Der Gesundheitsminister kann die Kritik der Nachtgastro an Verschärfungen nicht nachvollziehen. Mückstein Empfiehlt den Ländern eine Impfpflicht für Gesundheitsberufe.
Weil knapp ein Drittel der Corona-Infektionen auf Urlaubsrückkehrer zurückgeht, will Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) eine PCR-Testpflicht für Heimkehrer. "Wir schauen uns das gerade an", er halte das für eine "sinnvolle Möglichkeit", betonte Mückstein am Freitag im APA-Interview. Zwar ist der Minister weiterhin gegen eine generelle Impfpflicht, empfiehlt den Ländern allerdings, eine solche für die Gesundheitsberufe einzuführen.
Keine Impfpflicht
"Eine generelle Impfpflicht wird es nicht geben in Österreich", bekräftigte Mückstein, "das halte ich für nicht zielführend". Sehr wohl viel abgewinnen kann er einer Verpflichtung aber bei Menschen, die im medizinischen Kontext arbeiten, jedenfalls sollte das bei Neuanstellungen werden. Er halte es "nicht für vertretbar", mit alten Menschen zu arbeiten und diese zu gefährden, weil man nicht geimpft sei. Es gebe hier eine "hohe ethische Verantwortung". Die Bundesländer hätten bereits die Möglichkeit für eine Impfpflicht für Gesundheitsberufe - die Frage, ob er eine solche empfehle, bejahte Mückstein.
Auf ähnliches für Lehrer und Kindergärtner wollte sich Mückstein dagegen nicht einlassen: Für den Bildungsbereich sei Minister Heinz Faßmann (ÖVP) zuständig, der von einer geschätzten Durchimpfungsrate von etwa 75 Prozent unter Lehrern ausgeht. Wenn dem so ist, sieht Mückstein hier auch kein großes Problem. Außerdem drängt sich für ihn in weiterer Folge die Frage auf, was etwa mit Polizisten oder Rettungsfahrern sei - "das ist eine sehr heikle Diskussion, die breit geführt werden muss".
Schulen sollen öffnen
Dass die Regierung mit einem Konzept für den Schulbeginn spät dran sei, stellte Mückstein in Abrede. Man sei mit dem zuständigen Minister Faßmann in enger Abstimmung, es müsse sichergestellt sein, dass die Schulen geöffnet werden können. "Wir müssen die Schulen zu einem sicheren Ort machen, weitere Schließungen darf es keinesfalls geben." Die Entscheidung der EU-Arzneimittelbehörde EMA, grünes Licht für den Einsatz des Corona-Impfstoffs von Moderna bei Kindern und Jugendlichen ab zwölf Jahren zu geben, bringe "ein noch breiteres Angebot für Schülerinnen und Schüler", erklärte Mückstein, damit könne man sich "optimal auf den Herbst vorbereiten".
Dringend notwendig sei ein "möglichst niederschwelliges, rasches und unkompliziertes Impfangebot", meinte Mückstein. "Die Impfungen zu den Leuten bringen, lautet das Motto. Inzwischen gibt es zahlreiche Erfolgsbeispiele, wie kreative Ideen Impfen sexy machen: Impfboote, Impfen im Stephansdom. Ich wünsche mir mehr davon - impfen beim Friseur, impfen beim Prater, impfen im Fußballstadion."
Auffrischungsimpfungen werden gratis sein
Jedenfalls sichert der Minister zu, dass auch die Corona-Auffrischungsimpfungen nichts kosten werden: "Die bleibt ganz sicher gratis." Ab dem Spätherbst werden die ersten Auffrischungen notwendig sein, durchgeführt werden sie wahrscheinlich eher bei den Hausärzten, wie Mückstein erklärte. Es sei ein Wunsch der Länder und Sozialversicherungen, weg von den Impfstraßen und hin zum niedergelassenen Bereich zu kommen. Ob die Hausärzte allein das auch schaffen, werde gerade mit der Ärztekammer besprochen - es müsse jedenfalls sichergestellt sein, "dass jeder seinen Stich bekommt". Das Nationale Impfgremium sei außerdem gerade damit befasst, ob man Ältere nicht schon früher wieder impfen soll. Einmal mehr infrage gestellt wurde von Mückstein, ob die Tests im Herbst noch kostenlos sein werden. Man müsse sich anschauen, wie die Lage im Herbst sei, blieb der Minister aber unkonkret.
