"Im Prinzip weiß ich nicht, warum ich hier bin".
Mit vier Freisprüchen ist am Dienstag im Wiener Landesgericht der Prozess um einen angeblichen Menschenhandel im Baugewerbe zu Ende gegangen. Fünf Rumänen hatten im Herbst 2015 wochenlang ohne entsprechende Entlohnung auf Baustellen in Wien und Niederösterreich geschuftet. "Das ist natürlich eine riesige Sauerei. Sauerei allein ist aber nicht strafbar", stellte Richter Ulrich Nachtlberger fest.
Für den Richter war am Ende des Beweisverfahrens den Angeklagten kein strafbares Verhalten zuordenbar und das für Verurteilungen erforderliche tatbildliche Verhalten nicht erfüllt. Wie sich herausgestellt hatte, war den rumänischen Arbeitern schon in ihrer Heimat ein Monatslohn von 1.200 Euro versprochen worden. Im Hintergrund dürfte ein rumänischer Rechtsanwalt eine entscheidende Rolle gespielt haben, der bisher nicht im Fokus der Ermittlungen stand. Er soll die Arbeiter Richtung Wien dirigiert und an Firmen vermittelt haben, weil er angeblich selbst in die Bau-Branche in Österreich einsteigen wollte. Ein fünfter Angeklagter, der als Übersetzer fungiert hatte - die Rumänen wurden von serbisch- bzw. türkischstämmigen Unternehmern beschäftigt -, blieb der Verhandlung fern. Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen wurde das Verfahren gegen ihn ausgeschieden.
Freisprüche noch nicht rechtskräftig
Den Angeklagten - zwei Bauleitern, ein Angestellter einer Firma sowie ein 70 Jahre alter Mann, der an die Arbeiter um acht Euro pro Tag ein Bett in seiner Unterkunft vermietet hatte - war nicht nachzuweisen, dass sie die Arbeiter über Tatsachen getäuscht oder ihre Zwangslage ausgenutzt hätten. Der "Vorsatz auf Ausbeutung" sei nicht erwiesen, meinte der Richter. Die Freisprüche sind nicht rechtskräftig, die Staatsanwältin gab vorerst keine Erklärung ab.
Bei dem Verfahren dürfte es sich vermutlich um den ersten größeren Strafprozess um Menschenhandel in der heimischen Bau-Branche gehandelt haben. Der Staatsanwaltschaft zufolge waren die Rumänen mit falschen Versprechungen auf Baustellen gelandet, wo man ihnen über Wochen hinweg keinen Lohn bezahlte. Die 200 Euro, die ihnen insgesamt für ihre Verpflegung zugesteckt wurden, reichten bei weitem nicht für eine menschenwürdige Versorgung aus. Die Männer ernährten sich ihren Angaben zufolge weitgehend von Joghurt und Semmeln. Hin und wieder bekamen sie ein Bier spendiert.
Als sich die Unzufriedenheit der Männer immer mehr bemerkbar machte, wurden sie laut Anklage unter Druck gesetzt und weiter vermittelt, wo sie ebenfalls ausgenutzt wurden. Dass sie mit gefährlichen Drohungen zum Weiterarbeiten bewogen wurden, wie es in der Anklage geheißen hatte, konnte nach Ansicht des Gericht aber nicht bewiesen werden.
Die zeugenschaftlichen Einvernahmen der angeblichen Opfer hatten den Strafantrag durchaus relativiert. Die Männer verwickelten sich in Widersprüche bzw. standen ihre Angaben teilweise im Gegensatz zu ihren Aussagen vor der Polizei. Fest steht, dass die Rumänen nicht als Schwarzarbeiter beschäftigt wurden, als sie zu arbeiten begannen. "Dass ein Menschenhändler seine Opfer bei der Krankenkasse anmeldet und ihnen Meldezettel ausstellt, ist eher ungewöhnlich", konstatierte der Richter.
Überdies zeigte sich, dass einer der beiden mitangeklagten Bauherren den Rumänen 700 Euro für die Heimreise gegeben hatte, weil es keine Arbeit mehr gab. Diese teilten allerdings das Geld untereinander auf, blieben in Wien und versuchten weiterhin Jobs am Bau zu bekommen, ehe sie sich an die Arbeiterkammer bzw. an Arbeitsgericht wandten, weil ihnen ihre ersten Arbeitgeber angeblich nichts bezahlt hatten.
Auch ein Arbeitsunfall - ein 24 Jahre alter Bursch war von einem Dach gestürzt - stellte sich anders als angeklagt dar. Der junge Rumäne wurde bei dem Unfall ohne Fremdverschulden nur leicht verletzt. Er ging, nachdem er sich gewaschen hatte, noch selbst zur U-Bahn und fuhr in seine Unterkunft, wo die Rettung verständigt wurde. Ursprünglich hatte es geheißen, ihm wäre am Unfallort ärztliche Hilfe verwehrt worden.