Ein Bub (11) beschützte seine Mutter, indem er seinen Vater mit einem Messer niederstach.
Laut Freunden und Nachbarn war es die grenzenlose Liebe zur Mutter und der Zorn gegen den häufig gewalttätigen Vater, der am Donnerstagabend in Wien-Leopoldstadt zu einer unfassbaren Familientragödie geführt hat. In einem Gemeindebau schützte der Schüler Dennis B. (11, Namen aller Beteiligten geändert) seine schwer verletzte Mutter, in dem er den aggressiven Vater mit drei Messerstichen in den Rücken niederstreckte. Der Taxifahrer Darko S. (57) schwebt in Lebensgefahr.
Video: Hier passierte die Tat
Taxler drohte: »Mache dir das Leben zur Hölle«
Es ist 20 Uhr, als starker Lärm aus der kleinen Wohnung Nr. 11 an der Rustenschacherallee nach draußen dringt. Wie so oft in den vergangenen drei Jahren streiten sich die gebürtige Polin Maja R. (34) und ihr kroatischer Ehemann. Der Taxler neigt zum Alkohol, ist rasend eifersüchtig und wirft der Gattin schon harmlose Gespräche mit fremden Männern vor. „Ich bringe dich um, ich mache dir das Leben zur Hölle“, soll er laut einer Nachbarin schon häufiger gedroht haben.
An diesem Donnerstagabend werden die Drohungen wahr. Aus Angst sperrt sich die 34-Jährige im Wohnzimmer ein. Ihr Mann tritt die Tür ein, packt seine Frau, reißt sie zu Boden und sticht ihr mehrfach in den Hals- und Oberkörperbereich.
Sohn Dennis bekommt die lebensbedrohliche Situation mit, will sich zwischen die Eltern stellen. Als dies misslingt, holt der Elfjährige ein Brotmesser und sticht dem auf der Frau liegenden Vater dreimal in den Rücken. Er trifft die Lunge und die Leber, zwei Stiche treten vorne wieder aus. In seiner Angst bringt der Bub unglaubliche Kräfte auf, als er seiner Mama Nothilfe leistet.
Der Bub ist jetzt bei seinem Onkel
Anschließend flüchtet er mit seiner Mutter zur Nachbarsfamilie, trommelt an die Tür, schreit vor Verzweiflung. Die Nachbarn öffnen, bringen die beiden in Sicherheit und alarmieren die Polizei. Der Vater flüchtet aus dem Haus, überall zeugen noch heute Blutspuren davon. Wenige Meter später bricht er bewusstlos zusammen: „Er schwebt in Lebensgefahr“, sagt Polizeisprecher Thomas Keiblinger.
Der Bub wird betreut, ist beim Bruder seines Vaters. Die Mutter kommt bald aus dem Spital. Dann sind beide wieder vereint. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Zeuge im Gespräch mit ÖSTERREICH:
»Wir haben Mutter und Sohn bei uns versorgt«
ÖSTERREICH: Sie haben das Drama praktisch hautnah miterlebt. Was ist passiert?
Dieter F: Wir haben den Streit gehört, dann die Schreie von Mutter und Kind. Dennis hat bei uns angeklopft. Dann haben wir die beiden reingelassen, sie versorgt und die Polizei gerufen. Die Agnes hatte starke Kopfverletzungen, überall war Blut.
ÖSTERREICH: Sie kennen die Familie seit Jahren. Wie war Ihr Verhältnis?
Dieter F: Anfangs wirklich super. Doch dann wurde es immer schwieriger. Nebenan gab es immer häufiger heftigen Streit. Aber die Agnes, die als Heimhilfe arbeitet, ist eine sehr liebevolle Mutter.
ÖSTERREICH: Und der Vater, der zuerst mit einem Messer auf seine Gattin losgegangen sein soll?
Dieter F: Als Dennis noch klein war, waren die beiden ein Herz und eine Seele. Doch durch sein dominantes Auftreten ist auch das Vater-Sohn-Verhältnis immer schwieriger geworden.
ÖSTERREICH: Wie geht es Ihrer verletzten Nachbarin inzwischen?
Dieter F.: Sie ist im AKH, es geht ihr entsprechend gut. Sie hat uns schon angerufen. Ihre größte Sorge war Dennis. Sie wollte wissen, wo ihr Bub ist und ob sich jemand um ihn kümmert.