Affäre um Razzia

BVT: VdB findet Vorgänge 'irritierend'

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SPÖ beruft gemeinsam mit anderen Oppositionsparteien Sondersitzung zu BVT-Vorwürfen ein. 

Das Justizministerium schaltet sich in die Ermittlungen der WKStA gegen Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung ein. Generalsekretär Christian Pilnacek bestätigte Donnerstag die Überprüfung der Hausdurchsuchungen im Rahmen der Fachaufsicht. BVT-Chef Peter Gridling dürfte vor der Ablöse stehen, demnächst soll - zumindest interimistisch - ein neuer BVT-Chef verkündet werden.
 
Video zum Thema: Skandal um mysteriöse Razzia beim Geheimdienst
 
"Die Situation wird von uns derzeit eingehend geprüft", erklärte Pilnacek laut einer gemeinsamen Aussendung von "Profil" und "Standard". Es werde überprüft, ob die Ermittlungsmaßnahmen verhältnismäßig waren. Das Justizministerium übe seine Fachaufsicht über die WKStA - in Zusammenarbeit mit der Oberstaatsanwaltschaft - aus, erklärte er im ORF-"Abendjournal".
 

Van der Bellen findet Vorgänge "irritierend"

 
Bundespräsident Alexander Van der Bellen erwartet sich in der BVT-Affäre von den zuständigen Stellen "eine rasche und vollständige Aufklärung". In einer Stellungnahme meinte das Staatsoberhaupt, die Vorgänge rund um das Bundesamt seien "höchst ungewöhnlich und irritierend".
 

SPÖ beruft Sondersitzung ein und droht mit U-Ausschuss

 
Die SPÖ hat am Freitag eine Sondersitzung des Nationalrats zur BVT-Affäre angekündigt. Parteichef Christian Kern kritisierte, "dass hier eine offensichtlich wohlbegründete Ermittlung der Staatsanwaltschaft genutzt wird, um den politisch gewünschten Umbau der Sicherheitskräfte zu betreiben". Er will daher mit den anderen Oppositionsparteien Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) ins Parlament zitieren.
 
Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die die Ermittlungen in der Causa führt, nahm Kern zwar in Schutz: Er gehe davon aus, dass die Staatsanwaltschaft gewohnt sorgsam vorgehe und die nötigen richterlichen Genehmigungen für die Hausdurchsuchung beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) eingeholt habe.
 
Scharfe Kritik übte der SP-Chef aber daran, dass die Hausdurchsuchung durch die von einem FPÖ-Politiker geführte Einheit zur Bekämpfung der Straßenkriminalität durchgeführt wurde und nicht etwa vom Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung oder von der Cobra; und dass dabei auch Daten der Abteilung für Extremismusbekämpfung beschlagnahmt wurden.
 
"Offensichtlich haben hier der FPÖ nahestehende Kräfte im Innenministerium die Gelegenheit am Schopf gepackt und Tatsachen geschaffen - weit über den ursprünglichen Ermittlungsinhalt hinaus", sagte Kern. Er vermutet hinter den Ermittlungen einen internen Kampf im BVT und möglicherweise auch eine Auseinandersetzung zwischen ÖVP und FPÖ. Das Vertrauen in den Sicherheitsapparat und in die Geheimdienste werde dadurch "massiv erschüttert".
 

NEOS berufen Nationalen Sicherheitsrat ein

 
In der BVT-Affäre berufen die NEOS nun den Nationalen Sicherheitsrat ein. Als Grund gibt Parteichef Matthias Strolz gegenüber der APA an, dass sich viele ernste Fragen stellten, die von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und Justizminister Josef Moser (ÖVP) restlos aufgeklärt werden müssten: "Wenn die Vorwürfe stimmen, dann ist das eine Sauerei und ein Skandal."
 

