalb am kommenden Mittwoch am Landesgericht für Strafsachen wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter schwerer Körperverletzung verantworten, teilte Gerichtssprecherin Christian Salzborn auf APA-Anfrage mit.
Angst vor Abschiebung
Es soll sich beim inkriminierten Geschehen nicht um den ersten Fluchtversuch des jungen Mannes gehandelt haben, der mittlerweile in die JA Graz-Karlau verlegt wurde. Zum Vorfall vom März zeigte sich der 19-Jährige im Ermittlungsverfahren insoweit geständig, als er angab, seine Mutter hätte sich im Spital befunden. Deshalb und weil er befürchtete, nach Verbüßung seiner Strafe abgeschoben zu werden, habe er die Gelegenheit zur Flucht ergriffen. Die Justizwachebeamten - zwei von ihnen erlitten bei der Amtshandlung leichte Verletzungen und mussten im AKH ambulant behandelt werden - habe er aber nicht angegriffen. Diese seien ohne sein Zutun zu Sturz gekommen und hätten sich selbst verletzt.
Tätliche Angriffe gegen Justizwachebeamte haben sich in jüngster Vergangenheit gehäuft. Im Vorjahr wurden 96 Fälle strafrechtlich verfolgt. Dabei hatten 57 Beamte Verletzungen davongetragen.