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Penninger entwickelte Medikament

Austro-Forscher warnt: ''Dürfen Coronavirus nicht unterschätzen''

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''Wenn das Coronavirus wirklich so viele Leute infiziert, wie manche voraussagen - also ähnlich dem Grippevirus -, dann haben wir ein Problem'', sagt Josef Penninger.

Die langjährige Arbeit des österreichischen Genetikers Josef Penninger am Enzym ACE2 könnte in der Behandlung des neuen Coronavirus einen Durchbruch bringen. In China wird bald ein Wirkstoff der Wiener Biotechnologiefirma Apeiron getestet - Penninger ist mit an Bord. Im Gespräch mit der APA warnte Penninger eindrücklich davor, das Virus zu unterschätzen.

Das SARS-CoV-2-Virus nutzt - wie auch sein enger Verwandter, das 2002 aufgetauchte SARS-Virus - den ACE2-Rezeptor, um in menschliche Zellen zu gelangen. Der 55-jährige Oberösterreicher und sein Team kamen bereits vor einigen Jahren auf die Idee, biotechnologisch hergestelltes menschliches Angiotensin Converting Enzym 2 (rhACE2) in der Therapie bei Lungenversagen einzusetzen.

Der mittlerweile in Kanada tätige Apeiron-Mitbegründer und ehemalige Chef des Instituts für Molekulare Biotechnologie (IMBA) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) entwickelte daraufhin den Medikament-Kandidaten unter dem Namen "APN01" mit. Am Montagabend sprach Penninger im Rahmen einer Veranstaltung der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft zum Thema "Das Corona-Virus - erste Erfolge bei der Medikamentenentwicklung?" in Wien.

APA: Über das neue Coronavirus kursieren viele Spekulationen. Wie schätzen Sie die Gefährlichkeit momentan ein?

Josef Penninger: Wir sollten dieses Visus nicht unterschätzen, weil die Tödlichkeit, die die WHO in der vergangenen Woche bekannt gegeben hat, dreißig Mal höher ist als beim 'normalen' Grippevirus. Wenn das Coronavirus wirklich so viele Leute infiziert, wie manche voraussagen - also ähnlich dem Grippevirus -, dann haben wir ein Problem. Am Ende ist man immer klüger, ob man vielleicht überreagiert hat. Ich glaube aber, dass es besser ist, wenn wir überreagieren. Wir wissen, dass es uns trifft. In Österreich und Wien haben wir schon etliche Fälle.

APA: Sie haben sich ja auch intensiv mit dem Vorgängervirus - SARS - beschäftigt. Überrascht Sie die Dynamik der aktuellen Ausbreitung?

Penninger: Ja, weil das SARS-Virus nicht sehr ansteckend war. Man musste schwer krank sein, um jemanden zu infizieren. Dadurch konnte man die Ansteckungskette relativ schnell kontrollieren. Das neue Virus ist sehr ansteckend, wahrscheinlich ansteckender als die Grippe, weil auch Leute mit keinen oder ganz milden Symptomen das Virus tragen können. Auch beim besten Willen macht das die Kontrolle schwer. In China ist das gelungen, aber in unserer Gesellschaft ist das eher schwierig.

APA: Sie sind mit chinesischen Forschern und Ärzten in Kontakt. Haben Sie sich schon persönlich ein Bild von der Lage dort machen können?

Penninger: Nein, ich wollte eigentlich diese Woche hinfahren, es gibt aber keinen Flug mehr.

APA: Welche Rolle spielt das von Ihnen in den vergangenen Jahren erforschte und zum Arzneimittel weiterentwickelte Enzym ACE2 bei der Erkrankung?

Penninger: Es hat zwei Rollen: Erstmal ist ACE2 die Tür, durch die das Virus durchschreiten muss, um uns zu infizieren. Unser Protein, das biotechnologisch hergestellte, rekombinante, lösliche ACE2, schaut genauso aus wie die Tür und fängt das Virus ab, so dass es den richtigen Eingang nicht findet. Es blockiert, dass das Virus in unsere Zellen eindringt.

Zweitens: Es schützt vor Lungenversagen. Ein Grund, warum das SARS-Virus so tödlich war, ist, dass es bei ACE2 an der Zelloberfläche gebunden hat, und die beiden dann gemeinsam in die Zelle hineingegangen sind, wo sich das Virus vermehrt hat. Dadurch fehlte ACE2 und der Schutz vor Lungenversagen wurde geringer. Ganz kurz: Unser Wirkstoff dämpft die Infektion und schützt unsere Lunge vor dem Versagen. Das sind die Daten, die wir und andere Forscher momentan haben.

APA: Läuft die geplante Studie an 24 schwer Erkrankten in China schon?

