Rettungsschirm über 10 Milliarden

Wien Energie: So wurden die Milliarden verzockt

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Protokoll eines dramatischen Wochenendes. In letzter Sekunde wurde verhindert, dass Wien Energie an Börse gesperrt wird.

Wien. Es war ein erstaunlich gut gehütetes Geheimnis: Erst am Samstag schickt die Wien Energie – Wiens größter und landeseigener Energieversorger – einen Hilferuf an das ­Finanzministerium. Aufgrund eines für sie schwarzen Börsenfreitags – die Strompreise explodierten – brauche die Wien Energie bis Montag, 9 Uhr, fast 1,8 – konkret 1,776 – Milliarden Euro als Sicherheit vom Bund.

Der Krimi: SOS-Ruf erst am Samstagvormittag

Zeitdruck. Entweder die Wien Energie würde die ­Sicherheit vom Bund erhalten, oder das Unternehmen würde Montagfrüh von der Börse gesperrt, appelliert die Wien Energie. Auch Beamte des Rathauses unterstützten die Forderung. Würden sie die Sicherheiten nicht erhalten, hätte es zur Folge, dass zwei Millionen Strom- und Gas-Kunden zu „kündigen wären bzw. nicht mehr belieferbar“ seien, so die mündliche und schriftliche Erklärung an das Finanzministerium. Noch dramatischer: Die Wiener forderten einen „generellen“ Schutzschirm in Höhe von zehn Milliarden Euro, da der gesamte Bedarf nicht klar sei und man einen „Schneeball-Effekt auf die ganze Branche“ befürchte.

Die Dramatik: Sonntag kommt es zum Schock

Die Fakten. Am Sonntag tagten Kanzler Karl Nehammer, Finanzminister Magnus Brunner, Klimaministerin Leonore Gewessler, Vertreter des Verbundes und der Wien Energie. Auch Wiens Finanzstadtrat Peter Hanke wurde eingeladen. Aber er kommt nicht. Die Wien Energie zeigt mittels Powerpoint-Präsen­tation die explodierenden Strompreise an den Börsen und den Sicherungsbedarf. In der Sitzung wird freilich auch erstmals offengelegt, dass die Stadt Wien bereits drei Mal je 700 Millionen Euro ­Garantien für den landeseigenen Energiebetrieb ausgestellt hatte. Insgesamt 2,1 Milliarden Euro, die per Notverordnung gezahlt wurden. Der Gemeinderat wurde darüber nicht informiert.

Am Sonntag wurden auch andere Energiebetreiber in Österreich durchgerufen. Sie beteuerten, dass sie derzeit nicht in einer ähnlichen Lage seien. Um 20.30 Uhr dringen dann erste ­Details aus der Sitzung über die Notlage der Wien Energie nach außen.

Das Toben: Wiener Rote erzürnt über Indiskretion

Der Konflikt. Im Wiener Rathaus schweigt man am Sonntagabend noch. Rote toben über die „Indiskretion“ und wittern eine „Intrige von Türkis-Grün“. Während die Wien Energie in der Nacht auf Montag auf Twitter zu beruhigen versucht: Sie stünde nicht vor der Pleite und sei ein „gesundes Unternehmen mit bester Bonität“.

Die Rettung: Wien bittet um 6 Milliarden vom Bund

Der Deal. Am Montag verhandelt Hanke mit Brunner. Bis zu vier Milliarden Euro würde die Stadt Wien als Besicherung zur Verfügung stellen. Weitere sechs Mil­liarden Euro müssten per Garantien aber vom Bund kommen. Die Gelder seien nicht verloren, sagt Hanke (siehe rechts). Die Wien Energie wird weiter an der Börse einkaufen können. In einem Brief an Brunner schreibt Hanke: „(...) Aufgrund der an der Börse notwendigen Margin-Zahlungen für Energiehandelsgeschäfte ersucht die Stadt Wien um Bereitstellung einer von der Stadt Wien zurückzuführenden Kredit­linie über einen Betrag von 6 Milliarden Euro.“ 2 Milliarden Euro davon „bis spätestens“ heute 12 Uhr!

I. Daniel

Peter Hanke (SPÖ): Rettungs-Schirm bis 10 Milliarden

Wiens Finanzstadtrat ­Peter Hanke will 10-Milliarden-„Schutzschirm“.

Hilfegesuch. Wiens ­Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) fordert ­einen bundesweiten „Schutzschirm“ vom Bund, da an der Börse „Mondpreise“ für Strom verlangt würden. Die Wien Energie sei besonders betroffen, da die ­Eigenproduktion geringer sei. Wie hoch das Schutznetz sein müsse, sei schwer zu sagen, da sich die ­Preise täglich ­ändern. Der Rettungsschirm könne bis zu zehn Milliarden Euro betragen. Auch andere Energieanbieter könnten den Schutzschirm brauchen.

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