"Er ist kein Nazi"

Prozess wegen "Wiederbetätigung": Wiener Antiquar bot NS-Werke an

Rainer Schaden soll beim Anbieten der Werke nicht sorgsam genug gehandelt haben. 

Am Donnerstag ist am Wiener Landesgericht gegen den angesehenen Wiener Antiquar Rainer Schaden, der die Universitätsbuchhandlung in der Sonnenfelsgasse betreibt, wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung verhandelt worden. Er hatte über seinen Webshop Werke aus der NS-Zeit angeboten, die aus dem Nachlass der Historikerin Brigitte Hamann stammten. Damit soll er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wien gegen das Verbotsgesetz verstoßen haben, was Schaden bestreitet.

Staatsanwältin: "Er ist kein Nazi"

Eine rechtsextreme Gesinnung wird dem 78-Jährigen von der Anklagebehörde nicht unterstellt. "Er ist kein Nazi. Er ist kein Rechtsextremer. Er ist ein anerkannter Buchhändler und Antiquar", betonte die Staatsanwältin zu Beginn der Verhandlung. Die Strafverfolgungsbehörden seien allerdings "verpflichtet, dafür zu sorgen, dass NS-Propagandamaterial nicht an Leute gelangt, die das zur Wiederbetätigung nutzen".

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hätte Schaden das Propagandamaterial mit einer näheren Erklärung oder einer entsprechenden Aufbereitung und nicht kommentarlos öffentlich anbieten müssen. "Es gab keinen Hinweis, dass es NS-Propagandamaterial ist", sagte die Staatsanwältin. Der Angeklagte habe das inkriminierte Material schlicht mit Fotos der Buchdeckel online offeriert, ohne sicherzugehen, dass dieses nicht in falsche Hände gerät.

Rainer Schaden/Antiquar vor Gericht Wien
© oe24/Roman Fuhrich

Konkret wirft die Staatsanwaltschaft Schaden vor, dieser habe sich zumindest vom 10. Oktober 2024 bis zum 22. Jänner 2025 im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er öffentlich in für jedenfalls mehr als 30 Menschen wahrnehmbarer Weise in seinem Webshop unter der Kategorie "Drittes Reich" den Nationalsozialismus verherrlichende Bücher zum Kauf anbot. In der Anklageschrift wird betont, Schaden habe nicht nur in Bücher gebundene NS-Propaganda offeriert, sondern die Tat "auf eine Weise begangen, dass sie vielen Menschen zugänglich wurde". Die 30 von der Anklage umfassten Werke tragen Titel wie "Das Ende Österreichs", "Wie die Ostmark ihre Befreiung erlebte" oder "Deutsche Wissenschaft und Judenfrage".

Verteidiger: "Tatbestand nicht erfüllt"

Dem Tatvorwurf widersprachen zunächst die Verteidiger Michael Pilz und Lukas Kollmann. "Der objektive Tatbestand ist nicht erfüllt", betonte Pilz. Darüber hinaus sei dem Angeklagten kein Vorsatz in Richtung Wiederbetätigung nachzuweisen. Schaden sei "einer der renommiertesten Buchhändler", er habe die verfahrensgegenständlichen Werke in sein Vertriebssystem aufgenommen, "um eine wissenschaftliche Forschung und Aufarbeitung der NS-Zeit weiter zu ermöglichen". Zu Schadens Kundenkreis hätten universitäre Einrichtungen, Historikerinnen und Historiker, Dissertierende und Medienschaffende gezählt.

Rainer Schaden/Antiquar vor Gericht Wien
© oe24/Roman Fuhrich

Schaden hatte insgesamt 14.000 Bücher aus dem Nachlass der 2016 verstorbenen Historikerin Brigitte Hamann erworben, die mit ihrem Werk "Hitlers Wien" einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Hamann hatte für ihre Forschungszwecke eine Fülle an Büchern aus der NS-Zeit ihrer Bibliothek einverleibt. Davon landeten 60 nach Hamanns Ableben bei Schaden und in weiterer Folge in dessen Webshop. Aufmerksam wurden die Strafverfolgungsbehörden darauf, als ein oberösterreichischer Polizist im Zuge eines Ermittlungsverfahrens den als bedenklich eingestuften Titel "Wie die Ostmark ihre Befreiung erlebte" im Webshop entdeckte. Die Staatsanwaltschaft Wels leitete gegen Schaden Ermittlungsschritte ein, die Wiener Anklagebehörde übernahm das weitere Verfahren.

Nationalsozialistisches Gedankengut liege ihm "absolut fern", versicherte Rainer Schaden in seiner Beschuldigteneinvernahme: "Ich habe mit dem gar nichts am Hut." Seine Verteidiger bezeichneten ihn als "wehrhaften Antifaschisten" und "Linksliberalen".

 Angeklagter erläuterte Prüfverfahren

Im Detail legte Schaden dar, dass er im Gegensatz zur Annahme der Staatsanwaltschaft sehr wohl Kaufinteressenten genauestens überprüft habe. An Rechtsgerichtete oder Personen, die ihm "suspekt" erschienen, habe er nichts verkauft. Wenn er die Interessenten nicht zuordnen habe können, habe er die von diesen begehrten Werke als "schon verkauft" oder "nicht auffindbar" ausgegeben.

Bei seiner Überprüfung habe er "detaillierte Namenslisten" in einschlägigen Suchmaschinen zurate gezogen oder Rücksprache - etwa beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands (DÖW) - gehalten. "Wenn eine Person auf so einer Liste ist, ist der Verkauf ausgeschlossen. Wenn wir jemanden gar nicht einordnen können, stornieren wir den Auftrag", versicherte Schaden.

Schaden und seine Rechtsvertreter betonten, die inkriminierten Werke, deretwegen er vor einem Geschworenengericht landete, wären öffentlich zugänglich. "Ausnahmslos alle Bücher sind öffentlich in österreichischen Bibliotheken entlehnbar", sagte Pilz. Sie lägen auf der Hauptbibliothek der Universität Wien, der Parlamentsbibliothek, im Jüdischen Museum und auch auf der Bibliothek des Obersten Gerichtshofs (OGH) auf. "Viele der Bücher sind in der Zeitgeschichte oder auf der Hauptbibliothek, wo man sie entlehnen und Scans anfertigen kann", pflichtete ihm Schaden bei. Und weiter: "Auch über Amazon können Sie jederzeit NS-Literatur beziehen."

Bewusst auf "Warnhinweise" verzichtet

Auf die Frage, warum er im Online-Shop keine "Warnhinweise" angebracht und den NS-Bezug der inkriminierten Schriften nicht ausgewiesen habe, erwiderte Schaden: "Das machen wir nicht. Das machen aber auch keine anderen Antiquariate." Damit ziehe man nämlich Rechtsextreme an.

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