Der 39-jähriger Angeklagte soll in Syrien ein Frauengefängnis beaufsichtigt und Jesidinnen tyrannisiert haben - Hinweise aus Deutschland führten auf Spur des Mannes.
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Wien. Am Freitag wurde am Wiener Landesgericht gegen einen Syrer verhandelt, der vor seiner Flucht nach Europa in seinem Heimatland aufseiten der radikalislamistischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) an Kampfhandlungen teilgenommen und in seinem Geschäftslokal jesidische Gefangene untergebracht haben soll. Der 39-Jährige war vor einem Schöffensenat nicht geständig: "Ich bin nicht schuldig." "Man hat den Falschen angeklagt", sagte sein Verteidiger Michael Drexler.
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Der Syrer war 2019 nach Österreich geflüchtet und hatte im Folgenden um Asyl angesucht, das ihm 2020 genehmigt wurde. "Er wurde sehr genau durchleuchtet. Man hat nichts gefunden, was auf den IS hingedeutet hätte. Der geltend gemachte Asylgrund wurde anerkannt", hielt Drexler fest. Sein Mandant habe dann jahrelang als anerkannter Flüchtling in Österreich gelebt und sich in dieser Zeit nie etwas zuschulden kommen lassen: "Er hat brav gearbeitet. Er hat nie eine Verwaltungsübertretung begangen. Er ist nicht einmal bei Rot über die Kreuzung gegangen."
6-facher Vater auf Video als Peiniger wiedererkannt
Im Vorjahr gingen bei der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und weiteren Sicherheitsbehörden jedoch Hinweise aus Deutschland ein, die auf eine mögliche Verwicklung des Vaters von sechs Kindern in Kriegsverbrechen in seiner Heimat hindeuteten. Im Zuge eines in Deutschland geführten Ermittlungsverfahrens gegen mehrere mutmaßliche IS-Mitglieder war ein Propaganda-Video des IS aufgetaucht, in dem mit Maschinenpistolen bewaffnete Männer auf einem Lkw zu sehen sind, bei denen es sich offenkundig um IS-Mitglieder handelt. Einer von ihnen brüllt eine IS-Parole in die Kamera. Dieser Mann sei ohne Zweifel der Angeklagte, stellte die Staatsanwältin fest, die in diesem Fall sehr penibel ermittelt hatte.
Gesichtsbiometrisches Gutachten belastet Angeklagten
"Wir haben ein gesichtsbiometrisches Gutachten eingeholt. Das Gutachten hat ergeben, dass es sich dabei um den Angeklagten handelt. Dass er sagt, er ist das nicht, ist völlig unglaubwürdig", bekräftigte die Staatsanwältin. Dem Sachverständigen zufolge beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem abgebildeten, in die Kamera rufenden Mann in dem Video um den Angeklagten handelt, 83,48 Prozent.
Die Staatsanwaltschaft Wien konnte insgesamt drei Belastungszeugen ermitteln, die dem Angeklagten direkte Tathandlungen für den IS unterstellen. Zwei wurden im Ermittlungsverfahren anonymisiert geführt, ein Mann war bereit, seine Identität preiszugeben. Auf Basis dieser Beweislage wurde der 39-Jährige, der bis zu seiner Festnahme in Wien-Landstraße gelebt und als Restaurant-Mitarbeiter gearbeitet hatte, in U-Haft genommen.
Die Staatsanwältin warf ihm nun die Verbrechen der terroristischen Vereinigung und der kriminellen Organisation vor. Sie zeigte sich zu Beginn der Verhandlung überzeugt, beweisen zu können, dass der 39-Jährige im Jahr 2014 in Syrien an Kampfhandlungen des IS und an der Verfolgung von Jesiden beteiligt war. Er soll auch Gefangenentransporte durchgeführt und sein Geschäft für die Unterbringung jesidischer Gefangener zur Verfügung gestellt haben. Weiters soll der Mann in seinem Lokal - zunächst ein Friseur-Geschäft, später ein Handy-Shop - über Bildschirme IS-Videos abgespielt und Jugendliche und junge Männer für den IS angeworben haben.
Vorwürfe "aus blankem Neid" erhoben?
Der Angeklagte behauptete in seiner Einvernahme, bei den Vorwürfen handle es sich um falsche Anschuldigungen von Landsmännern, die mit seiner Familie "verfeindet" seien: "Zwischen den Familienverbänden gibt es immer wieder Probleme." Der Verteidiger erklärte, zunächst habe man den Bruder seines Mandanten "aus blankem Neid" zu Unrecht belastet. Dieser habe in Deutschland ein Restaurant aufgesperrt, was ihm Landsleute nicht gegönnt hätten. Weil man dem Bruder "nichts anhängen" habe können, sei man gegen den Angeklagten vorgegangen. In dem Geschäft in Syrien habe es keine Bildschirme gegeben, außerdem sei es "viel zu klein gewesen, um jesidische Frauen gefangen zu halten", sagte Drexler. Dem den Angeklagten belastenden Gutachten maß der Verteidiger insofern keine Bedeutung bei, als er ausführte, es sei "mit freiem Auge erkennbar, dass er nicht die Person ist, die mit einer Maschinenpistole auf einem Lastwagen steht."