Nach Stelzer nun auch Mattle

Schon zwei Landeschefs stellen Russland-Sanktionen in Frage

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Während die Bundes-ÖVP betont, geschlossen hinter den Russland-Sanktionen zu stehen, scheren bereits zwei Länderchefs aus. 

Der oberösterreichische Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) stellt die Sanktionen des Westens gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine in Frage. Man müsse diese überdenken, falls es im Herbst zu Energieengpässen kommt, sagt er in der "Kleinen Zeitung". Tirols ÖVP-Obmann und Landtagswahlspitzenkandidat Anton Mattle zeigte sich "offen" gegenüber Stelzers Vorstoß, die Sanktionen auf "Treffsicherheit zu überprüfen". Die Bundes-VP verweist auf deren Wirksamkeit.

Stelzer bezeichnet die Sanktionen als grundsätzlich richtig, es sei aber nichts Stein gemeißelt. "Die Sanktionen müssen immer auf eine Frage hin überprüft werden: Dienen sie hauptsächlich der Friedenserreichung oder schaden sie uns in der Mehrheit schon selber? Sanktionen, um den Frieden zu sichern, heißt auch, dass wir einen Preis zahlen. Das ist nichts klinisch Sauberes, es wirkt auf uns zurück, auf die Industrie, die Arbeitsplätze und die Energiekosten. Wir haben jetzt Sommer, niemand muss heizen. Das Thema Energie wird viel spürbarer werden, wenn dann wieder geheizt werden muss. Momentan glaube ich, dass es noch in einer guten Balance ist, aber es sollten bald einmal Fortschritte in Richtung Friedenserreichung gemacht werden", so Stelzer.

"Bevor es zu einer Situation kommt, dass wir uns selber unser Leben massiv beschädigen, dass der soziale Ausgleich ins Wanken kommt, müssen wir natürlich darüber nachdenken, ob diese oder jene derzeit wirksame Sanktion weiterbetrieben wird oder ob die Treffsicherheit noch verbessert werden muss", befand Stelzer im Interview mit der "Kleinen Zeitung". In der "Kronen Zeitung" hielt er fest: "Klar ist, die Sanktionen treffen auch uns selber, das ist ein Preis, den wir alle miteinander zahlen, um hoffentlich Frieden zu stiften." Darum sei es aber auch wichtig, immer wieder zu prüfen, also etwa ob sie wirksam seien oder ob man sie verbessern und die Treffsicherheit erhöhen könne.

Sein Tiroler ÖVP-Landesparteichef-Kollege Mattle kann offenbar mit dieser Meinung Stelzers einiges anfangen. Er erklärte gegenüber oe24: „Die Frage nach Sanktionen muss immer auf europäischer Ebene gemeinsam mit unseren Partnern beantwortet werden. Wir dürfen uns innerhalb der Europäischen Union auch in der Krise nicht auseinanderdividieren lassen. Eine Evaluierung der Sanktionen wird und muss im Rahmen der Staats- und Regierungschefs aber immer möglich sein“ 

Bundes-ÖVP: Geschlossen hinter den Russland-Sanktionen

Die Bundes-ÖVP stellte  klar, dass man geschlossen hinter den EU-Sanktionen gegen Russland stehe: "Wenn wir dem militärischen Angriffskrieg Putins gegen die Ukraine nichts entgegensetzen, würden wir das Signal senden, dass Völkerrechtsbruch toleriert wird. Letztlich brächten wir damit unsere eigene Sicherheit in Gefahr." Als Reaktion auf eine unrechtmäßige Verhaltensweise müssten Sanktionen unter Berücksichtigung verschiedenster Parameter aber regelmäßig evaluiert werden. "Es ist und bleibt oberste Prämisse, dass Sanktionen einem selbst nicht mehr schaden dürfen, als jenem, gegen den sie verhängt werden."

