Mit dem einstigen ÖBB-Finanzvorstand Arnold Schiefer ist am Freitag der erste Zeuge im Prozess gegen Sebastian Kurz (ÖVP) wegen falscher Beweisaussage im Ibiza-Untersuchungsausschuss befragt worden.
Wien. Der Ex-ÖBB-Finanzvorstand und freiheitliche Verhandler des Regierungsprogramms von 2017, Arnold Schiefer, hat bei seiner Zeugenaussage am Freitag im Prozess gegen Sebastian Kurz (ÖVP) wegen falscher Beweisaussage die bisherige Verantwortung des Ex-Kanzlers großteils gestützt. Die ÖBAG-Bestellung sei kein großes Thema der Regierung gewesen. Interventionen des Ex-Kanzlers habe es bei ihm keine gegeben, so Schiefer: "Kurz hat sich bei mir nie gemeldet bezüglich eines Wunsches."
Im Wesentlichen geht es in dem Prozess um die Frage, ob Kurz von einem Personalpakt für die Besetzung des Vorstands und des Aufsichtsrats der ÖBAG gewusst hat, das zwischen Schmid für die ÖVP und Schiefer für die FPÖ ausverhandelt worden war. Kurz war dieses laut eigener Aussage nicht bekannt. Der Ex-Kanzler bestreitet den Vorwurf, zu diesem Thema im Ibiza-Untersuchungsausschuss falsch ausgesagt zu haben. Laut Schiefers Aussagen waren die Vorgänge damals nur ein Randthema der Regierung - eine direkte Involvierung Kurz' skizzierte Schiefer nicht.
ÖBAG sei "totales Nebenthema" gewesen
Schiefer erklärte, dass statt der ÖBAG andere Themen im Vordergrund gestanden seien wie etwa die Krankenkassen-Zusammenlegung. Die ÖBAG hingegen sei ein "totales Nebenthema" gewesen. Bis zum Schluss habe er aber aus Governance-Gründen versucht abzuwehren, dass es ein Alleinvorstand werde, sagte Schiefer zur späteren Rolle Schmids. Politisch sei dieses Thema nie wirklich diskutiert worden.
Dass Schmid Interesse gehabt habe, ÖBAG-Vorstand zu werden, sei damals immer wieder Gerücht gewesen, auch medial. "Er war immer wieder hin und hergerissen." Freilich könne man etwas anstreben, es gebe aber einen Bewerbungsprozess. Nach Vorhalt einer SMS, aus der eine derartige Bestrebung Schmids hervorgehen könnte, meinte Schiefer: "Es ist eines von vielen SMS." Nach fünf Jahren könne er sagen, "dass einem nicht eine jede SMS erinnerlich ist". Außerdem sei eine SMS das, was sie ist - "eine Short Message". Freilich sei es Schmid ein Anliegen gewesen, Unstimmigkeiten mit der FPÖ aus dem Weg zu räumen, denn sonst hätte es kein Gesetz und somit auch keinen Aufsichtsrat bzw. keine ÖBAG gegeben.
Etwaige Blockaden vorbeugen wollen
Befragt zu dem medial bekannt gewordenen "Sideletter" meinte Schiefer, der 2017 das Regierungsprogramm für die FPÖ nach eigenen Angaben in den Bereichen Verkehr und Standort, Beteiligungslandschaft der Republik sowie Budget- und Finanzfragen verhandelt hatte, dass es dabei prinzipiell darum gegangen sei, bei Staatsbeteilungen und Aufsichtsräten vom gängigen Proporz abzugehen. Man habe die bis dato 50-Prozent-Aufteilung in eine im Verhältnis Zwei- zu einem Drittel abgeändert. Die Aufsichtsräte der jeweiligen "Beteiligungswelt" wurden demzufolge von der zuständigen Partei mit Zweidrittel beschickt, von der anderen zu einem Drittel, erklärte Schiefer. Damit habe man etwaigen Blockaden vorbeugen wollen. Seines Wissens sei das dann auch von Schwarz-Grün übernommen worden.
