Kurz vor der Gemeinderatssitzung am Montagabend, um 18 Uhr, spüren alle Teilnehmer: es braut sich etwas zusammen. Wie berichtet, war im Vorfeld ruchbar geworden, dass auf dem Programm der Sitzung in der Bezirksstadt wohl das größte Einsparungsprogramm in der Stadtgeschichte stehen würde.
So warf der freiheitliche Landesparteisekretär Alexander Murlasits der ÖVP vor, "die Wähler belogen", ein "Finanzdesaster verschwiegen" sowie "die FPÖ bei den Koalitionsverhandlungen über die Lage im Unklaren gelassen" zu haben und "jetzt das Ganze auf die Menschen abwälzen und die Bürger zur Kassa bitten" zu wollen.
Und dann der Knalleffekt
In Neunkirchen wolle die ÖVP, so eine Aussendung der Landes-FPÖ, die Gebühren "massiv erhöhen, einen Kahlschlag bei Vereinen und den Abverkauf von Familiensilber vornehmen, jedoch gleichzeitig 39 neue Mitarbeiter einstellen". Und dann kam es zum großen Knall, was die Spaltung der Bezirks-FPÖ zur Folge hatte. Urplötzlich waren Granden der Landes-FPÖ im südlichen Niederösterreich vor Ort. Weil FPÖ-Vize Marcus Berlosnig als Koalitionspartner den Sparkurs der ÖVP mittragen möchte, läuteten bei der Landes-FPÖ in St. Pölten alle Alarmglocken.
Rechtzeitig vor der Neunkirchner Gemeinderatssitzung traf etwa der FPÖ-Landesparteisekretär Alexander Murlasits ein. An seiner Seite: FPÖ-Landesgeschäftsführer Helmut Fiedler, früher selbst Gemeinderat in Neunkirchen. Fiedler schrie noch kurz zuvor Zeter und Mordio: "Jeder freiheitliche Mandatar, der die Anträge der ÖVP bezüglich Budgetsanierung am Abend mittrage, werde so wie Berlosnig aus der Partei ausgeschlossen." Der Nachsatz: Ohne Chance, zurückzukommen.
Murlasits formulierte es so: Das geplante Sparprogramm beruhe ausschließlich auf Gebührenerhöhungen und "Scheinzahlen“, so Murlasits. "Echte Korrekturen im System gibt es nicht.“ Und er legte nach: "Es ist der größte Verrat am Wähler, den nicht nur Neunkirchen, sondern ganz Niederösterreich je gesehen hat“. Beispielsweise wurde in Neunkirchen im Vorfeld die Forderung abgelehnt, die Politiker-Gehälter zu kürzen. Die ÖVP habe viel mehr sogar versucht, einen Teil des freiheitlichen Gemeinderatsklubs "zu kaufen", behauptete Fiedler. Bei einigen sei dies "leider gelungen". Der große Knall: der Ausschluss für Neunkirchens Vizebürgermeister aus der Partei. Mit Marcus Berlosnig stimmten noch fünf weitere Mandatare der geplanten ÖVP-Pläne einer Konsolidierung zu. Einzig die Gemeinderäte Bernd Trenk und Wilhelm Haberbichler waren dagegen – und damit auf Kurs der Landes-FPÖ. Alle anderen wurden aus der Partei ausgeschlossen.
Reaktionen folgten auf den Fuß
"Diese destruktive Taktik ist der FPÖ auf Gemeindeebene selbst auf den Kopf gefallen", reagierte ÖVP-Landtagsabgeordneter Hermann Hauer mit harscher Kritik. Einen "Herrn Murlasits" kenne in Neunkirchen "kein Mensch. Es ist daher mehr als befremdlich, wenn er sich in die Stadtpolitik von Neunkirchen einmischt. Genauso irritierend ist, dass sich Landtagsabgeordneter Fiedler zu Wort meldet, den man in Neunkirchen in den letzten Jahren kaum gesehen hat, weil er die meiste Zeit im Ausland verbracht hat. Und Ex-Klubobmann Haberbichler, der in allen Angelegenheiten involviert war, tut jetzt so, als hätte er von nichts gewusst: Der Eine kennt Neunkirchen nicht, der Andere weiß nichts, der Dritte kann oder will sich nicht erinnern."
Doch die Vorgänge in Neunkirchen haben schon weitere Kreise gezogen: Das Neunkirchner Debakel zieht seine Kreise mittlerweile auch ins beschauliche Pittental, wo der FPÖ-Landtagsabgeordnete Jürgen Handler mit seiner Gattin Julia Vargek-Ipsa lebt. Sie kann die Parteilinie nicht mittragen und teilte in einem Schreiben mit: "Diese Unwahrheiten und auch wie mit loyalen Parteifreunden umgegangen wird, sind für mich nicht mehr vertretbar. Deshalb: Lebe wohl FPÖ!" Handler bedauerte den Abgang seiner Frau aus der Partei, trage aber ihre Entscheidung mit.