Prozess-Auftakt

U6-Serien-Vergewaltiger steht vor Gericht

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Täter konnte wegen "kulturellen Hintergrundes" Fragen der Psychologin nicht beantworten.

Ein 29-jähriger Mann, der in der Bundeshauptstadt sechs Frauen vergewaltigt und drei weitere sexuell belästigt haben soll, hat sich am Dienstag im Wiener Straflandesgericht teilweise geständig gezeigt. Mustafa A. gab vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Andreas Böhm) zwei Vergewaltigungen zu, in denen er von einem DNA-Gutachten zweifelsfrei belastet wird. Hinsichtlich der weiteren inkriminierten Fakten stellte er dagegen die Täterschaft in Abrede. Die Verhandlung wird morgen, Mittwoch, fortgesetzt.

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Teilgeständig
Für Gerichtspsychiater Karl Dantendorfer handelt es sich bei dem Angeklagten um einen gefährlichen Mann, bei dem - sollte das Gericht zum Schluss kommen, dass er die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat - ohne entsprechende therapeutische bzw. medizinische Maßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem Rückfall auszugehen sei. Laut Dantendorfer weist Mustafa A. eine kombinierte Persönlichkeitsstörung auf, die einer höhergradigen geistig-seelischen Abartigkeit gleichkommt. Obwohl der Psychiater von einer Zurechnungsfähigkeit des 29-Jährigen ausgeht, hat die Staatsanwaltschaft im Hinblick auf sein Sachverständigen-Gutachten zusätzlich zu einer Verurteilung die Einweisung des 29-Jährigen in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher beantragt.

Prozess gegen brutalen Vergewaltiger

Begutachtung entzogen
In der Verhandlung kam allerdings zutage, dass Mustafa A. an der Begutachtung durch Dantendorfer kaum mitgewirkt und sich einer eingehenden Exploration entzogen hatte. Auf die Fragen einer klinischen Psychologin, die Dantendorfer bei seiner Gutachter-Tätigkeit regelmäßig heranzieht - sie führt mit den Probanden Testreihen durch, auf die der Psychiater dann seine Expertisen aufbaut -, hatte der gebürtige Türke nicht reagiert.

"Kultureller Hintergrund"
"Er war aufgrund seines kulturellen Hintergrundes nicht in der Lage, die Fragen einer Frau ernsthaft zu beantworten", hielt dazu sein Verteidiger Stephan Briem fest. Fragen nach seiner Sexualität habe sein Mandant "bloß mit Gelächter" quittiert. Dantendorfers Feststellungen stünden daher "auf einer sehr schwachen Grundlage", sagte Briem.

   Das räumte Dantendorfer, der erst zwei Stunden nach dem Prozessauftakt im Gerichtssaal erschien und damit die ausführliche Einvernahme des Angeklagten zur Gänze versäumt hatte, durchaus ein. Er begrüßte den Vorschlag des Verteidigers, er, Dantendorfer, möge ein Ergänzungsgutachten anfertigen, als "gute Idee". Zuvor hatte Mustafa K. versichert, er werde diesmal mit dem Sachverständigen und dessen Hilfskräften unabhängig von deren Geschlecht kooperieren.

   Der vorsitzende Richter machte bereits deutlich, dass er ein ergänzendes psychiatrisches Gutachten in Auftrag geben wird. Der Prozess wird daher nicht - wie ursprünglich geplant - übermorgen, Donnerstag, zu Ende gehen, sondern vermutlich auf Ende Oktober vertagt werden.

   Mustafa A. soll - folgt man der Anklageschrift - zwischen März 2009 und Dezember 2012 nächtens regelrecht auf die Jagd nach in erster Linie blonden Frauen im Alter zwischen 20 und 30 gegangen sein. Dabei nützte er oft die U-Bahn, indem er sich in der Linie U6 oder U1 auf Frauen konzentrierte, die offensichtlich ohne Begleiter unterwegs waren.

   Er folgte diesen und sprach sie an, indem er etwa um eine Zigarette oder Feuer bat. Dann wurde er rasch zudringlich, versuchte sie zu küssen und begann sie zu würgen, wenn sie sich zur Wehr setzten. Drei Vergewaltigungen soll er vollendet haben. Zwei Überfälle gestand er ein. Er sei damals "betrunken, stark betrunken" gewesen. Seine Absicht sei es gewesen, "eine Freundschaft herzustellen", gab der Angeklagte zu Protokoll.

   Die dritte Frau, an der er sich brutal vergangen haben soll, erkannte in ihm an seiner Stimme ihren Peiniger wieder, nachdem sie der Befragung des Mannes als Zuhörerin gelauscht hatte. Vor der Polizei und bei ihrer kontradiktorischen Einvernahme war die junge Frau noch unsicher gewesen, ob der Mann, der ihr gegenübergestellt wurde, der Täter war.

   Sie habe sich Klarheit verschaffen wollen und sich daher in die Verhandlung gesetzt, erzählte sie im Zeugenstand. Sie berichtete, der Mann habe sie "angefallen". Sie habe ihn angefleht, sie in Ruhe zu lassen: "Da hat er gesagt 'Was zahlst du?'. Aber ich hatte kein Geld." Der Angeklagte habe ihr derart wehgetan, "dass ich erst nach zwei Wochen wieder ohne Schmerzen gehen konnte." Die Frage nach ihrer psychischen Verfassung beantwortete die Zeugin mit: "Ich habe einen Suizid-Versuch hinter mir."

   Die Polizei hatte Ende Dezember 2012 Fotos aus den Überwachungskameras der Wiener Linien veröffentlicht. Anhand dieser Aufnahmen konnte der mutmaßliche Serien-Täter identifiziert werden. Mustafa A. hatte daraufhin versucht, sich in die Türkei abzusetzen, konnte aber auf Basis eines Europäischen Haftbefehls an der ungarisch-rumänischen Grenze festgenommen werden.
 

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