Auch wenn die Infektionszahlen steigen, sieht Mückstein derzeit keine Notwendigkeit für weitere Maßnahmenverschärfungen, etwa eine von Experten angeregte Wiedereinführung der Maskenpflicht bei Indoor-Veranstaltungen, Stichwort Festspiele. Man habe in den "wesentlichen Bereichen" wie den Öffis und dem Lebensmittelhandel Maskenpflicht, und derzeit sei das auch so "vertretbar". Aber, schränkte der Minister ein: "Wir werden uns die Zahlen genau anschauen."
Lage in Spitälern noch "gut"
In den ersten Wochen seiner Ministerzeit habe man Lockerungen verkünden könne, "was natürlich der angenehmere Part ist", aber seit Anfang Juli habe man eine neue Situation mit steigenden Infektionszahlen. Derzeit sei die Lage in den Spitälern noch gut, aber es sei erst rund die Hälfte der Bevölkerung durchgeimpft, und man wisse nicht, wie schnell sich die anderen anstecken werden. Wenn es hier in sechs bis acht Wochen einen "Peak" gebe, sei es "nicht ausgeschlossen", dass man im September in den Spitälern wieder ein Problem bekomme. Dies wolle man aber eben "mit kleinen Schrauben und Maßnahmen verhindern", erklärte Mückstein.
Zuletzt wurden die Regeln für Clubs und Diskotheken verschärft, seit dieser Woche gelten da nur mehr Impfung oder PCR-Test als Eintrittskarte. "Was mich gewundert hat war, dass sich teilweise Nachtgastro-Vertreter so gegen diese Neuregelung gewehrt haben", meinte Mückstein, "das ist altes Denken für mich". Wenn es Hotspots gebe, müsse man die Nachtgastro komplett schließen, und "das will ich nicht", betonte Mückstein. Sich impfen zu lassen oder am Donnerstag einen PCR-Test "aufzustellen", damit man am Wochenende feiern könne, sei durchaus zumutbar. "Wir werden auch die Kontrollen verstärken müssen", kündigte der Minister an.
Mückstein 100 Tage im Amt
Generell hat der Nachfolger von Rudolf Anschober, der diese Woche seit 100 Tagen im Amt ist, schon das Gefühl, sich beim Koalitionspartner ÖVP auch durchsetzen zu können. Zu Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe er ein "sehr gutes und korrektes Arbeitsverhältnis", meinte Mückstein auf eine entsprechende Frage. "Ich kann mich nicht beklagen." Er habe erst lernen müssen, dass es bei wichtigen Dingen wie einer Öffnungsverordnung einfach eine enge Abstimmung mit dem Regierungschef brauche, räumte Mückstein ein. Es funktioniere gut, so habe man ja erst mit den jüngsten Verschärfungen gezeigt, dass man rasch auf veränderte Inzidenzzahlen reagiere.
Ganz so harmonisch ist das Koalitionsklima freilich nicht, aktuell liefern sich ÖVP und Grüne Scharmützel bei der Klimapolitik, konkret der von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) beauftragten Evaluierung von Straßenbauprojekten. Die Klimakrise sei eine riesige Herausforderung, wenn man die Klimaziele nicht erreiche, führe das zu Fluchtbewegungen und Hitzetoten, warnte Mückstein. Es reiche nicht, sich für Klimaziele loben zu lassen, richtete der Grüne dem Koalitionspartner aus: "Wir brauchen keine Ziele, sondern wir brauchen Handlungen", meinte Mückstein. Genau dies tue Gewessler - "eine Evaluierung ist nicht unanständig".