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ÖVP-Chef startet Sondierungen

Auftrag von VdB: Jetzt startet der Koalitions-Poker

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Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz den Regierungsbildungsauftrag erteilt.

Wien. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat Montagvormittag den Regierungsbildungsauftrag an VP-Chef Sebastian Kurz erteilt. Davor hatten sich das Staatsoberhaupt und der Altkanzler eine Stunde ausgetauscht. Van der Bellen meinte im Anschluss, er habe nach den Gesprächen mit den Parteichefs in den vergangenen Tagen den Eindruck gewonnen, dass die Volkspartei eine Regierung werde bilden können.
 
Der ÖVP-Obmann wird nun mit den Vorsitzenden der anderen Parteien in der Reihenfolge von deren Stärke beim Urnengang vom 29. September Sondierungsgespräche führen. Die Volkspartei hat dabei drei Optionen für Zweier-Koalitionen. Sowohl mit der SPÖ als auch mit der FPÖ und den Grünen würde die ÖVP auf eine solide Mehrheit im Nationalrat kommen. Die Neos könnten höchstens als ergänzender Partner fungieren.
 
Video zum Thema: VdB erteilt Kurz Regierungsbildungsauftrag
 

Klimawandel für Präsidenten "ganz oben auf Agenda" 

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat in einer kurzen Ansprache nach der Erteilung des Regierungsbildungsauftrags betont, dass seiner Ansicht nach die "Klimakatastrophe" in den anstehenden Regierungsverhandlungen "ganz oben auf der Agenda" stehen sollte. ÖVP-Obmann Sebastian Kurz nannte dagegen den "drohenden Wirtschaftsabschwung" als größte Herausforderung, Klimaschutz kam bei ihm erst auf Platz vier.
 
"Ich betraue Sie, Herr Bundesparteiobmann Kurz, als Vorsitzenden der stimmenstärksten Partei mit der Erstattung von Vorschlägen zur Bildung einer neuen Bundesregierung", sagte Van der Bellen nach dem rund einstündigen Gespräch mit dem ÖVP-Chef.
 
Er lese manchmal in den Medien, dass er in Sachen Regierungsbildung klare Vorstellungen hätte, sagte Van der Bellen. "Einen Wunsch habe ich ganz sicher: Unabhängig von den Parteifarben in der Regierung wünsche ich mir eine rot-weiß-rote Regierung, das heißt, ein starkes Österreich in einem gestärkten Europa", sagte er. "Mir ist nicht so wichtig, wer mit wem regiert, mir ist wichtig, wer wofür regiert."
 

"Drohende Klimakatastrophe"

"Ganz oben auf der Agenda" sollte aus Sicht des Staatsoberhaupts "der Umgang mit der drohenden Klimakatastrophe" stehen. Auch die Unabhängigkeit der Justiz sprach er an: "Ich werde auf eine sorgfältige inhaltliche, politische und personelle Behandlung der Sicherheits- und Justizfragen im Rahmen des Regierungsbildungsprozesses großes Gewicht legen", betonte er. Außerdem werde auf die sich eintrübende Konjunkturlage Rücksicht zu nehmen sein. Voraussetzung dafür sei ein moderner Bildungs- und Forschungssektor.
 
"Last but not least" wünschte sich Van der Bellen einen ausgeglichenen Frauen- und Männeranteil: "Die amtierende Bundesregierung besteht je zur Hälfte aus Frauen und Männern und ich fände es gut, wenn auch in der künftigen Bundesregierung der Frauenanteil entsprechend hoch ist."
 
"Der Wahlkampf ist vorbei, die Zeit des Findens von Lösungen ist gekommen", appellierte er an die Parteien, ehrliche Verhandlungen zur führen. Türen, die jetzt zugeschlagen würden, würden für lange Zeit geschlossen bleiben. Er habe in der vergangenen Woche eingehende Gespräche mit den Vertretern der im Nationalrat vertretenen Parteien geführt, in denen er sie ersucht habe, in den folgenden Verhandlungen "das Wohl Österreichs über allfällige parteitaktische Interessen zu stellen", sagte Van der Bellen.
 
Zum weiteren Prozedere erklärte der Bundespräsident, dass er mit Kurz vereinbart habe, dass dieser ihn über den Fortschritt der Verhandlungen laufend informieren werde. Er selbst werde auch mit den Vertretern der anderen Parteien im Gespräch bleiben.
 

Kurz bedankte sich 

ÖVP-Parteichef Sebastian Kurz bedankte sich anschließend einmal mehr bei seinen Wählern für das Vertrauen und bei Van der Bellen für den Auftrag zur Regierungsbildung. Nach den informellen Gesprächen der vergangenen Woche werde er diese Woche offizielle Gespräche mit den Chefs aller im Parlament vertretenen Parteien führen, kündigte er an. Wann genau diese Gespräche starten werden, sagte er nicht.
 
Dafür nannte er drei Ziele, mit denen er in die Gespräche gehen werde: Er wolle dafür sorgen, dass die politische Kultur nach dem teilweise "sehr schmutzigen Wahlkampf " wieder eine bessere werde. Außerdem will Kurz über eine mögliche parteiübergreifende Zusammenarbeit im Parlament sprechen. "Zum Dritten ist das große Ziel dieser Gespräche natürlich, eine stabile und handlungsfähige Regierung zu bilden."
 
Seine Prioritätenlisten war eine andere als die von Van der Bellen. Größte Herausforderung, die unmittelbar bevorstehe, sei die Frage, wie man mit dem "drohenden Wirtschaftsabschwung" umgehe. Zweites großes Anliegen ist es Kurz, den "Weg der Steuerentlastung fortzusetzen". Drittens will er den "entschlossenen Weg im Kampf gegen illegale Migration in Österreich und Europa" weitergehen. Erst als vierten Punkt nannte Kurz jenen Bereich, den Van der Bellen als die größte Herausforderung bezeichnet hatte, nämlich den Kampf gegen den Klimawandel.
 
"Ich werde alles tun, um dieses Land, unser schönes Österreich, in eine gute Zukunft zu führen", versprach Kurz. "Auf uns kommen intensive Wochen und Monate zu."
 
Kurz war kurz nach zehn Uhr in der Präsidentschaftskanzlei eingetroffen. Nach einer kurzen Begrüßung vor den Kameras zogen sich der Parteichef und der Bundespräsident zu einem rund einstündigen Gespräch zurück. Danach erteilte Van der Bellen Kurz den Regierungsbildungsauftrag.
 

Grüne wollen von ÖVP "Ruck von rechts in die Mitte"

Die Grünen im Westen Österreichs, die mit der ÖVP in Koalitionen sind, zeigen sich bezüglich einer türkis-grünen Regierung auf Bundesebene skeptisch, aber nicht hoffnungslos. Sie verlangen aber von den Türkisen Bewegung vor allem in der Frage des Klima- und Umweltschutzes.
 
Der Grüne Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi hat 2003 bereits einmal mit der ÖVP Regierungsverhandlungen geführt, damals sind die Gespräche geplatzt. Dem damaligen ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel habe die Sensibilität gefehlt, die Grenzen der Grünen zu erkennen, so Willi.
 
Sollte es jetzt wieder zu Sondierungen zwischen den beiden Parteien kommen, appelliert Willi an ÖVP-Obmann Sebastian Kurz, zu erkennen, dass es eine große Klimawende brauche. "Wer das nicht erkennt, ist nicht auf der Höhe der Zeit", sagte Willi im Ö1-"Morgenjournal" am Montag. "Ich hoffe, dass Sebastian Kurz den richtigen Weg einschlägt und vom bisherigen abzweigt."
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