Kurz

Wenn Türkis-Grün scheitert

Kurz: Sein Plan B für Regierung

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Das Wochenende haben Türkis und Grün durchverhandelt. Einigung ist weiter keine in Sicht.

Wien. „Schwierig, extrem schwierig“, hört man sowohl aus der ÖVP als auch von den Grünen über die laufenden Koalitionsverhandlungen. Das Wochenende wurde durchverhandelt. Beide Partner treten einander weiterhin in freundlicher Atmosphäre gegenüber. Doch bei Migration, Steuern, Verkehrsprojekten und auch in der Bildung kommt man kaum vom Fleck. Keine Rede mehr davon, dass die Regierung bis Weihnachten steht. 50:50 stünden die Chancen, dass ein Abschluss überhaupt gelingt, heißt es vonseiten mehrerer Verhandler zu ÖSTERREICH.
 

Minderheitsregierung, bis FPÖ oder SPÖ stabil sind

Hinter den Kulissen überlegen Strategen bereits, was passiert, wenn Türkis-Grün scheitert. Und da kristallisiert sich immer mehr die Option heraus, die ÖVP-Chef Sebastian Kurz selbst im Wahlkampf lancierte: eine Minderheitsregierung mit wechselnden Mehrheiten. Politologe Fritz Plasser erklärt im ÖSTERREICH-Gespräch, wie diese Regierungsform bei uns funktionieren könnte, die derzeit etwa in Dänemark an der Macht ist.
 
SPÖ, FPÖ. Erst müsste Kurz zumindest pro forma Gespräche mit SPÖ und FPÖ führen. Erst wenn klar ist, dass es hier auch keine Einigung gibt, könnte er das Projekt Minderheitsregierung angehen.
 
Regierungsprogramm. Nach Beratungen mit dem Bundespräsidenten müsste Kurz ein Regierungsprogramm erstellen, in dem sich alle zumindest in Teilbereichen finden. Es darf nicht zu detailliert sein, um Verhandlungsspielraum zu lassen. Ziel: Projekte mit wechselnden Mehrheiten im Parlament beschließen. Also etwa Klimaschutz mit den Grünen, Migration mit der FPÖ, Soziales mit der SPÖ.
 
Regierung. Die Minister dürften nicht nur ÖVP-Vertreter sein, sondern müssten vor allem in Schlüsselressorts Angebote an SPÖ, FPÖ und Grüne sein – ähnlich der jetzigen Übergangsregierung.
 
Kommunikation. Der Kanzler müsste aktiv und kooperativ auf das Parlament zugehen, weil er es für Mehrheiten braucht.
 
Was für eine Minderheitsregierung spricht: Keine Partei will in der jetzigen Situation Neuwahlen. Und: Nach ein oder zwei Jahren könnten sich SPÖ oder FPÖ so weit stabilisiert ­haben, dass sie für die ÖVP wieder als Regierungspartner infrage kommen.
 

Polit-Experte Fritz Plasser: "Minderheitsregierung wäre für SP & FP Chance"


ÖSTERREICH: Könnte Kurz gleich nach Scheitern der Verhandlungen mit den Grünen eine Minderheitsregierung bilden?
 
Fritz Plasser: Da würde der Bundespräsident nicht mitspielen. Die Konvention wäre, auch mit SPÖ und FPÖ Gespräche zu führen.
 
ÖSTERREICH: Wie kann ­eine Minderheitsregierung funktionieren?
 
Plasser: Unverzichtbar wäre ein Regierungsprogramm, wo Kernvor­haben enthalten sind und sich Schnittflächen mit anderen Parteien finden.
 
ÖSTERREICH: Was muss noch beachtet werden?
 
Plasser: Die Kommunikation müsste sich vom Stil her deutlich ändern, um eine stabile Mehrheit im Parlament zu haben.
 
ÖSTERREICH: Warum sollten die anderen Parteien überhaupt zustimmen?
 
Plasser: Es wäre ein Experiment, aber es wäre ­eine Chance, auch für die anderen Parteien. Für SPÖ und FPÖ könnte in ein bis zwei Jahren die Kooperationsfähigkeit als Regierungspartner wieder hergestellt sein.
 
Debora Knob
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