Ein alltäglicher Toilettengang wird in Wien zum Politikum. Frauen zahlen fürs WC, Männer nicht. Die Volksanwaltschaft spricht von einer gravierenden Verletzung der Gleichbehandlung.
In Wien hat ein alltägliches Bedürfnis eine Debatte über Gleichberechtigung entfacht. Frauen müssen an 28 öffentlichen Standorten wie dem Rathausplatz 50 Cent bezahlen, wenn sie eine WC-Kabine benutzen wollen. Männer können das Pissoir daneben kostenlos nutzen. Die Volksanwaltschaft spricht von Diskriminierung und fordert ein Ende dieser ungleichen Regelung.
Die Magistratsabteilung 48 begründet die Gebühr mit höherem Reinigungsaufwand und dem Bedarf an Aufsichtspersonal. Für Volksanwältin Gaby Schwarz ist das keine Rechtfertigung. "In Wien zahlt man fürs stille Örtchen, aber nur, wenn man keine Hose runterziehen kann", so Schwarz. Ihrer Meinung nach verletzt die Regelung das Prinzip der Gleichbehandlung. "Gleichberechtigung beim Toilettengang ist kein Luxus, sondern Pflicht." Die Volksanwaltschaft wurde nach einer Beschwerde aus der Leopoldstadt tätig und kam bei der Prüfung zum Ergebnis, dass Frauen klar benachteiligt werden. Der Bericht dazu liegt noch nicht vor, soll aber demnächst im Wiener Landtag behandelt werden.
Frauen sind auf Kabinen angewiesen
Auch Planungsfachleute üben Kritik. Architektin und Genderforscherin Sabina Riss erkennt eine strukturelle Benachteiligung. Frauen seien oft mit kleinen Kindern oder älteren Menschen unterwegs und deshalb auf Kabinen angewiesen. Die zusätzliche Kostenpflicht verschärfe das Ungleichgewicht. Riss sieht zudem Versäumnisse in der Stadtplanung. Obwohl bekannt sei, dass Frauen öffentliche Toiletten anders nutzen, werde dieses Wissen kaum in konkrete Maßnahmen übersetzt.
Gaby Schwarz kritisiert nicht nur die Kostenfrage, sondern auch die soziale Dimension. "In Wien kostet Gleichberechtigung für Frauen extra, nämlich 50 Cent pro Erleichterung." Wer gerade kein Bargeld dabeihat, bleibt vom menschlichen Grundbedürfnis ausgeschlossen. Betroffen sind nur jene, die eine Kabine brauchen. Die Volksanwaltschaft fordert ein Umdenken. Öffentliche Toiletten müssen allen Menschen offenstehen, kostenlos und diskriminierungsfrei.