Migrationskrise

"Merkel hat es nicht geschafft" - Mikl-Leitner rechnet mit Flüchtlingspolitik ab

2015 stand Europa am Rand des Kontrollverlusts. Tausende Menschen kamen täglich über die Grenzen, während die Politik hinterherlief. Zehn Jahre später zieht Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner eine bittere Bilanz. 

Die Flüchtlingskrise 2015 ist aus der Sicht der damaligen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) "eine der größten Herausforderungen für die Republik" gewesen. Der "Merkel-Faymann-Deal" habe ganz Europa verändert und überfordert. Im Blick zurück müsse man sagen, "Merkel hat es nicht geschafft", so die nunmehrige Landeshauptfrau von Niederösterreich im APA-Interview.

Sie habe bereits im Juni 2014 vor einer Migrationskrise gewarnt und Asylzentren in Nordafrika gefordert, erinnerte Mikl-Leitner. "Viele wollten es nicht wahrhaben, manche haben es sogar als Sommertheater abgetan. Aber leider habe ich recht behalten." Von 2015 bis 2024 sei eine halbe Million an Asylanträgen gestellt worden. Und Österreich habe in diesem Zeitraum so vielen Menschen Asyl gegeben "wie 17 andere EU-Staaten zusammen". Im Herbst 2015 habe es 5.000 Anträge pro Tag und in Spitzenzeiten sogar 15.000 gegeben. Das sei "unglaublich massiv" gewesen.

 Asylwerber im Juli 2015 im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen.

 Asylwerber im Juli 2015 im Erstaufnahmezentrum in Traiskirchen.

© APA/HELMUT FOHRINGER

Zusammenarbeit mit Doskozil "äußerst professionell"

Als "prägend" in der damaligen Migrationsbewegung bezeichnete Mikl-Leitner den 27. August 2015 bei Parndorf, wo 71 Flüchtlinge in einem Kühltransporter zu Tode gekommen waren. Der Fall habe sie traurig und gleichzeitig auch wütend gemacht, blickte die frühere Innenministerin zurück. "Parndorf hat gezeigt, dass es den Schleppern nicht um Menschenleben gegangen ist, sondern nur um das Geschäft." Die Zusammenarbeit mit dem damaligen burgenländischen Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil sei "äußerst professionell und vor allem auch gut" gewesen.

Europa muss selbst entscheiden, wer kommt

Zu den Lehren, die aus 2015 zu ziehen seien, zähle, "dass Europa selbst darüber entscheiden muss, wer kommt nach Europa und wer kommt nicht nach Europa". Sie sei "fest davon überzeugt, dass illegale Migration Europa schwächt und legale Migration Europa auch stärken kann", so Mikl-Leitner. Was zu tun sei, ist "die Außengrenzen eben robust machen" und zum Zweiten "meine damalige Forderung (umsetzen, Anm.), auch EU-Asylzentren in Nordafrika zu errichten". Die Landeshauptfrau verwies im APA-Gespräch auf den seinerzeitigen Widerstand anderer EU-Mitgliedsstaaten ebenso wie vieler nationaler und internationaler NGOs. Heute sei das hingegen, "sage ich jetzt einmal, eine Mehrheitsmeinung".

Ganz wichtig sei zudem, das Asylsystem zu reformieren. Natürlich werde geholfen, aber Europa könne "nicht die ganze Welt retten" und "für alle Konflikte der Welt sicherer Hafen sein". Nicht zuletzt heiße Integration auch Anpassung. "Wer sich nicht an unsere Regeln hält, muss Konsequenzen tragen", so Mikl-Leitner. Entscheidend sei nicht zuletzt, "Europa oder auch Österreich unattraktiv zu machen für illegale Zuwanderung".

Auf Migrationskrisen vorbereiten

Der vorübergehende Stopp im Familiennachzug sei ebenso wie die Sachleistungskarte "richtig". Wer Schutz suche, bekomme den auch, betonte Mikl-Leitner. Wer jedoch nur ein besseres Leben wolle oder auf der Suche nach Geld sei, habe hierzulande "nichts verloren". Nicht zuletzt brauche es eine Änderung des europäischen Rechtssystems. Es müsse möglich werden, Flüchtlinge, die etwa morden oder vergewaltigen, rasch abzuschieben.

Der "größte Fehler" im Rückblick auf 2015 sei der "Merkel-Faymann-Deal" und die damit verbundene Öffnung der Grenze zu Ungarn gewesen, sagte Mikl-Leitner. Sie sei "fest davon überzeugt, dass Deutschland heute unter der Führung von (Friedrich, Anm.) Merz anders entscheiden würde". Aber klar sei, "dass derartige Migrationskrisen nie auszuschließen sind und wir uns darauf vorbereiten müssen".

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