Kein Mordversuch - Mutter des Angeklagten brach in Tränen aus.
Zu zehn Jahren Haft ist am Donnerstag am Wiener Straflandesgericht ein Mann verurteilt worden, der im März 2013 im Zuge eines Supermarktüberfalls zwei Angestellte in einen Kühlcontainer gesperrt hatte, in dem diese fast erstickt wären. Die Verurteilung erfolgte einstimmig wegen schweren Raubes. Die Geschworenen verwarfen die Mordversuchsanklage mit 5:3 Stimmen.
Die Laienrichter entschieden stattdessen auf Freiheitsentziehung (rpt. Freiheitsentziehung). Der Urteilsspruch war insofern interessant, da für die Raubopfer in der versperrten Tiefkühltruhe ein Kampf auf Leben und Tod stattfand. Die Opfer hätten "unfassbares Glück" gehabt, dass sie den Vorfall überlebten und rechtzeitig befreit werden konnten, sagte der Staatsanwalt. Denn die 37-jährige Angestellte fiel bereits mehrere Male in Ohnmacht, während ihr 31-jähriger Kollege immer wieder versuchte, sich mit aller Kraft gegen die Tür zu stemmen.
Drei Tage Bedenkzeit
Der Beschuldigte erbat drei Tage Bedenkzeit, der Staatsanwalt ging in Berufung. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig. Richter Georg Olschak wertete den bisherigen unbescholtenen Lebenswandel von Milos M. als mildernd, die besonders rücksichtslose Tathandlung sowie die Zusammenkunft mehrerer Verbrechen als erschwerend.
Bei der Urteilsverkündung brach die Mutter des Angeklagten in Tränen aus. "Ich bin 24 Jahre alt und habe noch nie im Leben jemanden verletzt", sagte Milos M. noch in seinem Schlussworten. Bis zum Schluss beteuerte der Angeklagte seine Unschuld, obwohl u.a. DNA-Spuren und Zeugenaussagen gegen ihn sprachen.
Am 26. März verschaffte sich M. mit einem - bis dato völlig unbekannten Komplizen - gewaltsam Zutritt zu den Räumlichkeiten. Die Täter bedrohten die Mitarbeiter mit einer Waffe, um den Zahlencode für den Tresor herauszupressen. Nachdem sie die Tageslosung in der Höhe von rund 8.000 Euro erbeuteten, sperrten sie die beiden Angestellten in die 1,65 Meter hohe, 65 Zentimeter breite und 1,08 Meter tiefe Kühltruhe und drehten sie mithilfe eines Hubwagens mit der Tür zur Wand.
Kampf auf Leben und Tod
Während die Männer flüchteten, begann für die Angestellten ein Kampf auf Leben und Tod. Da sie sich mit allen Mitteln zu befreien versuchten, wurde der Sauerstoff schnell aufgebraucht. Nur durch Zufall wurden die beiden von einer Kundin entdeckt, die sich gewundert hatte, dass der Supermarkt 15 Minuten nach der üblichen Öffnungszeit immer noch geschlossen war.
Später wurden auf einem Knopf, der im Büro der Filiale lag, sowie auf dem Griff des Hubwagens DNA-Abriebspuren des 24-Jährigen entdeckt. Zudem wurde dem Angeklagten nachgewiesen, mit seinem Mobiltelefon ein Taxi bestellt zu haben, um sich am Tattag just zu jener Lidl-Filiale bringen zu lassen, in der er einst tätig war - und zwar bis August 2012. "Es sind kaum mehr Beweise denkbar, als wir hier in dem Verfahren gesehen haben", so der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer. "Der Angeklagte hatte das notwendige Insiderwissen." Denn einer der Täter hatte laut Opfer eine unglaubliche Ortskenntnis an den Tag gelegt. Der Angestellte sei sich "bis zu 80 Prozent sicher", in Milos M. seinen ehemaligen Kollegen wiedererkannt zu haben, sagte er vor der Polizei.
Beide Angestellte sind seit dem Vorfall arbeitsunfähig und trauen sich nur noch in Begleitung außer Haus. Ihnen wurden je 10.000 Euro Privatbeteiligtenzuschuss zugesprochen.