Eine Studie zeigt, dass durch den Überbelag im Gefängnis Stein ein "unzumutbarer Eingriff in die Intimsphäre und eine Verletzung der Menschenwürde" besteht. Justizministerin Claudia Bandion-Ortner weist die Kritik zurück.
Volksanwältin Gertrude Brinek ist über bauliche Mängel in der Justizanstalt Stein, wo theoretisch Josef Fritzl hinkommen könnte, besorgt. In einem am Montag veröffentlichten Bericht verwies sie darauf, dass im Zusammenhang mit Überbelag ein "unzumutbarer Eingriff in die Intimsphäre und eine Verletzung der Menschenwürde" bestehe. Außerdem gebe es "ungelöste Hygieneprobleme in der Anstaltsküche".
Verwaltung untätig
Im vergangenen Prüfjahr seien mehrere
Beschwerden über bauliche Mängel in Stein an die Volksanwaltschaft
herangetragen worden. In zwei Fällen sei ein "Missstand in der
Verwaltung" festgestellt und das Justizministerium als zuständige
übergeordnete Behörde aufgefordert worden, "tätig zu werden",
so Brinek. Das Ressort sei schriftlich von dem Prüfergebnis informiert
worden.
"Offene WCs"
Laut Volksanwaltschaft werden in Stein
derzeit mehrere Personen in als Einzelhaftraum konzipierten Hafträumen mit "offenem
WC" angehalten. Bei einem Belag von 685 Personen im November 2008 seien
mehr als zehn Prozent der Insassen, konkret 72, betroffen gewesen. Sie seien
mit zumindest einer weiteren Person in einem Haftraum angehalten gewesen, in
dem der Toilettenbereich nur mittels Mauer und Vorhang abgetrennt ist. "Es
gibt keine gesetzliche Regelung oder gerichtliche Entscheidung darüber, wie
die Sanitäreinrichtungen in Hafträumen österreichischer Justizanstalten
abgeschirmt sein müssen. Für die Volksanwaltschaft stellt die derzeitige
Unterbringungssituation allerdings einen eindeutigen Missstand in der
Verwaltung dar."
Der vorhandene Vorhang biete "weder hinreichenden Sicht- noch Geruchs- und Geräuschschutz", so die Volksanwaltschaft. Für die Insassen sei dies ein "unzumutbarer Eingriff in die Intimsphäre und eine Verletzung der Menschenwürde".
Doppelbelegungen
Doppelbelegungen von als Einzelhaftraum
konzipierten Hafträumen kämen nur in einem Trakt in Stein vor, habe das
Justizministerium in einer Stellungnahme dazu erklärt. Da die Anstalt voll
ausgelastet sei und gleichzeitig Sanierungsarbeiten stattfänden, werde erst
nach Abschluss der Renovierungsmaßnahmen eine Doppelbelegung in
Einzelhafträumen vermieden werden können.
Ekelige Anstaltsküche
Auch die hygienischen Bedingungen in
der Anstaltsküche der Justizanstalt Stein seien "teilweise
besorgniserregend", so die Volksanwaltschaft weiter. Es gebe
Beschwerden, wonach Küchenbereiche im Kellergeschoß bei starkem Regen
überflutet würden. Die dort tätigen Insassen stünden dann während ihrer
Arbeit in Fäkalien, die aus der Kanalisation stammten.
Das Ministerium habe in seiner Stellungnahme darauf verwiesen, dass das Kellergeschoß der dreigeschossigen Anstaltsküche ein "unreiner Bereich" einer Großküche im Sinne des Lebensmittelrechts sei. Fallweise könne die Kanalisation das Regenwasser nicht mehr aufnehmen. Überschwemmungen seien die Folge. In den selten auftretenden Fällen sei "die Gesundheit der Insassen niemals gefährdet" gewesen. Eine Lösung sei "erst im Zuge der Generalsanierung der Anstaltsküche möglich". Bis dahin werde nach Überschwemmungen der Boden gereinigt und desinfiziert. Die betroffenen Insassen würden einer Personalhygiene unterzogen.
Überschwemmungen
Die Volksanwaltschaft sei sich bewusst,
dass auch andere Liegenschaften in der Stadt Krems "von diesem Problem
betroffen sind". Experten hätten ebenfalls keine sofortige Lösung
entwickeln können. "Dies schließt aber einen Missstand nicht aus",
so Brinek. "Die Insassen halten sich zwangsweise in der Justizanstalt
auf und sind auf die ihnen angebotene Verpflegung angewiesen. Auch wenn die
Anstaltsleitung den Boden nach Überschwemmungen desinfizieren lässt, ist es
meiner Ansicht nach beanstandenswert, dass die Insassen aufgrund von
Baumängeln einer Personalhygiene unterzogen werden müssen."
Bandion-Ortner weist Kritik zurück
Kritik der Volksanwältin
Gertrude Brinek über bauliche Mängel in der Justizanstalt Stein will
Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V) nicht geltenlassen. Der Bericht
der Volksanwaltschaft beziehe sich auf das Jahr 2008, "seit damals hat sich
einiges verändert", sagte die Justizministerin. Auch die
Anti-Folter-Kommission des Europarates habe vor kurzem bei einer Überprüfung
der Lage in Österreich keine Kritik in diese Richtung geäußert, so die
Justizministerin.