Einsatzgruppe marschierte mit schusssicheren Westen ein

Vom Justizministerium untersucht wird laut "Standard" (Freitag-Ausgabe), warum die - vom FPÖ-Gewerkschafter und -Politiker Wolfgang Preiszler geleitete - Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität mit den Hausdurchsuchungen beauftragt waren. Schwerbewaffnete Beamte dieser Einsatzgruppe marschierten demnach am Mittwoch mit schusssicheren Westen im BVT ein und haben auch Privatwohnungen Beschuldigter durchsucht. Die finale Entscheidung dazu sei von dem - von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) installierten - Generalsekretär Peter Goldgruber gekommen. Auskunft darüber gaben dem "Standard" weder er noch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft - weil es sich um eine Verschlusssache handle.
 
Weiters prüfe das Justizministerium laut Pilnacek, dass von der Straßenkriminalitäts-Einsatzgruppe bei den Hausdurchsuchungen nicht nur Unterlagen der Beschuldigten mitgenommen wurden, sondern auch die Festplatte einer Referatsleiterin für Extremismus, Sibylle Geißler. Sie wird allerdings nur als Zeugin geführt. Auf ihrer Festplatte findet sich der gesamte Extremismus-Ermittlungsstand des BVT zurück bis ins Jahr 2006, darunter auch Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zu Burschenschaftern und Identitären.

 

Innenministerium weist die Vorwürfe zurück

 
Das Innenministerium wehrte sich am Donnerstagabend gegen die Vorwürfe. Generalsekretär Goldgruber sprach von "Fake News". Dass sich das Innenministerium durch eine von einem FPÖ-Mitglied geführte Einheit  Zugang zu Rechtsextremismus-Daten" verschaffen habe wollen, wies er als "medial konstruierte Geschichte" zurück. Das Verfahren werde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) geführt. Die Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (EGS) sei "für den Einsatz angefordert" worden und habe "diese staatsanwaltlichen Aktionen lediglich begleitet". Welche Daten bei den Hausdurchsuchungen beschlagnahmt wurden, "entzieht sich der Kenntnis des Innenministeriums sowie auch der der eingesetzten EGS-Polizisten, die zu keinem Zeitpunkt in Besitz dieser Daten waren". Die Daten lägen bei der WKStA und würden von dieser ausgewertet.
 
Video zum Thema: Geheimdienst-Affäre: ÖVP verteidigt Ermittlungen
 

BVT-Chef unterdessen in Urlaub

BVT-Chef Gridling ist unterdessen laut "Standard" in Urlaub gegangen. Am 20. März läuft sein alter Vertrag aus - und an diesem Tag soll laut der Zeitung zumindest interimistisch ein neuer BVT-Chef verkündet werden. Gridlings Vertrag sei aber im Herbst de facto verlängert worden, denn er erhielt nicht die sechs Monate vor Funktionsende übliche Information über die Nichtverlängerung.
 
Am 20. März werden sich auch Parlamentarier mit der Causa beschäftigen - in der Sitzung des (vertraulich tagenden) ständigen Unterausschusses des Innenausschusses zur Kontrolle der Nachrichtendienste. Bis dahin soll der Bericht des Justizministeriums laut Pilnacek vorliegen.
 
Auf jeden Fall das Innenministerium verlassen wird ein langjähriger hochrangiger Mitarbeiter: Michael Kloibmüller wird auch seine Funktion als Leiter der Präsidialsektion zurücklegen und in die Privatwirtschaft wechseln. Laut Innenministerium tut er dies auf eigenen Wunsch, berichtete das ORF-"Abendjournal". Kloibmüller hatte seine Karriere im Kabinett von Ernst Strasser gestartet, war zwischenzeitlich auch im Gesundheitsministerium tätig - und wurde im Februar 2017 von Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) zusätzlich zu seiner Funktion als Kabinettschef auch zum Leiter der Präsidialsektion bestellt. Dass er diese Doppelbelastung wieder aufgab, begründete er Oktober auch mit gesundheitlichen Gründen.
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