Die EU-Kommission schlägt vor, den Status des Wolfs von "streng geschützt" zu "geschützt" herabzustufen.
Die Kommission hatte in den vergangenen Monaten Daten aus den Mitgliedstaaten gesammelt, um den Schutzstatus neu zu bewerten. Die Rückkehr des Wolfs in EU-Regionen, in denen er seit langem nicht mehr anzutreffen war, habe ebenso wie die Zunahme seiner Populationen in neuen Gebieten zu Schwierigkeiten und Konflikten geführt, begründet die Kommission ihre Entscheidung.
Die Kommission präsentierte am Mittwoch in Brüssel einen Vorschlag, mit dem der Schutzstatus des Wolfs im Rahmen des internationalen Übereinkommens von Bern über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume angepasst werden soll. Da die Vertragsparteien die EU und ihre Mitgliedstaaten sind, kann ohne eine Änderung des Schutzstatus im Rahmen des Berner Übereinkommens der Status auf EU-Ebene nicht geändert werden. Die Zustimmung der EU-Mitgliedstaaten und anderer Vertragsparteien des Berner Übereinkommens ist zudem erforderlich.
"Die Rückkehr des Wolfs ist eine gute Nachricht für die Artenvielfalt in Europa. Die Dichte der Wolfsrudel in einigen europäischen Regionen ist inzwischen jedoch zu einer echten Gefahr geworden, insbesondere für die Nutztierhaltung", so EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die lokalen Behörden forderten "größere Flexibilität für das aktive Management kritischer Wolfspopulationen". Dies sollte auf europäischer Ebene erleichtert werden, und der von der Kommission heute eingeleitete Prozess sei ein wichtiger Schritt dahin.
Totschnig: "Meilenstein"
Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) sprach in einer Reaktion gegenüber der APA von einem "ersten großen Meilenstein" und verwies auf eigene Initiativen mit dieser Stoßrichtung. Er forderte nun die Mitgliedsstaaten auf, sich "klar zu positionieren und einer Änderung zuzustimmen. Dass Von der Leyen ebenso wie die deutsche Umweltministerin Stefanie Lemke (Grüne) nun die "Sorgen der Menschen ernst nehmen" sei jedenfalls zu begrüßen, so der Minister: "Fakt ist, der Wolf ist in Europa nicht mehr vom Aussterben bedroht und vermehrt sich mittlerweile pro Jahr um bis zu 30 Prozent."
"Die aktuellen europäischen Regeln zum Schutz von gefährdeten Tieren in der EU sind in unseren Augen ausgewogen. Sie sind ein passender Rahmen für den Erhalt unserer Tierwelt und für eine funktionierende Almwirtschaft. Sie ermöglichen schon jetzt die Entnahme von einzelnen Tieren, wenn andere Maßnahmen nicht wirken", hieß es aus dem Klimaschutzministerium. Es gehe nun darum, die Bedürfnisse der Landwirtschaft genauso ernst zu nehmen wie den Schutz gefährdeter Arten.
"Endlich scheint in Brüssel Vernunft punkto Wolf einzukehren", freute sich auch Österreichs Landwirtschaftskammerpräsident Josef Moosbrugger. "Jetzt müssen auch die EU-Mitgliedstaaten die Ergebnisse der europaweiten Befragung ernstnehmen und für eine Änderung der Berner Konvention sorgen", forderte der Landwirtschaftskammerpräsident. In diesem Zusammenhang verlangte von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), sich entsprechend zu engagieren: "Es wäre wichtig, dass sie - anders als bei der Abstimmung im vergangenen Jahr - die Verzweiflung der Bäuerinnen und Bauern in den Alm- und Weideregionen endlich ernst nimmt und ihnen mehr Glauben schenkt als praxisfremden Theoretikern und selbsternannten Naturschützern."
Große Freude vor allem in Tirol
Große Freude löste die Ankündigung der EU-Kommission am Mittwoch vor allem in Tirol aus. So etwa bei Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP), der wiederholt vehement auf eine Senkung des Schutzstatus gedrängt hatte und in dessen Bundesland dieses Jahr der Druck auf den Wolf mittels einer Verordnungs-Regelung inklusive erleichterter Abschüsse erhöht worden war. "Der Druck und die Argumente aus Tirol zeigen Wirkung, die Europäische Union lenkt bei den großen Beutegreifern endlich ein", erklärte Mattle gegenüber der APA. Tirol habe sich "auf europäischer Ebene enorm eingebracht und mit der Novelle des Tiroler Jagdgesetzes die Grundlage für die Entnahme gelegt". "Damit ist der Tiroler Weg endgültig abgesichert. Wir werden weiterhin alles daran setzen, die traditionelle Almwirtschaft und unseren Lebensraum zu sichern", betonte der Landeshauptmann.
