Demo mit bis zu 50.000 Menschen und eine Sondersitzung im Nationalrat - der Zwölf-Stunden-Tag sorgt für Wirbel.
Die Gewerkschaft bläst zum Angriff: Nur fünf Tage, nachdem Wolfgang Katzian zum neuen ÖGB-Präsidenten gewählt wurde, kündigt er auf oe24.TV eine große Kundgebung gegen den von der Regierung geplanten 12-Stunden-Tag an.
„Wir hören in den Betrieben den Wunsch, auf die Straße zu gehen“, so Katzian. „Es wird eine große, öffentliche Protestkundgebung in den nächsten eineinhalb Wochen geben.“ Die Gewerkschaft will Samstag in einer Woche, am 30. Juni, in Wien demonstrieren. Aus den Bundesländern sollen Aktivisten mit Bussen gebracht werden. „Wir werden ein starkes Zeichen setzen“, gibt sich der ÖGB-Chef im Interview kämpferisch.
Katzian: Streik als "letztes Mittel" der Gewerkschaft
Betriebsräte. Bereits jetzt laufen Betriebsräte-Konferenzen und -Versammlungen, in denen die Gewerkschaft die Belegschaft über die Auswirkungen des 12-Stunden-Tags informiert. Katzian kritisiert, dass die Regierung das Gesetz „still und heimlich“ eingebracht hat, ohne mit den Arbeitnehmern zu verhandeln. „Jetzt müssen wir uns die Augenhöhe eben so zurückerkämpfen“, sagt er.
Auch einen Streik schließt Katzian nicht aus, doch der sei immer „das letzte Mittel der Gewerkschaft“.
Die Gewerkschaft zeigt damit das erste Mal seit dem Antritt der türkis-blauen Regierung ihren „starken Arm“. Ex-ÖGB-Präsident Foglar hatte sich mit Kritik zurückgehalten. Katzian poltert hingegen auch gegen die Art und Weise, wie die Regierung das Gesetz zum 12-Stunden-Tag eingebracht hat. „Früher hat man sich zusammen an einen Tisch gesetzt und so lange geredet, bis es einen Kompromiss gibt.“
Katzian im oe24.TV-Talk: "Regierung streut Leuten Sand in die Augen"
ÖSTERREICH: Wollte die Regierung mit dem 12-Stunden-Tag Ihnen zum Start als ÖGB-Präsident eins auswischen?
Wolfgang Katzian: Das sind natürlich besondere Startvoraussetzungen. Am falschen Fuß konnte man uns nicht erwischen, weil wir vorbereitet waren. Die Regierung versucht den Leuten Sand in die Augen zu streuen: „Du arbeitest nur noch vier Tage, du kannst dir aussuchen, wann, alles ist easy-cheesy …“ Das müssen wir durchbrechen.
ÖSTERREICH: Was planen Sie an Protesten?
Katzian: Wir beginnen mit Betriebsräte-Konferenzen und -Versammlungen, um die Menschen zu informieren. Und es gibt den großen Wunsch sehr vieler Menschen, die sagen: Wenn ihr auf die Straße geht, dann wäre ich gerne dabei. Das werden wir tun: Es wird eine große öffentliche Veranstaltung geben, wo wir den Protest zum Ausdruck bringen.
ÖSTERREICH: Gibt es einen Zeitplan dazu?
Katzian: Es wird in den nächsten eineinhalb Wochen sein. Es gibt so viele Menschen, die sagen: Wir müssen ein ganz, ganz starkes Zeichen setzen, dass die Bevölkerung das so nicht will.
ÖSTERREICH: Wie viel Personen erwarten Sie?
Katzian: Wir haben nur acht bis zehn Tage Zeit. Aber einige 10.000 werden es schon sein.
SPÖ beantragt Nationalratssondersitzung
Die SPÖ macht die Pläne der Regierung zur Arbeitszeitflexibilisierung zum Thema im Nationalrat. Die Sozialdemokraten haben Dienstagabend eine Sondersitzung mit dem Titel "12-Stunden-Tag und 60-Stunden-Woche im Auftrag der ÖVP-Großspender - So nicht, Herr Bundeskanzler!" beantragt.
Die "Dringliche Anfrage" wird sich an Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) richten. Details dazu wird der geschäftsführende Klubobmann Andreas Schieder bei einer Pressekonferenz am Donnerstag bekannt geben. Der Fristenlauf im Parlament sieht vor, dass die Sitzung spätestens am Freitag kommender Woche stattfinden muss.
Regierungsausflug mit Bahnsteig-Protest
Begleitet von roten Protesten hat die Regierung ihren Ausflug nach Linz angetreten, der neben einem Ministerrat nicht nur einem Austausch mit der Lokalpolitik bringt, sondern auch ein Treffen mit der bayerischen Landesregierung. Beim Aufbruch am Wiener Zentralbahnhof wurde ebenso Unmut über die Ausweitung der Höchstarbeitszeit geäußert wie bei der Ankunft des Kabinetts im Linzer Landhaus.
Auch von der frühen Abfahrtszeit ließ sich eine Delegation junger SPÖ-Funktionäre, angeführt von JG-Chefin Kathi Weninger und der SJ-Vorsitzenden Julia Herr, nicht davon abhalten, die am Bahnsteig eintreffenden Minister abzupassen: "Achtung, Bahnsteig 8. Liebe Eltern! Aufgrund der österreichischen Bundesregierung verspätet sich die Ankunft bei Ihren Kindern um bis zu vier Stunden täglich. Bedanken Sie sich für die Unannehmlichkeiten durch den Zwölf-Stunden-Tag bei Sebastian Kurz und seinen Sponsoren", erschallte aus einem Lautsprecher.
Die Minister angeführt von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) passierten das Dutzend Demonstranten ebenso ungerührt oder lächelnd wie eine noch kleinere Gruppe, die sich aus dem selben Grund vor dem Linzer Landhaus postiert hatte.