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Urteil nach 17.00 Uhr

Mordfall Hadishat: Beweisverfahren abgeschlossen

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Nachdem weitere Beweisanträge der Verteidigung abgewiesen wurden, erklärte Richter Norbert Gerstberger um 15.30 Uhr das Beweisverfahren für geschlossen.

Wien.  Nach den Schlussvorträgen des Staatsanwalts und der Verteidigung zogen sich die Geschworenen zur Beratung über die Frage zurück, ob der Jugendliche im Tatzeitpunkt schuldfähig war.

Mit der Urteilsverkündung war nach 17.00 Uhr zu rechnen. Der Vorsitzende sicherte der psychiatrischen Sachverständigen Kathrin Sevecke zu, dass sie jedenfalls den letzten Zug zurück nach Innsbruck erwischen wird.

Imaginäre Person "für mich echt"

Ich hatte viele Freunde. Ich war auf Events, Partys, Unternehmungen", erinnerte sich der Angeklagte an seine Schulzeit. Grundsätzlich möge er Menschen,"aber erst wenn ich Menschen sehr mag, kann ich ihnen vertrauen". Nur diesen Menschen könne er Wichtiges anvertrauen: "Das ist wie ein Zwang."

Aus diesem Grund habe er nach seiner Festnahme nichts von den inneren Stimmen berichtet und auch nichts von der imaginären Person "Antonia", einem um einen Monat jüngeren Mädchen, die für ihn real sei: "Für mich ist sie echt. Sie ist schon immer in meinem Leben da." Während für alle anderen "Antonia" nicht existiere, begleite sie ihn nach wie vor: "Sie ist in meiner Zelle. Sie wartet. Sie hilft mir." Während des Mordes habe "Antonia" geschlafen, sonst wäre es womöglich nicht zu der Tat gekommen. "Letztens sagte sie mir, ich soll mehr auf sie hören und weniger auf die Stimmen", erzählte der 17-Jährige. Manchmal habe er mit "Antonia" auch Sex, verriet er noch. Den psychiatrischen Gutachtern habe er - speziell zum Thema Sexualität - "nicht die ganze Wahrheit gesagt".

Auf die Frage, warum "Antonia" nicht bei der Verhandlung zugegen sei, erwiderte der Angeklagte: "Sie will nicht dabei sein und mich leiden sehen. Es ist für mich wie eine Hinrichtung hier."

Im Anschluss bekräftigte der psychiatrische Sachverständige Peter Hofmann sein Gutachten, in dem er dem Angeklagten Zurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt bescheinigt hatte. Dieser sei "eine hochauffällige Persönlichkeit mit schwer narzisstischen Zügen" und neige zur Selbstüberhöhung. Schizoide Züge hätten sich erst in der Haft herausgebildet. Tötungsgedanken wären dem Burschen "schon Wochen vor der Tat gekommen. Und sie sind drängender geworden. Er wollte wissen, wie das ist", stellte Hofmann fest. Bei der gegenständlichen Bluttat sei es dem Jugendlichen um Erkenntnisgewinn gegangen.

Vor allem aufgrund des Nachtatverhaltens - der Bursch hatte die Leiche in den Müllraum geschafft, die Wohnung gesäubert und Spuren aus dem Abfluss in der Duschtasse beseitigt - war für Hofmann "völlig eindeutig, dass er in der Lage war, das Unrecht seiner Tat zu erkennen". Die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten sei nicht aufgehoben gewesen. Dass der Bursch imstande war, hochkomplexe Dinge zu erledigen, "passt nicht mit einer schweren Psychose zusammen. Da war nichts Ungeordnetes."

Der zweite psychiatrische Sachverständige Werner Gerstl, der den Angeklagten im Unterschied zu Hofmann als nicht zurechnungsfähig eingestuft hatte, konnte seine Expertise nicht mehr erörtern. Er ist Ende des Vorjahrs verstorben. Ab 13.30 Uhr kommt die "Obergutachterin" Kathrin Sevecke zur Wort.

Laut Obergutachterin schuldfähig

Kathrin Sevecke, Leiterin der Innsbrucker Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, bescheinigte als vom Gericht bestellte Obergutachterin dem im Tatzeitpunkt 16-Jährigen Zurechnungsfähigkeit. Dieser weise eine kombinierte Persönlichkeitsstörung mit narzisstistischen und hartherzig-emotionslosen Zügen sowie Zwangsstörungen auf, sei aber schuldfähig, befand die psychiatrische Sachverständige.

Die inneren Stimmen sowie die real nicht existierende "Antonia", von der der Angeklagte ausführlich berichtet hatte, seien keine Symptome für eine im Kindesalter aufgetretene Schizophrenie, bekräftigte Sevecke. Sie sprach von "imaginierten Phänomen" und einer "fantasierten Begleitung", die sie auf den exzessiven Medienkonsum des Burschen zurückführte, der in seiner Schulzeit oft über Stunden hinweg japanische Manga-Serien angeschaut hatte. Speziell "Death Note" - die erklärte Lieblingsserie des Schülers - , aber auch andere Anime dürften "mit dazu geführt haben, dass er den 'Thrill des Tötens' erleben wollte", heißt es in Seveckes 150 Seiten umfassendem schriftlichen Gutachten.

Der bald 18-Jährige identifizierte sich demnach mit Light Yagami, dem zentralen Protagonisten in "Death Note", der als bester Schüler Japans mithilfe eines Buches übernatürliche Kräfte erlangt und - begleitet vom Todesgott Ryuk - zu töten beginnt, um seinem Gerechtigkeitsideal Genüge zu tun. Unter dem Einfluss dieser und ähnlicher Mangas und Animes entwickelte er den Ausführungen der Sachverständigen zufolge eine Persönlichkeitspathologie, in der sich Inhalte wie in "Death Note" widerspiegeln und die laut Sevecke "ein Stück das Tatgeschehen verstehbarer machen können".
 

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