Die Fronten zwischen dem Wiener Unternehmen Lead Horizon und Ex-Geschäftspartner CoviMedical sind verhärtet. Der erste Gerichtstermin soll am 8. Mai stattfinden.
Wien. Die Fronten zwischen dem Wiener Unternehmen Lead Horizon, das mit PCR-Selbsttests auf das Coronavirus und dem "Alles Gurgelt"-Testprogramm geschäftlich erfolgreich war und dies weiterhin ist, und der deutschen CoviMedical GmbH, die am Handelsgericht Wien eine Klage gegen Lead Horizon auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags (Streitwert: 3,3 Mio. Euro) eingebracht hat, sind verhärtet. Die Wiener GmbH kontert mit einem "Gegenangriff" und verlangt 1,42 Mio. Euro von CoviMedical.
Auf diesen Betrag beläuft sich - abzüglich einer geleisteten Anzahlung - der noch ausständige Kaufpreis für eine Million bestellter Wiener Test-Kits (Stückpreis: 2,42 Euro), die CoviMedical an 200 Standorten in Deutschland ausrollen wollte. Mittlerweile bezeichnet das Unternehmen mit Sitz in Dillenburg (Hessen) die Test-Kits als unbrauchbar, weil die angebotene Online-Lösung infolge einer nicht funktionierenden WebApp kein zuverlässiges Authentifizierungsverfahren möglich mache und die Voraussetzungen der CE-Zertifizierung des Produkts nicht erfüllt wären.
Vorwürfe seien "an den Haaren herbeigezogen"
Lead Horizon hat bereits am Donnerstag diese Vorwürfe gegenüber der APA als "an den Haaren herbeigezogen" zurückgewiesen. Am 8. Mai werden sich die Streitparteien erstmals zu einer vorbereitenden Tagsatz am Wiener Handelsgericht einfinden, gab am Freitag Gerichtssprecherin Barbara Rath-Ruggenthaler auf APA-Anfrage bekannt. In einem umfangreichen vorbereitenden Schriftsatz, den die bekannte Wiener Anwaltskanzlei Cerha Hampel, die Lead Horizon in dem Rechtsstreit vertritt, am vergangenen Montag dem Handelsgericht vorgelegt hat, wird die kostenpflichtige Klagsabweisung beantragt und auf die Bezahlung des vollständigen Kaufpreises gepocht. CoviMedical ignoriere "gänzlich die klaren und eindeutigen Bestimmungen des Lizenz- und Vertriebsvertrags" und versuche "in plumper Vorgangsweise auf die beklagte Partei Druck aufzubauen", heißt es in der schriftlichen Stellungnahme. Das deutsche Unternehmen bediene sich "vorgeschobener Scheinargumente" und behaupte einen Mangel in der WebApp, "den es jedoch nicht gibt".
Die für den deutschen Geschäftspartner eigens entwickelte, mit einer KI-Funktion versehene WebApp, funktioniert laut Lead Horizon einwandfrei und wurde ordnungsgemäß angeboten und geliefert. Demgegenüber behauptet CoviMedical, die im Oktober 2022 gelieferte und mit einer Künstlichen Intelligenz (KI) ausgestattete Beta-Version der App sei nicht in der Lage, Testpersonen eindeutig zu identifizieren.
WebApp erfasst lediglich ob Testperson anwesend ist
Die Rechtsvertretung von Lead Horizon nennt das "schlichtweg falsch" und führt dazu im Detail aus: "Die WebApp erfasst die Person, die sich während des Testvorgangs vor der Kamera befindet und gleicht diese laufend mit der Person auf dem hinterlegten Ausweisfoto ab, wobei eine gewisse (im Vorhinein festgelegte und modifizierbare) maximale Abweichungsrate (bzw. Abwesenheitsrate) toleriert wird. Es handelt sich hierbei jedoch um eine bloße Anwesenheitskontrolle. Folglich überprüft die WebApp, dass sich die Testperson tatsächlich vor der Kamera befindet, ("Automatische Anwesenheitskontrolle"), nicht jedoch die konkrete Tätigkeit der Testperson." Dass die WebApp mehr leisten könne, sei nicht vertraglich vereinbart gewesen. Überdies habe man die Beta-Version der App schon im April 2022 CoviMedical zur Verfügung gestellt. Diese sei intern geprüft worden, CoviMedical habe bestätigt, dass die WebApp gut funktioniert.
Aus Sicht von Lead Horizon möchte CoviMedical das Geschäft deshalb rückabwickeln, weil sich - anders als von dem deutschen Unternehmen erwartet - die Rechtslage in Deutschland hinsichtlich PCR-Tests im Lauf des Vorjahrs nicht geändert habe. Selbsttestungen im eigenen Wohnzimmer waren auch weiterhin nicht ausreichend für den "Grünen Pass", sondern mussten weiterhin von geschultem Personal bzw. unter entsprechender Aufsicht von befugten Personen durchgeführt werden.
Frustrierte Aufwendungen im Streitwert
Die Klage von CoviMedical bezieht sich übrigens nicht nur auf die Kosten für die georderten Wiener Test-Kits. Im Streitwert sind auch so genannte frustrierte Aufwendungen enthalten, wie Julian Bartholomä, Anwalt in München und einer der Rechtsvertreter von CoviMedical, im Gespräch mit der APA erläuterte: "Es wurden Spezialgeräte zur Auswertung dieser Tests in Laboratorien und Ausweitung der Test-Kapazitäten angeschafft. Nachdem die Lead Horizon-Test-Kits unbrauchbar sind, konnte kein einziger Test ausgewertet werden. Die Gerätschaften waren aber mit den Test-Kits gekoppelt." Folglich habe es für die Spezialgeräte bei CoviMedical keine Verwendung mehr gegeben, sagte Bartholomä. Den dadurch entstandenen Schaden will CoviMedical abgegolten bekommen.
Für Lead Horizon ist "völlig unklar, ob und wenn ja welche Maschinen hier angeschafft worden sein sollen, die in einem wie immer gearteten Zusammenhang mit dem Vertrag stehen sollten", wie im Schriftsatz der Kanzlei Cerha Hempel ausgeführt wird. Es sei "in keiner Weise nachvollziehbar, weshalb diese Utensilien nicht unabhängig davon in einem Laborbetrieb der Gruppe der klagenden Partei Verwendung finden sollen, wovon auch auszugehen ist, da sie bereits bisher Laborbetriebe hatte und hat."