Penninger: Wir wollten eigentlich in der letzten Woche anfangen, die chinesische Regierung hat aber entschieden, dass es keine kleinen, lokalen Pilotstudien mehr geben soll. Die Aktivitäten werden nur noch zentral kontrolliert - was auch absolut Sinn macht. Wir suchen gerade für eine größere, definitive Studie an, die zwar ein bisschen verzögert sein, uns aber viel mehr Information geben wird. Wir werden dann definitiv wissen, ob es funktionieren wird oder nicht. Wenn alles gut geht, machen wir in drei, vier Wochen eine große klinische Studie. Im Endeffekt sind wir dann vielleicht sogar schneller als ursprünglich geplant.

APA: Gibt es Ideen zu ähnlichen Tests in Italien oder gar in Österreich?

Penninger: Wir reden gerade auch aktiv mit Ärzten in Italien und der Schweiz. Als wir mit den Planungen begonnen haben, war die so schnelle Ausbreitung nach Europa noch nicht vorhersehbar.

APA: Welche Ergebnisse erhoffen Sie sich von der nun größeren Studie?

Penninger: Wir hoffen, dass das Virus vermindert wird und dass die Leute mit schweren Erkrankungen nicht in das ganz schwere Stadium abrutschen - dass man sie stabilisieren kann. Wir wissen aber alle, dass es keine Wunderheilmittel gibt. Es braucht also auch Medikamente, die Erkrankten wirklich helfen können.

APA: Auch abseits Ihres Ansatzes: Wie weit ist man bei der Medikamentenentwicklung momentan?

Penninger: Viele, viele Firmen versuchen momentan Impfstoffe zu entwickeln. Da reden wir aber von eineinhalb bis zwei Jahren, denn das muss man beim Menschen sehr sorgfältig testen, um nicht durch den Impfstoff die Krankheit zu verschlimmern.

Ein anderer wichtiger Ansatz ist, dass Firmen auch mit Methoden der Künstlichen Intelligenz versuchen, Stoffe zu finden, die verhindern, dass sich das Virus vermehren kann. Das macht durchaus Sinn, solche Medikamente können aber auch virale Resistenzen fördern. Den Durchbruch bei HIV hat etwa gebracht, dass man drei, vier Aspekte des Virus angreift. Dort müssen wir hier auch hinkommen.

Unser Ansatz ist es, die Tür zuzusperren und das Virus nicht mehr hineinzulassen. Außerdem geht es eben darum, bei Organversagen die Entzündung zu reduzieren. Es gibt also viele Ansätze und es hat mich sehr positiv überrascht, wie schnell die Welt der Wissenschaft auf diesen Ausbruch reagiert hat. Die Biotechnologie hat sich einfach wahnsinnig beschleunigt und das gibt natürlich Hoffnung!

APA: Was bedeutet es für Sie als Wissenschafter und Unternehmer, wenn etwas quasi klein im eigenen Labor beginnt und dann möglicherweise so eine große Tragweite für viele Menschen bekommt? Das ist ja nicht alltäglich.


Penninger: Nicht wirklich. Wir haben ACE2 im Jahr 2000 gefunden und herausgefunden wie das eigentlich funktioniert. An Lungenversagen zu arbeiten begonnen haben wir noch lange vor dem SARS-Virus. Dann haben wir diese jetzt klassischen Arbeiten darüber gemacht, dass ACE2 der essenzielle Rezeptor für das SARS-Virus ist. 2005 konnten wir im Fachblatt "Nature Medicine" zeigen, dass ACE2 auch vor Lungenversagen schützt. Diese Arbeiten zitiert heute jeder, auch im Zusammenhang mit dem neuen Ausbruch. Ich glaube, das ist ein gutes Plädoyer für Grundlagenforschung! Manchmal muss man an Dingen forschen, die dann vielleicht erst in 15 Jahren wirklich relevant werden.

Dass innerhalb kürzester Zeit Wissenschafter aus China, Nordamerika, aus Europa und von Apeiron zusammengekommen sind, um das Medikament weiterzuentwickeln, ist erstaunlich. Wir wissen, dass das der logische Ansatz ist und dass es sicher ist. In sorgfältigen Studien müssen wir nun testen, ob es wirklich funktioniert. Das war wirklich eine Teamleistung.

Zur Person

Josef Penninger wurde am 5. September 1964 im oberösterreichischen Gurten geboren. Er absolvierte sein Medizinstudium an der Uni Innsbruck, wo er 1990 seine Doktorarbeit abschloss. Als Post-Doc wechselte er nach Kanada, und stieg in der Folge zum renommierten Wissenschafter auf. 2002 übernahm er das neu gegründete IMBA in Wien, das unter seiner Führung zum international angesehenen Forschungsinstitut wurde. Seit Ende 2018 leitet Penninger das Life Sciences Institute (LSI) der University of British Columbia in Vancouver (Kanada), führt am IMBA aber noch ein Labor.)

(Das Gespräch führte Nikolaus Täuber/APA.)

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