Chronologie

56 Tage Koalitionsverhandlungen

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56 Tage haben SPÖ und ÖVP gebraucht, um eine Neuauflage einer kleineren Großen Koalition zu schustern. Lesen Sie die Chronologie dazu.

Geprägt waren die Verhandlungen von einer Zögerlichkeit seitens der ÖVP und einer sanften, aber beharrlichen Umarmung der SPÖ. Die selbst auferlegte Deadline, bis spätestens Weihnachten fertig zu werden, haben die Koalitionspartner deutlich unterschritten. Im Folgenden eine Chronologie der wichtigsten Ereignisse seit der Wahl vom 28. September:

28.9. Bei der Nationalratswahl verpassen die Wähler der Großen Koalition einen harschen Denkzettel: SPÖ und ÖVP fallen auf den historischen Tiefststand. Beide stürzen auf unter 30 Prozent ab, während FPÖ und BZÖ deutlich zulegen. Die SPÖ bleibt mit 29,3 Prozent aber stärkste Partei; die ÖVP, die den vorgezogenen Urnengang zwei Jahre nach der letzten Wahl provoziert hatte, wird mit nur 26,0 Prozent Zweite.

29.9. ÖVP-Chef Wilhelm Molterer kündigt den Rücktritt an, Josef Pröll wird zum Nachfolger designiert. Pröll und der Parteivorstand halten sich ausdrücklich alle Varianten - Rot-Schwarz, Rot-Blau-Orange oder auch die Opposition - offen.

30.9. SPÖ-Chef Werner Faymann legt sich fest: Er will Koalitionsverhandlungen nur mit der ÖVP führen.

8.10. Bundespräsident Heinz Fischer erteilt SPÖ-Chef Faymann den Auftrag zur Regierungsbildung.

9.10. Faymann und Pröll treffen sich zu einem ersten "Vorbereitungsgespräch". Ein Fahrplan mit "Österreich-Gespräch" (mit allen Parteien) und weiteren "Vorbereitungsgesprächen" wird vorbereitet. Angesichts der aufziehenden Wirtschaftskrise kündigen Faymann und Pröll ein Konjunkturpaket an.

11.10. Der Kärntner Landeshauptmann BZÖ-Chef Haider stirbt bei einem Autounfall.

13.10. Pröll beendet die zuvor verordnete "Abkühlungsphase": Angesichts der Finanzkrise will er jetzt rasch mit den Koalitionsverhandlungen beginnen. Tags darauf ermächtigt ihn der Parteivorstand (mit vier Gegenstimmen) zum Verhandeln. Im Verhandlungsteam sitzen auch einige Vertraute der Ex-Parteichefs Wolfgang Schüssel und Molterer.

16.10. Auch das SPÖ-Verhandlungsteam steht und zeigt viele altbekannte Gesichter.

17.10. Bundespräsident Fischer drängt auf eine rasche Regierungsbildung.

20.10. Faymann und Pröll erklären, die Verhandlungen vor Weihnachten abschließen zu wollen - und fixieren die Vorgangsweise: Jeden Donnerstag tritt die große Runde zusammen; in Untergruppen werden die Sachthemen aufbereitet.

21.10. Die große Verhandlungsrunde tagt erstmals - ohne Ergebnisse, aber offenbar in besserer Atmosphäre als 2006.

29.10. Beim zweiten "Österreich-Gespräch" geraten sich SPÖ und ÖVP über die Budgetpolitik in die Haare. Für Faymann ist angesichts der Wirtschaftskrise die Maastricht-Grenze von drei Prozent "kein Heiligtum", Pröll will sich dieser Grenze nicht einmal nähern.

30.10. Zweite große Verhandlungsrunde: Keine Ergebnisse, aber Faymann und Pröll wollen das Tempo erhöhen.

2.11. In der ÖVP mehren sich die Stimmen - aktuell aus Vorarlberg, zuvor schon Steiermark, Burgenland, ÖAAB - dafür, Teile der Steuerreform auf 2009 vorzuverlegen. Dies hatte die SPÖ schon vor der Wahl gefordert, die ÖVP bisher aber abgelehnt.

4.11. Parteichef Pröll erklärt sich bereit, Teile der Steuerreform auf 2009 vorzuziehen - und dabei ein höheres Budgetdefizit und ein Überschreiten der Maastricht-Grenze von drei Prozent des BIP zu akzeptieren.

