Prozess in Salzburg

Rechtsstreit zwischen Westbahn und blindem Fahrgast

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70-jähriger Pensionist erhob den Vorwurf, er sei aus dem Zug geworfen worden.

Ein Rechtsstreit zwischen der Westbahn und einem blinden Fahrgast ist am Donnerstag vor einem Zivilrichter am Landesgericht Salzburg ausgetragen worden. Der Pensionist warf dem Zugunternehmen vor, Schuld am Verpassen seines Ausstieges in St. Pölten zu haben. Er klagte auf 248 Euro Schadensersatz. Im Gegenzug klagte die Westbahn auf Unterlassung und Widerruf seiner Aussagen gegenüber Medien.

Über den strittigen Vorfall am 2. September 2016 auf der Strecke zwischen Salzburg und Wien hatte der 70-jährige Salzburger mehrere Medien informiert. Es wurden auch Berichte veröffentlicht. Laut Westbahn habe der Mann falsche Angaben gemacht, die für das Unternehmen rufschädigend seien. Denn die Westbahn habe den Salzburger weder - wie von ihm behauptet - auf "freier Strecke" aus dem Zug geworfen noch ihn gebeten, den Zug in Tullnerfeld zu verlassen. Er sei dort aus eigener Entscheidung ausgestiegen. Der Streitwert der Unterlassungsklage gegen den Blinden beträgt samt inkludierten Gerichts- und Anwaltskosten 43.000 Euro.

Konträre Aussagen

Richter Clemens Zeilinger wurde heute in der ersten Tagsatzung mit den konträren Aussagen konfrontiert. Der Pensionist schilderte, er habe die Zugbegleiterin gebeten, ihn rechtzeitig vor dem Halt in St. Pölten, wo ihn jemand abgeholt hätte, zu informieren und ihm beim Aussteigen behilflich zu sein. Die Stewardess sei aber erst in sein Abteil gekommen, als der Zug bereits abgefahren sei. Beim nächsten Halt in Tullnerfeld hätten ihm dann zwei weibliche Fahrgäste beim Aussteigen und Organisieren eines Taxis geholfen. Ohne diese beiden Damen wäre er als Blinder total hilflos gewesen, weil er nicht wusste, wo er sich befand. "Wenn ich dort aussteige, wo ich noch nie war, dann besteht die Gefahr, dass ich runterfalle oder wo dagegenlaufe." Die Angestellten der Westbahn hätten ihm lediglich angeboten, bis Wien zu fahren, dort umzusteigen und wieder retour nach St. Pölten zu fahren.

Drei Tage später habe es zunächst seitens der Westbahn geheißen, man werde ihm die Ausgaben, die auch die Taxifahrt und zwei Stunden Schreibkraft beinhalten, bezahlen, sagte der Mann. Schließlich sei ihm mitgeteilt worden, dass man nur die 19,90 Euro für das Westbahnticket ersetzen würde. Nachdem die Westbahn nicht bereit gewesen sei, seine Forderung von 248 Euro zu zahlen, versuche man nun, mit einstweiligen Verfügungen gegen ihn vorzugehen.

Vergleichsgespräche abgelehnt

Die Westbahn erklärte, dass die Stewardess den Salzburger sehr wohl darauf aufmerksam gemacht habe, dass der Halt in Kürze erfolge. Zusätzlich sei der Halt wie üblich über Lautsprecher angesagt worden. In St. Pölten habe die Zugbegleiterin einer Frau mit Kinderwagen und Gepäck beim Einsteigen geholfen. Bei ihrer Rückkehr habe die Stewardess gesehen, dass der Salzburger noch auf seinem Sitzplatz saß. Ein längerer Halt wäre nur bei einem Notfall oder bei bestehender Lebensgefahr möglich, sagte die Lokführerin heute zum Richter. Die Zugbegleiterin, die ebenfalls aus Zeugin aussagte, erklärte, sie habe nicht erkannt, dass der Mann blind war. Sie habe weder einen Blindenstock noch eine Blindenschleife gesehen. "Er hatte eine Sonnenbrille auf." Sie könne sich auch nicht daran erinnern, dass er sie gebeten habe, ihn auf den Halt in St. Pölten aufmerksam zu machen. Er habe lediglich bei der Abfahrt gefragt, ob sie ihm bei der Türe helfen könne. "Ich habe nicht verstanden, welche Hilfe er braucht. Trotzdem habe ich gesagt, dass wir in St. Pölten sind."

Vergleichsgespräche lehnte heute der Rechtsanwalt des Salzburgers, Stephan Kliemstein, ab. "Wir wollen eine gerichtlich festgestellte Lösung, ein Urteil haben." Die Rechtsvertreterin der Westbahn, Marie-Christin Belyus von der Wiener Kanzlei Böhmdorfer-Schender, schlug vor, ein ewiges Ruhen beider Verfahren zu vereinbaren, falls der Salzburger keine rufschädigenden Äußerungen mehr tätige. Doch Kliemstein lehnte ab. Belyus fragte den Pensionisten, warum er sich nicht an die Agentur für Passagier- und Fahrgastrechte (eine Schlichtungsstelle, Anm.) gewandt habe. "Ich habe nicht gewusst, dass es sie gibt", sagte der Salzburger. Auf die Frage, warum er ohne Begleitperson im Zug mitfahren könne, antwortete er: "Das hat mit viel eiserner Disziplin zu tun." Er halte Vorträge darüber, wie man als Blinder viele Dinge des Lebens alleine bewältigen könne: "Ich komme sehr gut zurecht." Das Urteil wird vermutlich schriftlich ergehen.

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