Eigentlich sei das aber ein "Nebenthema" gewesen, ein "Gentlemen's Agreement" gewissermaßen, so Schiefer. Darin sei etwa festgehalten worden, dass auch Frauenquoten zu berücksichtigen sind. "Es ist sinnvoll, das im Rahmen von Regierungsverhandlungen zu besprechen", betonte Schiefer. Listen über Aufsichtsräte zu führen, sei aber nicht eines seiner "Lieblingsthemen" gewesen. Eine Liste über Aufsichtsräte habe man deswegen geführt, weil das "selbstverständlich" aus Sicht des "Juniorpartners", der FPÖ, Thema gewesen sei. Schließlich seien ÖVP-Vertreter eh überall in den Aufsichtsräten gesessen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache habe das Thema offenbar immer wieder auf den Tisch bekommen, "denn offensichtlich wurde der Handschlag auf der FPÖ-Seite enger interpretiert als auf ÖVP-Seite". Strache habe dann Angst gehabt, dass die FPÖ über den Tisch gezogen werde.
Chats liefern Einblicke: "Widerlicher Kerl"
Sein Verhältnis zu Schmid sei lediglich beruflicher Natur gewesen. Man habe immer wieder einmal einen Kaffee getrunken, sei aber niemals gemeinsam "auf einem Festl" gewesen. Kontakt zur ÖVP-Spitze habe er keinen gehabt, so Schiefer. Die "Schnittstelle" zur Volkspartei sei Schmid gewesen, "und damit ist auch das Verhältnis definiert, nämlich Schnittstelle", betonte Schiefer. Als Verhandlungspartner sei er immer dann gut gelitten gewesen, wenn es ein gutes Verhandlungsergebnis für die ÖVP gegeben habe, so Schiefer: "Wenn ich etwas härter für die FPÖ verhandelt habe, war das nicht so." Richter Michael Radasztic hält Schiefer danach Chatverläufe vor, in denen Schmid ihn als "widerlichen Kerl" oder als "Persona non grata" bezeichnete. Für ihn sie das ein "Kompliment" gewesen, schließlich sei es nicht sein Ziel gewesen, "den Beliebtheitspreis bei der ÖVP zu bekommen"
Schiefer lieferte sich zudem kleine Scharmützel mit den Vertretern der WKStA. Etwa beklagte er sich, dass die Fragestellungen nicht präzise genug auf den Verfahrensgegenstand eingehen würden. "Wenn Sie so eine Frage stellen, weiß ich nie, ob da nicht irgendwoher wieder ein Zettel daherkommt. Das ist ja wie im Untersuchungsausschuss", kritisierte Schiefer. Radasztics appellierte daraufhin, die "Diskussionen auf der Metaebene" zu beenden und wieder zu den Fragen zurückzukehren.
Kurz' Anwalt Otto Dietrich beschränkte sich darauf Schiefer nach der Stimmung im U-Ausschuss zu befragen. "Die Stimmung dort ist der Republik nicht würdig, eine Kirmes-Veranstaltung." Eigentlich müsste ein U-Ausschuss live übertragen werden, damit Politikern Grenzen im Benehmen aufzeigt werden. Froh zeigte sich Dietrich darüber, dass nun alle Chats zum Akt genommen worden seien. Schließlich könne man diese nur in der "Gesamtschau" bewerten.
Kurz "Kein einziges Herzerl-oder Bussi-SMS"
Und auch Kurz selbst meldete sich am Ende des Verhandlungstages zu Wort. Er sei "sehr froh, dass nun mehr und mehr Chats zum Akt kommen", meint der Beschuldigte. Und weiter: "Wenn man sich das gesamte Bild ansieht, dann geht eigentlich sehr eindeutig hervor, dass ab Anfang 2017 der Thomas Schmid sehr stark meine Nähe sucht und das mit einer großen Häufigkeit." Schmid lobe sich oft selbst und bedanke sich "für alles und jedes, manchmal für sehr absurde Dinge". "Es gibt aber kein einziges Danke, kein einziges Herzerl-oder Bussi-SMS, wo ihm angeblich von mir der ÖBAG-Posten versprochen worden ist", so der Ex-Kanzler, der sich abermals entlastet sieht. Schließlich würden etliche Chats ein anderes Bild zeichnen. Diese seien aber von der WKStA nicht zum Akt genommen worden, stützten sie doch die Erzählung nicht.
Eigentlich war Schmid als erster Zeuge geladen, er war am Freitag aber verhindert. Schmid wird nun am 11. Dezember aussagen, wie der Richter zu Beginn festhielt. Danach folgen zwei ehemalige Finanzminister. Am 15. Dezember ist die Aussage von Gernot Blümel, drei Tage später jene von Hartwig Löger geplant.