Tirols Landeshauptmannstellvertreter und Agrarlandesrat Josef Geisler (ÖVP) sah gegenüber der APA einen "ersten wichtigen und richtigen Schritt", man sei jedoch "bei Weitem noch nicht am Ziel". Bis zur tatsächlichen Änderung der FFH-Richtlinie sei es noch ein weiter Weg, hier dürfe man nun "nicht lockerlassen". Auch der rote Landeshauptmannstellvertreter Georg Dornauer betonte, der Schutz von Bevölkerung und Almwirtschaft stünden für SPÖ und Landesregierung im Vordergrund. "Wir haben mit den entsprechenden Verordnungen zur Entnahme der großen Beutegreifer das eingehalten, was wir den Tirolerinnen und Tirolern vor der Landtagswahl versprochen haben. Nun werden wir durch das Vorgehen auf europäischer Ebene bestätigt."
"Die Sicherheit der Menschen steht im Vordergrund, deswegen müssen notwendige Maßnahmen unkompliziert und rasch erfolgen können. Die Mitgliedsstaaten müssen diesen Kommissionsvorschlag nun sofort unterstützen", begrüßte auch der niederösterreichische LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf den Vorschlag.
Bernhuber: "Längst überfällige Schritte"
"Eine wissenschaftliche Neubewertung des Schutzstatus und ein vernünftiges und praxistaugliches Wolfsmanagement sind daher wichtige und längst überfällige Schritte für die heimischen Bauernfamilien und den gesamten ländlichen Raum. Die aktuelle Einstufung beruht auf der Datenlage von 1979, diese Daten sind völlig veraltet und es ist gut, dass diese wissenschaftliche Basis jetzt auf den aktuellen Stand der Wissenschaft gebracht wird", kommentierte Alexander Bernhuber, Agrar- und Umweltsprecher der ÖVP im Europaparlament.
Thomas Waitz, EU-Abgeordneter der Grünen und Vorsitzender der Europäischen Grünen Partei, fordert hingegen, dass der Schutzstatus des Wolfes nicht herabgestuft wird: "Der Wolf ist keine Bedrohung für Kinder am Schulweg oder gar die Großmutter im Wald. Die Konservativen führen eine komplett faktenbefreite Diskussion. Statt billigem Populismus nachzugeben, sollte die Kommission lieber an Lösungen arbeiten, den Bäuerinnen und Bauern dabei zu helfen, sich auf eine friedliche Ko-Existenz einzustellen." "Das ist ein populistischer Angriff auf den Artenschutz und widerspricht den wissenschaftlichen Fakten", kritisiert auch Artenschutz-Experte Christian Pichler vom WWF Österreich. Der WWF fordert daher alle EU-Mitglieder inklusive der österreichischen Bundesregierung dazu auf, Von der Leyens Attacke nicht zu unterstützen. "Wölfe sind ein wichtiger Faktor für gesunde Wälder und unterstützen damit auch das Erreichen der EU-Naturschutz-Ziele", sagt Pichler.
Der NÖ Jagdverband betonte, die Ankündigung sei ein wichtiges Signal an die Land- und Forstwirtschaft sowie die Jagd. "Aktuell leben schätzungsweise 17.000 Wölfe in Europa. Der Wolf gilt daher nicht als gefährdet. Vielmehr ist er in einzelnen Regionen Europas zu einem zunehmenden Risiko für Nutztiere geworden. Es braucht dementsprechend ein nachhaltiges Wolfsmanagement", so Niederösterreichs Landesjägermeister Josef Pröll. Auch Bauernbund-Präsident Abg.z.NR Georg Strasser begrüßt den Schritt der Kommission, den der Bauernbund schon lange gefordert hat: "Der stete Tropfen höhlt den Stein: Unser beständiges Engagement in Brüssel zahlt sich aus."