Opfer ändert Aussage

Ex-Freund Messer in Brust gerammt und Herzbeutel verletzt - Prozess

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Das Opfer änderte in der Verhandlung die Aussage und sagte zugunsten der Angeklagten aus.

Wien. Mit einer dreieinhalb Jahre zurückliegenden Bluttat hat sich am Freitag ein Wiener Schwurgericht beschäftigen müssen. Angeklagt war eine 30-jährige Frau, die 2016 im Streit ihrem Ex-Freund ein Messer in die Brust gerammt und dabei den Herzbeutel verletzt haben soll. Der 33-Jährige überlebte knapp. Schützenhilfe bekam die Angeklagte nun bei der Verhandlung aber ausgerechnet vom Opfer.

Das Paar lernte sich 2013 kennen und führte eine On-Off-Beziehung, die laut der Aussage der Frau auch von handgreiflichen Streitereien geprägt war. Am 23. Februar 2016 waren die beiden eigentlich getrennt, doch der 33-Jährige war krank, sie kochte Suppe für ihn und fuhr anschließend wieder nach Hause. Für den Abend war ausgemacht, dass die 30-Jährige wieder zu ihrem Ex-Freund kommen sollte. Als sie in seinem Gemeindebau ankam und anläutete, machte ihr keiner auf. Weil das schon öfter vorgekommen war, dass sie vor verschlossenen Türen warten musste, war sie verärgert.

Mit einer anderen Mieterin, die gerade das Tor zum Gemeindebau aufsperrte, gelangte sie in den Innenhof. Sie kletterte zum Fenster des 33-Jährigen, der im Erdgeschoß wohnte, und sah, wie dieser seelenruhig mit einem Freund im Fernsehen Fußball schaute. Sie begann zu schreien und zu toben,, warum er ihr denn nicht aufmachen würde.

Ab diesem Zeitpunkt erzählten Angeklagte, Opfer und der Freund des Mannes unterschiedliche Versionen des Tathergangs. Laut der ursprünglichen Aussage des 33-Jährigen, auf die sich die Anklage stützte, soll die Frau durchs Fenster in die Wohnung geklettert sein. Sie schrie ihren Ex lauthals an, sodass der 33-Jährige die Frau auf den Gang bugsierte. Dort soll sie ihm mit dem Messer, das sie laut Staatsanwältin mitgebracht hatte, in die Brust gestochen haben.

Dass der Mann dabei eine lebensgefährliche Verletzung davon getragen hatte, bekam er zunächst nicht mit. Er entdeckte zwar einen Blutfleck am T-Shirt, doch in der Annahme, es handelte sich nur um einen Kratzer, schickte er seinen Freund weg, damit er die Differenzen mit seiner Ex-Freundin klären könne. Beim Gespräch sei er dann zusammengebrochen und ins Spital gebracht worden. Laut Gerichtsmediziner Christian Reiter hat der Stich die Herzkammer angeschnitten, sodass 400 Milliliter Blut in den Herzbeutel floss und das Herz in seiner Ausdehnungsfähigkeit behindert habe.

Ganz anders lautete die Version der Beschuldigten, die auf Notwehr plädierte. Als der Freund weg war, sei es in der Küche zu einer Handgreiflichkeit gekommen. Da die 30-Jährige sehr laut schrie, habe ihr der Ex mit der Hand den Mund und die Nase zugehalten. "Ich wollte ihn wegstoßen von mir, aber ich hatte keine Chance", sagte sie vor Gericht. Aus Panik zu ersticken, habe sie sich ein Küchenmesser geschnappt und habe "kurz hineingepikst, damit er mich los lässt". Und weiter: "Ich wollte ihn nicht verletzen, schon gar nicht töten", erklärte die Beschuldigte.

Diese Version der Geschichte unterstützten nun plötzlich auch das Opfer und dessen Freund. "Ja, ich hab' sie sehr stark gepackt und ihr stark Mund und Nase zugehalten. Ich hatte damals auch zehn Kilo mehr", sagte der 33-Jährige. Auf den Vorwurf des Schwurgerichtsvorsitzenden Thomas Kreuter, dass das nun eine ganz andere Aussage sei, meinte der Mann: "Ich hab' das damals anders empfunden." Daraufhin meinte der beisitzende Richter, Norbert Gerstberger: "Man kann das nicht so empfinden, man kann nur falsch aussagen." Es gebe nur zwei Möglichkeiten, entweder war die Aussage damals vor der Polizei falsch oder nun vor Gericht. Eine der Versionen sei "objektiv und offenkundig falsch", sagte Gerstberger. Auch der Freund des 33-Jährigen konnte sich an Details nicht mehr so genau erinnern: "Das ist mehr als drei Jahre her."

Fakt ist, dass das Ex-Paar trotz des Vorfalls für einige Zeit wieder zueinander gefunden hat und sogar für einige Monate in die Türkei ausgewandert ist. Da die 30-Jährige zum Teil auch als U-Boot in Wien lebte, war sie bis 2019 für die Polizei nicht greifbar. Als sie erfuhr, dass gegen sie wegen Mordversuchs ermittelt wurde, stellte sie sich. Seit dem Sommer sitzt sie in Untersuchungshaft. Mit einem Urteil ist Freitagnachmittag zu rechnen.
 

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