Die SPÖ dürfte einen Schwenk zu einem "Realo-Kurs" in der Zuwanderungspolitik vollziehen.
Die Opposition hat die Präsentation des Integrationsberichts dazu genutzt, verschiedene Maßnahmen der Koalition zu kritisieren. "Diese Bundesregierung, allen voran die sogenannte Integrationsministerin, hat sich bisher in Sachen Integration nicht sonderlich ausgezeichnet", sieht SPÖ-Integrationssprecherin Nurten Yilmaz vor allem Ressortchefin Karin Kneissl (FPÖ) bei Maßnahmen säumig.
"Eine Ministerin, die für Integration zuständig ist, darf nicht dabei zusehen wie das Integrationsjahr gestrichen wird, AsylwerberInnen die Möglichkeit genommen wird, eine Lehre abzuschließen, und Deutschkurse gekürzt werden", kritisierte Yilmaz am Donnerstag via Aussendung. Jene positiven Maßnahmen, die im Integrationsbericht hervorgehoben werden können, gingen hingegen auf Maßnahmen der SPÖ zurück, findet die Abgeordnete.
Integrationsbericht zeige einige Baustellen
Ähnlich sieht die Sache NEOS-Integrationssprecherin Stephanie Krisper. Der Integrationsbericht zeige zwar einige Baustellen auf, aber erfreulicherweise auch, dass viele Initiativen und Maßnahmen gut funktionierten - ausgerechnet diese werden jetzt von der Regierung gekürzt, wie etwa das Integrationsjahr oder die Lehre für Asylwerber. Als "besorgniserregend" bezeichnete Christoph Wiederkehr, designierter Klubobmann von NEOS Wien, den hohen Anteil von Schülern mit einer anderen Umgangssprache als Deutsch.
Eine andere Stoßrichtung schlug Wiens Vizebürgermeister Dominik Nepp (FPÖ) ein, der die "rot-grüne Willkommenskultur" in der Bundeshauptstadt für die Sprachmängel verantwortlich machte. Für ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer beweist der Integrationsbericht jedenfalls, "dass die Regierung mit ihren Maßnahmen am richtigen Weg ist".
Kritik wiederum kam von der Organisation SOS Mitmensch. Das Prinzip "Integration von Anfang an", das vom früheren Integrationsminister und nunmehrigen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vertreten worden sei, scheine tot zu sein, findet Sprecher Alexander Pollak.
SPÖ-Ausländerpapier mit Enthaltungen angenommen
Das mit einiger Spannung erwartete SPÖ-Ausländerpapier ist Donnerstagnachmittag vom Parteivorstand ohne Gegenstimmen angenommen worden. Es gab bloß drei Stimmenthaltungen aus den Jugendorganisationen, teilte Parteichef Christian Kern in einer Pressekonferenz im Anschluss mit.
Dass es bei dieser für die Partei nicht undelikaten Thematik eine so große Mehrheit gegeben hat, freute besonders Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der gemeinsam mit dem burgenländischen SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil das Papier ausgearbeitet hat: "Das bringt kaum jemand zustande", betonte Kaiser, dass es keine einzige Gegenstimme gegeben habe.
Kern lobte dann auch den sehr breiten Arbeitsprozess, der diese laut Doskozil "herausfordernde Diskussion" zu einem guten Ende geführt habe. Es sei wichtig für die Sozialdemokratie, dass man hier einen klaren Standpunkt habe, unterstrich der designierte burgenländische Landeshauptmann. Weil dann könne man andere Themen wie Soziales und Zusammenhalt in der Gesellschaft insgesamt in den Vordergrund rücken, wie das zuletzt den Sozialdemokraten in Schweden gelungen sei, die damit trotz schwieriger Rahmenbedingungen noch ein beachtliches Ergebnis erzielt hätten.
Rigideren Kurs
Auch die SPÖ schlägt nun einen deutlich rigideren Kurs als noch vor einigen Jahren ein. Kern erläuterte, dass das Papier ein Bekenntnis beinhalte Zuwanderung zu begrenzen und im Verfahren gescheiterte Asylwerber in ihre Herkunftsländer zurückzuführen. Gleichzeitig sei klar gestellt, dass man sich zur Einhaltung von Menschenrechts- und Flüchtlingskonvention bekenne.
Von allen Rednern hervorgehoben wurde, dass es ein europäisches Asylsystem brauche. Es handle sich um eine der größten gesellschaftspolitischen Herausforderungen, die man nur gemeinsam lösen könne, meinte Kaiser. Selbst wenn es einmal zu Verfahrenszentren außerhalb der EU kommen sollte, wie sie die SPÖ in ihrem Papier anspricht, würde der Asylprozess von europäischen Beamten nach europäischen Standards durchzuführen sein, versicherte Doskozil. Zusätzlich warb er für die Wiedereinführung eines Botschaftsverfahrens. Kern unterstrich auch die Verpflichtung, gekenterte Flüchtlinge aus dem Meer zu retten und ihnen Asylverfahren in entsprechenden Zentren zu ermöglichen.
Geklärt werden müsse auch die Verteilungsfrage, was Asylsuchende angehe, und das mit Sanktionen für Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen, befand Doskozil. Ärgerlich ist für die SPÖ-Spitzen, dass noch immer Rückführungsabkommen mit etlichen Herkunftsstaaten fehlten, für Kern eindeutig ein Versagen der Regierung.
Ebenfalls als mangelhaft empfindet der Altkanzler die Bemühungen der Koalition im Bereich der Integration. Denn wenn man die Mittel für Sprachlehrer kürze, würden kaum Verbesserungen gelingen. Schließlich kritisierte Kern ein weiteres Mal die Regionalisierung der Mangelberufliste. Klar werde es für Mangelberufe weiter Zuwanderung brauchen, das aber mit Maß. Geht es nach Doskozil sollte man zunächst arbeitslose Asylberechtigte für diese Branchen zu qualifizieren versuchen.