Dies habe auch Landeshauptmann Stelzer zum Ausdruck gebracht, betonte man. "Vorhersagen darüber zu treffen, wann in Zukunft welche Sanktionen notwendig sein werden, ist schlicht nicht möglich. Fakt ist jedenfalls, dass die EU-Sanktionen gegen Russland wirken, nämlich jeden Tag mehr." Die russische Wirtschaft trage nachhaltigen Schaden davon. Dieses Jahr werde ein Einbruch der russischen Wirtschaft zwischen 6 bis 10 Prozent prognostiziert, die EU-Wirtschaft hingegen solle um rund 3 Prozent wachsen, betont die ÖVP.

Stelzer kündigte unterdessen zudem an, dass analog zur Reaktivierung des Kohlekraftwerks in Mellach in der Steiermark auch die Wiederbelebung des stillgelegten Kohlekraftwerks in Riedersbach in Oberösterreich geprüft werde. "Wir prüfen gerade, wie das gehen könnte. In Riedersbach sind allerdings alle Genehmigungen ausgelaufen, man stünde dort am Beginn wie bei einem neuen Kraftwerk, müsste alle Verfahren neu starten, Mitarbeiter aufbauen. Aber wir prüfen das, weil wir nicht davon ausgehen können, dass alles wie gewohnt weiterläuft. In der Not bin ich für alles, was uns unabhängiger macht."

FPÖ-Außenpolitik-Sprecher Axel Kassegger ortete ein "Rumoren" in der ÖVP. "Es war uns Freiheitlichen sofort klar, dass diese Sanktionspakete nur Schüsse in das eigene Knie bedeuten können. Was diese EU-hörige ÖVP mit den grünen Kriegstreibern hier anstellen, ist schlichtweg schauerhaft", meinte er in einer Aussendung.

Oberösterreichs FPÖ-Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner betonte, dass er eine Evaluierung der Sinnhaftigkeit der Sanktionen für überflüssig halte, weil man das Ergebnis bereits kenne. "Der Ukraine-Russland-Konflikt konnte noch immer nicht am Verhandlungstisch beendet werden, es gab natürlich entsprechende und zu erwartende Gegenreaktionen Russlands mit gedrosselten Lieferungen, die Energiepreise explodieren und ob wir über den Winter mit den Energie-Reserven kommen ist ungewiss."

Der Landessprecher der Grünen in Oberösterreich, Stefan Kaineder, kritisierte hingegen die Ausführungen des Landeschefs. Studien würden belegen, dass die gesamteuropäischen Sanktionen als Antwort auf den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Wirkung zeigen und die russische Wirtschaft auf allen Ebenen lahmgelegt werde. "Jetzt, wo die Sanktionen gegen Russland ihre Wirkung voll entfalten, diese in Frage zu stellen, sehe ich als schweren Fehler. Es ist die einzige wirkungsvolle Antwort, die wir in Europa aktuell haben, um den russischen Diktator von seinen Allmachtsfantasien abzubringen." Dessen "tödliches Treiben" müsse Konsequenzen haben. Wenn man zusammenstehe, werde Wladimir Putin seinen Krieg verlieren.

"Befremdlich" ist für Kaineder auch der Vorstoß zur Wiederinbetriebnahme des Kohlekraftwerkes. Nötig seien vielmehr Initiativen am Weg zu einer echten Energieunabhängigkeit und eine sofortiger Start zum Ausbau Erneuerbarer in Oberösterreich. Ins selbe Horn stieß auch die IG Windkraft. "Oberösterreich darf nicht in die klimapolitische Steinzeit abdriften! Neue Kohlekraftwerke errichten zu wollen, aber Windkraft auf Hügelketten abzulehnen, ist ein klimapolitischer Irrweg", zeigte sich Stefan Moidl, Geschäftsführer der IG, überzeugt.

Der Dachverband Erneuerbaren Energie Österreich (EEÖ) zeigt sich in einer Aussendung ebenfalls alarmiert. "Hier wird unter dem Deckmantel der aktuellen Energiekrise versucht, alten Klimakillern ein neues Kleid zu verpassen und sie so wieder salonfähig zu machen", beklagte EEÖ-Präsident Christoph Wagner.
 

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