Im Jahr 2023 wurden der Anti-Rassismus-Beratungsstelle ZARA 1.302 rassistische Vorfälle gemeldet.
Von diesem Rückgang im Vergleich zum Vorjahr (1.479) dürfe man sich aber nicht täuschen lassen, die Dunkelziffer sei viel höher, sagte ZARA-Geschäftsführerin Rita Isiba bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Eine der zentralen Forderungen von ZARA - der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus - wird laut Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) wohl nicht mehr umgesetzt.
Dieser ist im türkis-grünen Regierungsprogramm vorgesehen, im Pressefoyer nach dem Ministerrat danach gefragt betonte Rauch, dass die Regierung in dem Bereich einige Projekte gemacht und "einiges auf den Weg gebracht" habe. Allerdings, so Rauch: "Zum Nationalen Aktionsplan werden wir, um es klar zu sagen, nicht mehr kommen." Gegenüber der APA betonte Rauch, dass er dies bedaure: "Der Nationale Aktionsplan gegen Rassismus und Diskriminierung liegt in der Zuständigkeit von Bundesministerin Susanne Raab (ÖVP). Wir würden uns bei der Erstellung und Koordinierung deutlich mehr Tempo wünschen." Die Grünen Ressorts hätten jedenfalls "ihre Hausaufgaben gemacht und in ihren Verantwortungsbereichen bereits wichtige Maßnahmen gesetzt", meinte Rauch.
ZARA werde sich "weiter dafür einsetzen, Österreich näher an eine rassismuskritische Gesellschaft zu bringen", betonte Isiba auf die Aussagen aus der Regierung angesprochen. "Wenn wir schon nicht die Unterstützung aus der Politik haben, haben wir zumindest die Unterstützung von Privatpersonen und Unternehmen." Der Bericht zeige, "wie tief verwurzelt Rassismus in vielen Lebensbereichen in Österreich noch ist", so Isibas Fazit. Allen voran im Bildungssystem, am Arbeitsplatz, im Gesundheitssystem und im Kontakt mit der Polizei gebe es den größten Aufholbedarf. 1.708 Mal hat ZARA bei Meldungen von Rassismus persönlich beraten, 702 Mal rechtliche Maßnahmen und andere Interventionen gesetzt.
Über 50 Prozent Online-Rassismus
Von den 1.302 Meldungen, die ZARA im Jahr 2023 dokumentierte, betrafen 58 Prozent Rassismus online. Es sei aber nur ein "fließender Übergang" von Rassismus im Internet hin zu Übergriffen in der analogen Welt, schilderte die Leiterin der Beratungsstellen Fiorentina Azizi-Hacker anhand eines Beispiels: Eine Schwarze Frau und Mutter meldete sich bei ZARA, weil sie von ihrem Online-Dating-Kontakt rassistisch und sexistisch beleidigt und bedroht wurde. Nachdem sie nach dem ersten Date kein Interesse an weiteren Treffen hatte, habe er sie mit Nachrichten bombardiert, in denen er unter anderem mit sexuellen Übergriffen auf ihre Tochter drohte.
Der Bedarf an intensiver Beratung sei aber deutlich höher als die Kapazitäten der Stelle. "Es wird nicht so viel gemeldet, wenn die ZARA-Beratungsstelle acht Wochen schließen muss, um die vorliegenden Meldungen zu bearbeiten", erklärt sich Azizi-Hacker den Rückgang der Meldungen. "Um wirklich etwas gegen Rassismus zu tun, müssen unsere Ressourcen aufgestockt werden. Wir sind auf Förderungen und Spenden angewiesen", ergänzte Isiba.
Vier von 58 Beschwerden wegen "rassistischer" Polizeigewalt
15,9 Prozent der Fälle ordnete die Stelle dem "öffentlichen Raum" zu, elf Prozent Güter und Dienstleistungen, 8,4 Prozent staatlichen Behörden und Institutionen, 4,5 Prozent der Polizei, 1,6 Prozent Politik und Medien und 0,4 Prozent der Arbeitswelt. Nur in 4 von 58 Fällen rassistischer Polizeigewalt wurden formale Beschwerden eingereicht. Zur neuen Ermittlungs- und Beschwerdestelle zur Aufklärung von Misshandlungsvorwürfen gegen Polizeibedienstete, die im Jänner die Arbeit aufgenommen hat, könne man derzeit noch nicht viel sagen. Auch wenn es Bedenken die Unabhängigkeit betreffend gebe, sei diese "nichtsdestotrotz ein wichtiger erster Schritt."
Kritik äußerte die Stelle erneut an den Deutschförderklassen. "Nicht die Deutschförderklassen an sich, sondern das System, das da implementiert wurde, ist das Problem", sagte der Lehrer Ali Dönmez. Schülerinnen würden anhand ihrer Sprachkenntnisse segregiert, der für die Einstufung notwendige MIKA-D-Test messe der Grammatik einen viel zu hohen Stellenwert zu. Der Umgang mit Mehrsprachigkeit sei aber generell ein Problem an vielen Schulen. Dönmez schilderte mehrere Fälle, in denen Kindern und Jugendlichen verboten wurde, Türkisch oder Arabisch zu sprechen bzw. diese dafür bestraft wurden. Häufig hätten Kinder und Jugendliche Angst, dass Lehrpersonen über die Meldung informiert werden würden. "Es besteht die berechtigte Sorge, dass sich die Situation verschlimmert wenn sie sie melden."