Interview, 6. Teil

Natascha über das Verlies

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Natascha erzählt, wie sie nach einem halben Jahr das erste Mal aus ihrem Verlies durfte, und dass sie nach zwei Jahren wieder Radio hören konnte.

Frage: Wie war das denn beim Haus?
Natascha: Beim Haus.

Frage: Wollen Sie darüber sprechen?
Natascha: Ja, also ... Beim Haus war’s dann so, dass ich ihn, weil ich mir dachte, vielleicht kann ich irgendwelche Einzelheiten des Hauses erkunden, vielleicht kann ich irgendwas erkennen. Um später dann der Polizei ... Ich war zu dem Augenblick, zu diesem Zeitpunkt noch sicher, dass mich die Polizei finden und befreien wird. Und dass das ein gutes Ende haben wird. Nehmen wird.

Frage: Wollen Sie beschreiben, wie das war, als Sie das erste Mal den Kellerraum gesehen haben?
Natascha: Ja, also das erste Mal habe ich den Kellerraum überhaupt nicht gesehen. Weil es dort stockdunkel war. Es war keine Lampe eingeschraubt. Die brachte er erst nach einigen Minuten. Oder, ich weiß nicht, nach einer halben Stunde.

Frage: Sie waren zuerst im Stockfinsteren?
Natascha: Ja, genau. Ich war sehr verzweifelt und sehr wütend. Ich hab mich darüber geärgert, dass ich die Straßenseite nicht gewechselt habe. Oder dass ich nicht mit meiner Mutter in die Schule gefahren bin. Das war sehr ... Ja, also es war furchtbar.

Frage: Wollen Sie uns erzählen,...
Natascha: Vor Un-Macht auch. Dieses ... Weinen vor Un-Macht. Dass man nichts dagegen machen kann.

Frage: Wollen Sie erzählen über die Stille, die dort geherrscht haben muss? Wie haben Sie denn das damals als zehnjähriges Mädchen gespürt?
Natascha: Also ...

Frage: Das muss ja doch ...
Natascha: ... da war ein Ventilator.

Frage: Sie meinen in den ersten Minuten?
Natascha: Auch später. Später ... es war ein Ventilator. Ich konnte dieses ewige Geräusch des Ventilators am Anfang überhaupt kaum ertragen. Das ist mir dermaßen auf die Nerven gegangen. Es war furchtbar. Und ich habe beinahe klaustrophobische Zustände bekommen. In diesem kleinen Raum. Und schlug mit Mineralwasserflaschen an die Wände oder mit den Fäusten. Und ... ja, ... ich weiß nicht. Auch damit irgendwer mich vielleicht hört oder so. Ich weiß nicht. Es war, es war grauenvoll. Und wenn er mich nicht irgendwann rauf ins Haus genommen hätte, damit ich ein bisschen mehr Bewegungsfreiheit hab, ... Ich weiß nicht, ob ich dann nicht wahnsinnig geworden wäre.

Frage: Können Sie sich erinnern, wann dieser Moment war? Dass er Sie ins Haus hinauf genommen hat? War das nach Jahren oder war ...
Natascha: Nein, das war nach einem halben Jahr. Da durfte ich dann immer zum Waschen rauf. Also baden im Badezimmer. Und so.

Frage: Aber ein halbes Jahr waren Sie nur im Keller?
Natascha: Ja.

Frage: Wie haben Sie sich über die Außenwelt informiert? Was haben Sie mitbekommen? Natascha: Am Anfang eben nicht viel. Die ersten zwei Jahre hab ich keine Nachrichten sehen ... dürfen. Er hat gemeint, dass vielleicht auch etwas über mich gebracht würde. Was mich aufregen könnte oder ... Ich weiß nicht, was für Gründe er hatte, warum er mir keine Nachrichten zeigte.

Frage: Nach zwei Jahren haben Sie dann Radio bekommen. Was noch? Wie ist das dann weitergegangen?
Natascha: Na ja, also nach zwei Jahren habe ich einfach die Nachrichten im ORF oder so gehört. Nicht, dass ich mich einschmeichle! Aber ... ja, es war ... Zeitungen hab ich eigentlich am Anfang nur Wochenzeitungen bekommen. Und dann durfte ich auch schon Zeitungen lesen. Er hat mir einfach ... Er hat’s gelesen, ich hab’s gelesen. Dann hat er jede einzelne Seite durchgeblättert, ob ich nicht was drauf geschrieben hab. Das war seine Paranoia.

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