Nach dem Interview

Was die Medien über Natascha sagen

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Die ersten TV- und Printmedien-Interviews mit Natascha Kampusch beschäftigen nicht nur heimische, sondern auch internationale Medien. Neben Bewunderung für die heute 18-Jährige finden sich darunter auch einige kritische Stimmen.

"Der Tagesspiegel" (Berlin):
"Sie versucht, die Kontrolle zu behalten, es gelingt nicht immer", urteilt die Redaktion, die gleichzeitig eine Frage aufwirft: "Was ist der wirkliche Sinn dieser Befragung vor einem Millionenpublikum? Ist Natascha Kampusch wirklich schon so weit, dass sie trotz aller Betreuung vor, während und nach den Interviews, über ihre Erfahrungen sprechen kann?"

"Expressen" (Stockholm):
Unter dem Titel "Natascha - eine Millionenindustrie" schreibt das Boulevardblatt "Die 18-jährige Natascha Kampusch scheint ihr Dasein in Gefangenschaft gegen wirtschaftliche Unabhängigkeit zu tauschen. TV-Auftritte, Wohnungen, Schule und Bargeld werden ihr angeboten - Das Geld strömt herein."

"Aftonbladet" (Stockholm):
Neben den Inhalten aus dem veröffentlichten Natascha-Interview wird den Lesern eine Reportage aus einem "heruntergekommenen Beisl" in der Nähe von Kampuschs Elternhaus in Wien-Donaustadt geboten. Darunter auch Kommentare von Wirtshausgästen wie "Sie wird sicher reich" oder "Können wir nicht lieber Fußball schauen?".

"Liberation" (Paris):
"Natascha Kampusch hat beschlossen zu sprechen, denn sie hat schnell verstanden, dass ihr Schweigen sie auf eine vielleicht noch zerstörerische Weise einsperren würde als das Gefängnis, in dem sie acht Jahre lang wie eine lebendig Begrabene lebte."
"Die Emotionen, die das Wiederauftauchen von Natascha Kampusch hervorrufen, entsprechen der Faszination und der Verblüffung, die ihr wundersames Schicksal hervorrufen. (...) Dies ist eine zeitgenössische Fabel und die erste Frage nach diesem Albtraum ist nicht, wie sie wiedergeboren werden und wieder leben kann. Vielmehr fragt man, wie sie nun kommunizieren wird - oder besser gesagt, wie sie am ehesten dem Druck der weltweiten öffentlichen Meinung entkommen kann."

"Corriere della Sera" (Mailand):
"Ein ganzes Land steht still, um die schrecklichste aller Reality-Shows zu verfolgen: Das Mädchen, das nach acht Jahren Stille zurückgekehrt ist (...) Für Diskussion sorgt die Tatsache, dass das Mädchen, das zumindest jetzt noch keine Kontakte zur Außenwelt haben will, das Fernsehen gewählt hat, um wie in einer Reality-Show zu beichten. Wieder einmal ist das Fernsehen Schuld an allem: (...) Arme Natascha, ihr Entschluss verdient Respekt. Nicht so sehr, weil wir uns oft mit der Scheinwelt als einzige Wahrheit messen müssen, sondern weil in ihrem Kerker ohne Fenster das Fernsehen wahrscheinlich das einzig offene Fenster zur Welt war, die Nabelschnur, die Natascha am Leben gehalten hat. (...) Natascha versucht jetzt, ihre ersten Lebenstage mit dem Fernsehen zu beherrschen."

"Repubblica" (Rom):
"Nataschas Herz scheint die Stimme des Gefühls und nicht jene der Abneigung erklingen zu lassen. (...) Unser Herz kann uns wirklich helfen, weiterzuleben, weil das Gefühl eine mächtige Kraft ist, während Abneigung Kraft stehlen und die Seele verdörren lassen. Wir sollten morbide Neugierde und Voyeurismus vermeiden. Natascha, mit dem Drama ihrer gestohlenen Jugend, hat uns eine wunderschöne Geschichte erzählt, von der man nur lernen kann, wie man trotz allem leben kann."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung":
Das deutsche Medium beurteilte unter anderem die beiden Blätter, in denen die ersten Kampusch-Interviews abgedruckt wurden. "(...) die druckreif sprechende Natascha Kampusch ist der schwache Trost für zwei qualitätvolle Medien" (der Radiosender Ö1 und der "Standard" Anm.), mit denen die junge Frau aufgewachsen sei. "(...) nicht mit dem Allerweltsmusikgedudel und dem Moderatoren-Smalltalk von Ö3 oder den Nackedeibildern in der 'Kronen Zeitung', ist aus Natascha Kampusch die geworden, als die sie sich in ihrem Brief an die Weltöffentlichkeit beschrieb: 'Ich wuchs heran zu einer jungen Dame, mit Interesse an Bildung...'"
"Doch nun steckt auch die junge Dame in der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Wirklichkeit auf dem Boulevard bringt ihr Einnahmen, die sie für ihre Ausbildung und das weitere Leben natürlich brauchen wird. (...) 'News' als mediale Familie: Ist das die Zukunft von Natascha Kampusch?"

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