5.11. Die Finanz-Untergruppe tagt mehr als vier Stunden. Ein Ergebnis wird noch nicht bekanntgegeben.

6.11. Einigung nach der dritten großen Verhandlungsrunde: Die Steuerreform (mit einem Volumen von 2,7 Mrd. Euro) wird auf 2009 vorverlegt. Pröll und Faymann betonen, dass die Fortsetzung der Großen Koalition damit noch nicht fixiert ist.

8./9.11. Die Verhandlungs-Untergruppe zur Staatsreform meldet die Beendigung ihrer Arbeit, große Würfe sind demnach nicht geplant. Alle Arbeitsgruppen sollen innerhalb einer Woche ihre Arbeit vollenden, dann nochmals die Finanzgruppe tagen, anschließend sollen die letzten offenen Fragen von der großen Verhandlerrunde geklärt werden.

9.11. Der vom Post-Management geplante Abbau von 9.000 Post-Mitarbeitern wird zum Streitthema bei den Koalitionsverhandlungen. Faymann sieht Finanzminister Molterer gefragt: Dieser hätte schon längst aktiv werden müssen. Sollte es wirklich zu dem Job-Abbau kommen, fordert Faymann ein Köpferollen im Post-Management.

11.11. Faymann kündigt eine Universaldienstverordnung an, mit derer für die nächsten sechs Monate (ab Jahresbeginn 2009) kein Postamt geschlossen werden darf.

12.11. Molterer übt scharfe Kritik an Faymann: Dieser habe die Post-Liberalisierung selbst mit zu verantworten. Außerdem zweifelt er die Rechtmäßigkeit von Faymanns Verordnung an. Pröll erklärt, es sei zu wenig, die Angelegenheit auf die lange Bank zu schieben.

14.11. Pröll tritt auf die Bremse: Die "Ereignisse der letzten Tage" hätten zu einer "angespannten Situation" geführt. Gemeint war offenbar das Vorgehen Faymanns angesichts der Sparpläne der Post. Erst rund um den ÖVP-Parteitag (28.11.) werde klar sein, "ob es geht oder nicht", so Pröll.

15.11. Die Finanz-Untergruppe beendet nach einem langen Arbeitstag ihre Rechentätigkeiten, Details werden nicht bekannt. Am Abend platzt dann die für den (Sonn-)Tag darauf geplante große Verhandlungsrunde: Pröll verlangt "nach den Ereignissen der letzten Tage" eine Aussprache unter vier Augen mit Faymann. Er wolle klären, ob es noch ein Vertrauen gebe.

16.11. ÖVP-Obmann Pröll setzt die Verhandlungen nach dem Vieraugengespräch vorerst aus und legt der SPÖ zehn Fragen zur Beantwortung vor - diese sollen aber "keine Ultimaten und keine Frist" darstellen. Von den Antworten hänge aber ab, ob die ÖVP eine Große Koalition eingehen werde. SP-Chef Faymann kündigte an, die Fragen binnen vier Tagen zu beantworten.

17.11. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (S) spricht am Vormittag von einer "Pflanzerei der SPÖ". Am Nachmittag antwortet SPÖ-Chef Faymann auf die zehn Fragen von Pröll in nicht einmal 24 Stunden. Der ÖVP-Chef erachtet daraufhin weitere Gespräche mit den Sozialdemokraten als "sinnvoll".

18.11. SPÖ und ÖVP vereinbaren vertrauliche Gespräche in kleineren Zusammensetzungen. Bundespräsident Fischer zeigt sich optimistisch, die neue Regierung spätestens Mitte Dezember angeloben zu können. Faymann hält Einigung bis Sonntag (23.11.) für möglich.

19.11. Opposition beantragt Sondersitzung zu staatsnahen Unternehmen wie Post und AUA für 25. 11., bei der noch die scheidende Koalition auf der Regierungsbank sitzen wird.

20.11. Die Koalitionsverhandlungen gehen in die Endphase. Die Leiter der Untergruppen kommen mit den Parteichefs sowie den Finanzverhandlern zum sogenannten "Beichtstuhlverfahren" zusammen, um die diversen Wünsche noch einmal in den Budgetrahmen zu pressen. Immer mehr Details aus dem Regierungsprogramm sickern durch.

21.11. Mit Wilhelm Molterer zieht sich ein weiteres Mitglied der Schüssel-Ära zurück. Der scheidende Vizekanzler, Finanzminister und ÖVP-Chef will der nächsten Regierung nicht mehr angehören, er bleibt einfacher Abgeordneter.

22.11. Regierungsverhandlungen befinden sich im Endspurt: in einer vertraulichen Runde werden letzten noch offenen Details geklärt.

23.11. Faymann und Pröll verkünden am Tag 56 nach der Wahl die Einigung auf eine rot-schwarze Regierung.

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