Zwei Drittel aller Bauprojekte weisen einen Mangel auf. Besonders schlimm ist die Situation in Ostösterreich, allen voran in Wien.
Handwerk hat goldenen Boden. Die Ergebnisse der Arbeiten sind für die Bauherren jedoch alles andere als glänzend. Zwei Drittel aller Bauprojekte weisen einen Mangel auf. Und das, obwohl ohnehin 40 Prozent aller Bauvorhaben später als ursprünglich geplant fertiggestellt werden, geht aus einer heute, Mittwoch, publizierten Untersuchung des Marktanalyse-Instituts Kreutzer Fischer & Partner hervor.
Schlampiges Bauhandwerk
Der subjektive Eindruck, dass im
Bauhandwerk besonders schlampig gearbeitet wird, hat jetzt seine empirische
Bestätigung: Kreutzer Fischer & Partner hat in einer Marktanalyse insgesamt
580 Bauvorhaben aus 2007 einem Qualitäts-Check unterzogen (200 Neubau- und
380 Renovierungsprojekte). Das Ergebnis ist für die Branche kein
Ruhmesblatt. In praktisch allen Neubauprojekten musste vor und/oder nach
Bauabnahme in zumindest einem Gewerk ein Mangel behoben werden.
Keine handwerkliche Ehe
Bei Renovierungsprojekten musste beinahe
bei jedem dritten Bauvorhaben nachgebessert werden. Insgesamt wurde bei 65
Prozent aller untersuchten Bauprojekte zumindest ein Baumangel gefunden.
"Von handwerklicher Ehre ist da nicht mehr viel übrig", so der
Geschäftsführer von Kreutzer Fischer & Partner, Andreas Kreutzer.
Die Gründe für die mangelnde Bauqualität sind vielfältig: Zum einen sinken die Vorgabezeiten aufgrund des steigenden Preis- und Kostendrucks ohne dass im Gegenzug der Maschineneinsatz oder die Vorfertigung im gleichen Ausmaß gewachsen wären. Auf der Baustelle muss daher die Arbeit immer schneller erledigt werden. Zum anderen fehlt es immer öfter an qualifiziertem Personal.
In Wien geht's besonders schlampig zu
Besonders schlimm ist die
Situation in Ostösterreich, allen voran in Wien. Während in der
Bundeshauptstadt insgesamt bei drei von vier Bauvorhaben Baumängel
diagnostiziert wurden, war dies in Tirol und Vorarlberg bei "nur" sechs von
zehn Bauvorhaben der Fall. In Wien wurden 37 Prozent aller Baumängel als
schwer klassifiziert, im Westen waren es 25 Prozent.
Die meisten Mängel wurden im Innenausbau (Trockenbau, Anstreicher, Fliesenleger und Ähnliches) identifiziert (42 Prozent). Dahinter liegen bereits die Installateure (34 Prozent) vor den Baumeistern 33 Prozent. Der hohe Anteil an Baumängeln verlängert auch die Bauzeit. Etwa 40 Prozent aller Bauvorhaben werden später als geplant fertiggestellt, im Neubau sind es sogar 66 Prozent. Wobei speziell im vergangenen Jahr durch die gute Baukonjunktur die zeitliche Flexibilität der Ausführenden zum Teil stark eingeschränkt war.
Argument: Unwesentlicher Mangel
Bei privaten Bauvorhaben erweist
sich die Mängelanzeige oftmals als schwieriges Unterfangen, insbesondere bei
leichten Baumängeln. Sehr rasch wird hier vom Professionisten das Argument
vom unwesentlichen Mangel ins Treffen geführt. Da eine gerichtliche
Auseinandersetzung in der Regel nicht ohne langwierige
Sachverständigen-Gutachten vonstattengeht, scheuen viele Bauherren vor
rechtlichen Schritten zurück. Was vom Auftragnehmer auch manchmal bewusst
einkalkuliert wird.
Alarm beim Wohnbau
Besorgniserregend ist die Situation im
Wohnungsneubau. Bei 75 Prozent aller untersuchten Bauprojekte musste in mehr
als drei Gewerken nachgebessert werden. Im Vergleich zu industriell
erzeugten Produkten ein konkurrenzlos schlechter Wert. Man stelle sich nur
mal vor, man holt einen Neuwagen vom Händler ab und kann mit fast 80 Prozent
Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass zumindest drei Mängel reklamiert
werden müssen: zum Beispiel ein Kratzer im linken Kotflügel, ein Defekt am
rechten Bremslicht und ein schadhafter Kühler.
Die Bauwirtschaft argumentiert die hohe Quote an Baumängeln mit dem hohen Anteil handwerklicher Arbeit. Doch dieses Argument ist nicht schlüssig. Denn Handarbeit steht gewöhnlich als Synonym für höchste Qualität. Nur am Bau versucht man damit schlampiges Arbeiten zu erklären. "Wenn der vergleichsweise hohe Anteil an handwerklicher Arbeit die hohe Mängelquote erklärt, so ist dies ein Argument mehr, den Wohnbau so rasch als möglich auf industrielle Fertigung umzustellen", so Kreutzer.