"Ich konnte die Leute schreien hören"

Prozess enthüllt Horror-Details zum A4-Flüchtlingsdrama

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In der Fortsetzung des Schlepperprozess in Ungarn kommen schreckliche Details ans Licht.

Mit der Befragung des Fahrers des Kühl-Lkw ist am Donnerstag der Prozess gegen eine Schlepperbande, die für den Erstickungstod von 71 Flüchtlingen verantwortlich sein soll, in Kecskemet in Ungarn fortgesetzt worden. Der 26-Jährige bekannte sich nur der Schlepperei schuldig. "Ich wollte niemandem schaden", sagte er in der von Richter Janos Jadi verlesenen Aussage.

Das mutmaßliche Bandenmitglied wollte sich lediglich zum brisanten Anklagepunkt 25 äußern. Dabei ging es um die Schleppung von 71 Flüchtlingen, die tödlich endete. Die Menschen aus Syrien, Afghanistan, Iran und Irak bekamen nach einer halben Stunde keine Luft mehr. Mit Schreien und Trommeln gegen die Frachtraumwände machten sie lauthals auf sich aufmerksam. Doch der 26-Jährige fuhr nach der Anweisung seines Chefs, nicht anzuhalten, einfach weiter.

Alle 71 Menschen erstickten qualvoll. Ihre Leichen wurden in dem Lkw, der in einer Pannenbucht an der österreichischen Ostautobahn (A4) bei Parndorf im Burgenland abgestellt worden war, entdeckt.

Seine Komplizen hätten ihn unter Druck gesetzt und nicht erlaubt, die Frachtraumtüren zu öffnen, berichtete der 26-Jährige in seiner verlesenen schriftlichen Einvernahme. Der Drittangeklagte - ein 39-jähriger Bulgare, der die Schleppung begleitet hatte - hätte sein "Vertrauen erschlichen" und ihn "reingelegt". "Nur wegen ihm bin ich im Gefängnis, mein Leben ist kaputt." Der 26-Jährige hatte laut eigenen Angaben Angst vor seinen Komplizen, falls er nicht das tue, was sie sagen. Während die Aussage des jungen Mannes verlesen wurde, begann der Drittangeklagte zu weinen.

11 Beschuldigte vor Gericht

Insgesamt elf Beschuldigten wird u.a. qualifizierter Mord und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Zehn von ihnen nahmen auf der Anklagebank Platz. Ein Bulgare ist noch auf der Flucht. Alle Beschuldigten sind in Ungarn unbescholten.

Die Bande hat laut Anklage mehr als 1.200 Menschen illegal nach Westeuropa gebracht. Dabei kassierte allein der Bandenchef mehr als 300.000 Euro. Ab Juni 2015 schmuggelte die Gruppe verstärkt Flüchtlinge von Serbien über Ungarn nach Österreich bzw. Deutschland. 31 solcher Fahrten konnte die Staatsanwaltschaft in Ungarn nachweisen.

Die beiden Chefs der Bande sowie der Begleitfahrer hätten dem 26-jährigen Lenker des Kühl-Lkw mehrmals verboten zu stoppen. "Ich durfte nicht anhalten, ich musste sogar in der Lkw-Fahrerkabine urinieren", legte er in seiner Aussage, die schriftlich verlesen wurde, dar. Besonders dreist: Der Vize-Chef habe behauptet, "ich stehe in Kontakt mit den Insassen". Es gehe ihnen gut.

"Ich konnte die Leute schreien hören"

Laut Überwachungsprotokoll telefonierte der 26-Jährige mehrmals mit seinen Komplizen. Er berichtete des öfteren über die Schreie und das Trommeln der Flüchtlinge auf der Ladefläche. "Ich wusste nicht, dass die Insassen in Gefahr sind", meinte er in seiner schriftlichen Aussage. Der Drittangeklagte, der den Transport begleitet hatte, behauptete demnach, in der Lkw-Wand sei ein Loch zu sehen, durch das jemand einen Finger gesteckt habe - also hätten die Flüchtlinge genug Luft. Auch der Vize-Chef habe den Fahrer beruhigt, dass die Insassen - um mehr Luft zu bekommen - die Gummidichtung des Fahrzeugs entfernt hätten.

Der 30-jährige Bulgare behauptete zudem laut dem 26-Jährigen, dass er in Kontakt mit den Flüchtlingen stehen würde. Er hätte den Menschen auf der Ladefläche gesagt, dass sie keinen Lärm mehr machen sollen. 20 Minuten später war dann Ruhe. Der Lkw-Fahrer habe geglaubt, dass dies aufgrund der Anweisung des Vize-Chefs geschah. In Wahrheit waren alle 71 Flüchtlinge erstickt.

Nach einer kurzen Pause sollte der Todes-Lenker persönlich vor Gericht aussagen.
 

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